Aisin Gioro (mandschurischᠠᡳᠰᡳᠨ ᡤᡳᠣᡵᠣ, Aussprache [ai.ɕin.kiɔ.rɔ]; chinesisch愛新覺羅, PinyinÀixīnjuéluó) ist der Familienname der Herrscher der Späteren Jin-Dynastie und danach der kaiserlichen Sippe der Mandschu-Kaiser der Qing-Dynastie. Das Haus der Aisin Gioro herrschte in China von 1644 bis zur Xinhai-Revolution von 1911/12. Aisin hat im Mandschurischen die Bedeutung Gold und „gioro“ bezeichnet den Stammsitz (chin. 籍貫 – jíguàn, 祖籍 – zǔjí, 老家 – lǎojiā) im heutigen Yilan in Heilongjiang. Nach der Sitte der Mandschu werden Familien nach ihrem hala (哈拉) benannt und durch den mukūn (穆昆) genauer bezeichnet. Der hala ist dabei der übergeordnete Familien-/Clan-Name und der mukūn eine stärker unterteilte Klassifizierung, die sich meist auf einzelne Kleinfamilien bezieht. Im vorliegenden Fall ist aisin der „mukūn“ und gioro der „hala“. Weitere Gruppen des Gioro-Clans sind Irgen Gioro, Susu Gioro (舒舒覺羅) und Sirin Gioro (西林覺羅).
Schon die Jin der Jurchen war als aisin gurun bekannt und die Qing-Dynastie hieß ursprünglich amaga aisin gurun () beziehungsweise „Spätere Jin-Dynastie“. Nach dem Sturz der Qing-Dynastie 1911 haben Mitglieder der Familie ihren Namen abgeändert in Jin (金), aufgrund der Gleichbedeutung mit „Aisin“. Puyis jüngerer Bruder zum Beispiel änderte seinen Namen von Aisin Gioro Puren (愛新覺羅溥任) in Jin Youzhi (金友之) und seine Kinder übernahmen Jin als Familiennamen.
Vor Gründung der Qing-Dynastie war die Namensgebung der Kinder der Aisin Gioro keinen festen Regeln unterworfen. Die Mandschu benutzten keine Generationennamen, bevor sie in das Gebiet von China einwanderten, und vor der Herrschaft von Shunzhi erhielten Kinder aus dem Kaiserhaus nur Mandschu-Namen, wie zum Beispiel Dorgon.[1]
Nach der Eroberung von China übernahmen die Mandschu han-chinesische Gebräuche.[2] Erst zur Herrschaftszeit von Kaiser Kangxi erhielten alle Söhne des Kaisers einen Generationennamen. Ursprünglich wurden die drei Silben Cheng (承), Bao (保) und Chang (長) benutzt, bevor ein Jahrzehnt lang Yin (胤) benutzt wurde. Die Generationen-Vorsilben der Söhne von Yongzheng waren Fu (福) und Hong (弘). Qianlong befahl, dass alle zukünftigen männlichen Nachkommen einen Generationennamen erhalten sollten, der aus einem „Generationen-Gedicht“ entnommen sein sollte. Er selbst schuf die erste Zeile dieses Gedichtes: Yong Mian Yi Zai (永綿奕載). Darüber hinaus wurden die Namen von direkten Nachkommen oft so gewählt, dass im letzten Silbenzeichen ein gemeinsames Radikal auftauchte. Ein gemeinsames Radikal erschien auch im zweiten Silbenzeichen von Prinzen, die in der Thronfolge standen.[3] Einmal veränderte auch Yongzheng den Generationennamen seines Bruders, um seinen eigenen Namen einzigartig zu erhalten. Ab der Zeit von Kaiser Daoguang kamen solche Eingriffe aber nicht mehr vor.
Auch wenn sich der Aisin-Gioro-Clan selbst gerne auf die Jurchen (Jin-Dynastie (1125–1234)) zurückführt, ist er mit der Dynastie der Wanyan nicht verwandt.[4] Der KhanHuang Taiji verlautete noch ausdrücklich: „Wir sind keine Nachfahren der früheren Jin-Kaiser.“[5][6]
Der Clan beanspruchte auch, dass Bukūri Yongšon (布庫里雍順)[7] einer jungfräulichen Geburt entstammte. Die Legende erzählt, dass drei himmlische Mädchen, Enggulen (恩古倫), Jenggulen (正古倫) und Fekulen (佛庫倫), im See Bulhūri Omo am Changbai-Gebirge badeten. Eine Elster ließ neben Fekulen ein Stück einer roten Frucht fallen und diese aß es. Dadurch sei das Mädchen schwanger geworden und habe Bukūri Yongšon geboren.
Zu ihren berühmten Vorfahren zählen die Aisin Gioro auch Mentemu vom Odoli-Clan, der als Häuptling der Jianzhou-Jurchen fungierte.
Unter Nurhaci und seinem Sohn Huang Taiji erlangte der Aisin-Gioro-Clan die Vorherrschaft unter den rivalisierenden Jurchen-Stämmen des Nordostens und breitete sich durch Eroberungsfeldzüge und Allianzen bis in die Innere Mongolei hinein aus. Nurhaci schuf große Einheiten die dauerhaft sowohl zivile, als auch militärische Funktionen übernahmen, die so genannten „Banner“. Er ersetzte dadurch die kleinen Jagd-Teams, die in früheren militärischen Kampagnen eingesetzt wurden. Ein Banner bestand aus kleineren Einheiten; es umfasste etwa 7.500 Krieger (mit ihren Haushalten, also auch den Sklaven), die unter dem Kommando eines Häuptlings standen. Jedes Banner war gekennzeichnet durch eine farbige Flagge in Gelb, Weiß, Blau, Rot, jeweils mit oder ohne Bordüre bzw. Fransen. Ursprünglich waren es vier, später acht Banner. Neue Banner entstanden, wenn die Mandschu neue Gebiete eroberten und letztendlich gab es jeweils acht Banner für Mandschu, Mongolen und Chinesen. 1648 war nicht einmal mehr ein Sechstel der Bannermänner Mandschus. Die Unterwerfung der Ming-Dynastie war dementsprechend eine multi-ethnische Umwälzung, die von den Adligen der Mandschu genauso unterstützt wurde wie von den han-chinesischen Generälen. Die Han-Chinesen wurden gewöhnlich im Banner der Grünen Standarte organisiert. Dieses Banner entwickelte sich zu einer Art kaiserlicher Paramilitärs, die in ganz China und an den Grenzen besondere Aufgaben übernahmen.
Die Qing-Kaiser arrangierten Ehen zwischen Aisin-Gioro-Damen und Fremden, um politische Ehe-Allianzen zu schließen. Während der Eroberung motivierten die Mandschu-Herrscher chinesische Offiziere zu Verrat und Fahnenwechsel, indem sie ihnen ihre Töchter versprachen und auch andernorts wurden Prinzessinnen mit Mongolenprinzen verheiratet.[8]
Ein erster Erfolg war die Bestechung von General Li Yongfang (李永芳). Er heiratete später eine Tochter von Abatai, eines Sohnes von Nurhaci. Das löste eine Welle von Überläufern aus.[9] Mehr als 1.000 Ehen zwischen Han-Chinesen und Mandschu-Frauen wurden 1632, aufgrund eines Angebots von Yoto (岳托), eines Neffen des Kaisers Huang Taiji, geschlossen.[10] Huang Taiji war überzeugt, dass Mischehen ethnische Konflikte in den eroberten Gebieten verhindern konnten und dass dadurch die Han ihre Wurzeln schneller vergessen würden.[11]
Weitere berühmte Überläufer, die mit Mandschu-Damen verheiratet wurden, waren die Söhne der „Drei Feudalherren“ im Süden.[12] Auch die Söhne der Generäle Sun Sike (孫思克), Geng Jimao, Shang Kexi und Wu Sangui erhielten Mandschu-Mädchen zur Frau[13] und ihnen wurde der Rang e’fu (額駙, Prinzessinnengemahl) verliehen. Geng Zhongming, ein Han-Bannermann, erhielt den Titel „Prinz Jingnan“ und seine Enkel Geng Jingzhong, Geng Zhaozhong (耿昭忠) und Geng Juzhong (耿聚忠) heirateten Hooges Tochter, Abatais Enkelin und Yolos Tochter.[14] Sun Sikes Sohn, Sun Cheng’en (孫承恩), heiratete die vierte Tochter Kangxis, Heshuo Prinzessin Quejing (和硕悫靖公主).[13]
Die Tochter des „Kaiserlichen-Herzogs-der-den-Staat-unterstützt“ (宗室輔國公, Zōngshì fǔ guó gōng), Aisin Gioro Suyan (蘇燕), wurde mit General Nian Gengyao verheiratet.[15]
Die Haplogruppe C-M217 (Haplogroup C3c) scheint ein gemeinsamer genetischer Marker der Aisin Gioro zu sein. Sie findet sich allerdings bei zehn verschiedenen ethnischen Minderheiten in Nordchina.[16]
Nach der Tradition der Qing-Dynastie, erben die Kinder nicht automatisch die Titel ihrer Väter. Yongqi beispielsweise erhielt den Titel „Prinz Rong vom ersten Rang“. Sein Sohn Mianyi erhielt hingegen den Titel „Prinz Rong vom zweiten Rang“. Dementsprechend verminderte sich der Rang mit jeder Generation, aber insgesamt nie weiter als bis zum Rang des „Kaiserlichen Herzog zweiter Klasse“ (feng’en fuguo gong) in den „königlichen und adligen Rängen der Qing“. Es gab jeweils zwölf Prinzen, die in den Rang shi xi wang ti („Eisen-Hut“) erhoben wurden, das bedeutete, dass ihr Rang vererbt werden konnte, ohne dass der Rang erniedrigt wurde.
Die 12 Eisen-Hut-Linien (铁帽子王, tie mao zi wang) sind im Folgenden aufgeführt. Einige von ihnen wechselten im Laufe der Zeit die Namen, daher sind bei ihnen mehrere Namen aufgeführt.
Prinz Li (禮) / Prinz Xun / Prinz Kang, Linie von Daišan (1583–1648)
↑Edward J. M. Rhoads: Manchus and Han: ethnic relations and political power in late Qing and early republican China, 1861–1928. University of Washington Press, Seattle/London 2001, ISBN 0-295-98040-0, S.55 (englisch): “In the beginning, among the first couple of generations, Manchu men had polysyllabic personal names (e.g., Nurhaci) that in their native language may have been meaningful but when transliterated by sound into Chinese characters were gibberish; furthermore, they did not arrange their personal names in generational order, as Han often did.” Mark C. Elliott: The Manchu Way: The Eight Banners and Ethnic Identity in Late Imperial China. Stanford University Press, Stanford (Kalifornien) 2001, ISBN 0-8047-3606-5, S.243 (englisch): “Manchu naming practices also differed when it came to naming the children of the same generation. Chinese practice, at least among elites, typically called for all children of the same lineage and same generation to share the same first character of the given name. All the brothers and cousins (or sisters and cousins) of the same generation would be identified by this character (sometimes called beifen yongzi), which greatly simplified the determination of relationships.”
↑Mark C. Elliott: The Manchu Way: The Eight Banners and Ethnic Identity in Late Imperial China. Stanford University Press, Stanford (Kalifornien) 2001, S.244: „Relationships within the linage. The Manchus were not so careful about this sort of thing […] The Chinese practice of using the same first character for the given names of children of same generation was initially adopted during the reign of the Kangxi Emperor. The children of Kangxi all sported the same prefix-character, yin (written ‘in’ in Manchu), and every generation afterward was marked by the same initial character (or, in Manchu, the same initial sounds) in the given name. While some Manchu families followed suit, many others did not, or did so inconsistently: for example, the brother of an early-eighteenth-century general, Erentei, was named Torio, while the Xi’an general Cangseli named his son Cangyung, using the same sound, ‘cang’ (‘chang’ in Chinese), for his and the following generation.“ Edward J. M. Rhoads: Manchus and Han: ethnic relations and political power in late Qing and early republican China, 1861–1928. University of Washington Press, Seattle/London 2001, ISBN 0-295-98040-0, S.55 (englisch): “With the imperial clan itself taking the lead, Manchus started to shorten their personal names to disyllabic ones (e.g., Yinzhen, for the future Yongzheng emperor), to adopt names that were meaningful and felicitous in Chinese, and to assign names on a generational basis. By the time of the Guangxu emperor (r. 1875–1908), all the males of his generation in the imperial clan had the character zai in their personal names, such as Zaitian (the emperor), Zaifeng (1883–1952; his brother and future regent), and Zaizhen (1876–1948; his cousin). By contrast, the previous generation had used the character yi (e.g., Yikuang, Yixin, and Yihuan), while the following generation used the character pu (e.g., the future Xuantong emperor Puyi [1906–67] and his brother Pujie [1907–94]).”
↑Edward J. M. Rhoads: Manchus and Han: ethnic relations and political power in late Qing and early republican China, 1861–1928. University of Washington Press, Seattle/London 2001, ISBN 0-295-98040-0, S.56 (englisch): “In a further refinement of the generational principle, the second character in the personal name of each person in the direct line of succession contained a radical that distinguished these name from all others of their generation in the imperial clan. Thus, the tian character in ‘Zaiyian’ and the feng character in ‘Zaifeng’ shared the ‘water’ radical; the same as the zhen in ‘Zaizhen’ (written with the ‘hand’ radical) did not, because as the son of Yikuang (Prince Qing), Zaizhen was not in the direct line of succession.”
↑滿洲源流考 Qing ding Man Zhou Yuan Liu Kao, 本朝者謂雖與大金俱在東方而非其同部則所見殊小我朝得姓曰愛新覺羅氏國語謂金曰愛新可為金源同派之証盖我朝在大金時未嘗非完顔氏之服屬猶之完顔 氏在今日皆為我朝之臣
↑Anne Walthall: Servants of the dynasty: palace women in world history (= The California world history library. Band7). University of California Press, 2008, ISBN 978-0-520-25444-2, S.148: „Whereas the emperor and princes chose wives or concubines from the banner population through the drafts, imperial daughters were married to Mongol princes, Manchu aristocrats, or, on some occasions, Chinese high officials […] To win the support and cooperation of Ming generals in Liaodong, Nurhaci gave them Aisin Gioro women as wives. In 1618, before he attacked Fushun city, he promised the Ming general defending the city a woman from the Aisin Gioro clan in marriage if he surrendered. After the general surrendered, Nurhaci gave him one of his granddaughters. Later the general joined the Chinese banner.“
↑Frederic E. Wakeman: The fall of imperial China. Simon and Schuster, 1977, ISBN 0-02-933680-5, S.79 (englisch): “Chinese elements had joined the Manchu armies as early as 1618 when the Ming commander Li Yung-fang surrendered at Fu-shun. Li was made a banner general, was given gifts of slaves and serfs, and was betrothed to a young woman of the Aisin Gioro clan. Although Li’s surrender at the time was exceptional, his integration into the Manchu elite was only the first of many such defections by border generals and their subordinates, who shaved their heads and accepted Manchu customs. It was upon these prisoners, then, that Abahai relied to form new military units to fight their former master, the Ming Emperor.”
↑Anne Walthall: Servants of the dynasty: palace women in world history (= The California world history library. Band7). University of California Press, 2008, ISBN 978-0-520-25444-2, S.148 (englisch): “In 1632, Hongtaiji accepted the suggestion of Prince Yoto, his nephew, and assigned one thousand Manchu women to surrendered Chinese officials and generals for them to marry. He also classified these Chinese into groups by rank and gave them wives accordingly. ‘First-rank officials were given Manchu princes’ daughters as wives; second rank officials were given Manchu ministers’ daughters as wives.’”
↑Anne Walthall: Servants of the dynasty: palace women in world history (= The California world history library. Band7). University of California Press, 2008, ISBN 978-0-520-25444-2, S.148 (englisch): “Hongtaiji believed that only through intermarrige between Chinese and Manchus would he be able to eliminate ethnic conflicts in the areas he conquered; and ‘since the Chinese generals and Manchu women lived together and ate together, it would help these surrendered generals to forget their motherland’.”
↑Anne Walthall: Servants of the dynasty: palace women in world history (= The California world history library. Band7). University of California Press, Berkeley 2008, ISBN 978-0-520-25444-2, S.148 (englisch): “During their first years in China, the Manchu rulers continued to give imperial daughters to Chinese high officials. These included the sons of the Three Feudatories—the Ming defectors rewarded with large and almost autonomous fiefs in the south.”
↑ abRubie S. Watson, Patricia Buckley Ebrey (Hrsg.): Marriage and inequality in Chinese society (= Studies on China. Band12). University of California Press, Berkeley 1991, ISBN 0-520-06930-7, S.179ff.
↑Frederic E. Wakeman jr.: The great enterprise: the Manchu reconstruction of imperial order in seventeenth-century China. University of California Press, Berkeley, 1985, ISBN 0-520-06930-7, S. 1017 ff.
↑金溥聰是不是溥儀的堂弟? In: 曹長青 The Liberty Times (Taiwan). 14. Dezember 2009, archiviert vom Original am 9. September 2012; abgerufen am 18. Oktober 2017 (chinesisch): „Ist King Pu-tsung nicht der Cousin von Henry Puyi?“