Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Aliskiren ist angezeigt zur Behandlung der essentiellen Hypertonie. Es wird dazu entweder allein oder aber in Kombination mit Diuretika eingesetzt. Die Anwendung in der Pädiatrie und bei Jugendlichen unter 18 Jahren wurde nicht untersucht, und es liegen keine wissenschaftlichen Daten vor.
Eine einmalige Einnahme pro Tag ist ausreichend. Der gewünschte antihypertensive Effekt stellt sich bei den meisten Patienten (85–90 %) nach 2 Wochen Behandlung ein. Die Resorption von Aliskiren wird durch die Einnahme fettreicher Nahrung stark vermindert.
Stillzeit: Es ist nicht bekannt, ob Aliskiren oder seine Stoffwechselprodukte in die Muttermilch übergehen. Aliskiren wurde allerdings während der Laktation in der Milch von Ratten gefunden. Weil die Folgen und Nebenwirkungen beim Säugling unbekannt sind, muss sich die stillende Mutter überlegen, entweder das Arzneimittel zu nehmen oder sonst abzustillen.
Die vorzeitig beendete (ALTITUDE-Studie)[4][5] zeigte, dass unter der zusätzlichen Gabe von 300 mg Aliskiren zur Standardtherapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Rezeptor Antagonisten eine erhöhte Anzahl an Patienten mit Typ-2-Diabetes „unerwünschte Ereignisse in Bezug auf nicht-tödlichen Schlaganfall, renale Komplikationen, Hyperkaliämie und Hypotonie erlitten“,[6] ohne dass der Wirkstoff einen erkennbaren Vorteil erzielt hatte.[7]
Das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA sprach 2014 eine Empfehlung aus, nach der ACE-Hemmer, Sartane und Renin-Inhibitoren nicht miteinander kombiniert werden sollten. Bei Diabetes oder Nierenfunktionsstörungen ist demnach eine Kombination streng kontraindiziert.[8]
Eine Meta-Analyse von 2012 bezifferte den Anstieg des Hyperkaliämierisikos unter Therapie mit Aliskiren in Kombinationstherapie mit ARB oder ACE-Hemmern auf 58 %. Ein signifikantes Risiko für akutes Nierenversagen konnte nicht festgestellt werden.[9]
Die Probleme die hier entstanden rührten wahrscheinlich daher, dass man nicht die harten Endpunkte beobachtet hatte (zum Beispiel Nierenversagen), sondern weiche Surrogatparameter (hier die Senkung der Kreatininwerte),[10] die aber offensichtlich nur bedingt Rückschlüsse zulassen.[11] Ein Artikel für eine Studie die die gemeinsame Anwendung dieser Stoffe ebenfalls untersuchte und mit weichen Parametern beurteilte musste zurückgezogen werden.[12]
Es stehen nur begrenzte Daten zur Überdosierung mit Aliskiren beim Menschen zur Verfügung. Der wahrscheinlichste Effekt ist eine Hypotonie (niedriger Blutdruck). Es steht kein Antidot zur Verfügung. Die Therapie besteht in der engmaschigen Überwachung der Vitalfunktionen.
Aliskiren ist ein Antihypertensivum mit einem neuartigen Wirkungsmechanismus. Es greift im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) bereits ganz zu Beginn der Angiotensin-II-Biosynthese an. Aliskiren bindet direkt an die ProteaseRenin und verhindert dadurch die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I. Eine wie durch die ACE-Hemmer nur unvollständig bewirkte Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems liegt hier nicht vor. Zugleich sinken auch die Angiotensin-II-Spiegel.[13]
Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)
Nach oraler Einnahme wird Aliskiren schlecht resorbiert; die orale Bioverfügbarkeit beträgt nur etwa 2,6 %. Aliskiren hat eine Plasmahalbwertszeit von 40 Stunden. Die maximale Konzentration im Blutplasma wird in ein bis vier Stunden nach oraler Einnahme erreicht. Das Verteilungsvolumen beträgt 4,2 l/kg. Der steady-state wird bei kontinuierlicher Anwendung nach ca. 7–8 Tagen erreicht. Diese Eigenschaften von Aliskiren sind auch bei älteren Patienten, Diabetikern, Patienten mit renalen und hepatischen Funktionsstörung nicht verändert.
Es wird bei allen galenischen Formen Aliskiren-Hemifumarat, das Salz von Aliskiren mit Fumarsäure, verwendet. Dabei handelt es sich um ein weißes bis hellgelbes kristallines Pulver, das sehr hygroskopisch ist.[14] Es ist sehr leicht löslich in Wasser, gut löslich in Octanol und Phosphatpuffer. Der systematische Name der Verbindung lautet (2S,4S,5S,7S)-N-(2-Carbamoyl-2-methylpropyl)-5-amino-4-hydroxy-2,7-diisopropyl-8-[4-methoxy-3-(3-methoxypropoxy)phenyl]-octanamid-hemifumarat, die Summenformel ist C32H55N3O8 und die molare Masse beträgt 609,80 g·mol−1.[15]
Die Forschung am RAAS, an Renin und den Reninhemmern hat eine mehr als dreißigjährige Geschichte. Die ersten Arzneimittel waren Peptide, welche – oral appliziert – schon im Verdauungstrakt vor ihrer Resorption zerstört wurden und eine maximale Bioverfügbarkeit von 0,5 % hatten. Das erste marktreife Präparat Pepstatin wurde bereits 1971 vorgestellt. Es hätte parenteral appliziert werden müssen, was kein Patient mit einer Hypertonie angesichts oraler Alternativen akzeptiert hätte. Außerdem waren die ersten Peptid-Reninhemmer nur sehr kurz wirksam, was wegen der mehrmals täglichen Applikation ebenfalls kein konkurrenzfähiges Medikament verhieß. Andere Präparate scheiterten an einer unzureichenden Wirkung oder Problemen mit der Verträglichkeit.[16]
Mit der Entwicklung von Aliskiren steht ein nicht-peptidischer, oral wirksamer, direkterReninhemmer zur Behandlung der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) zur Verfügung. Ciba-Geigy, heute Novartis, entwickelte Aliskiren und patentierte es 1996 unter der US-Patent-Nr. 5.559.111.[17] Die Firma Speedel, ein in Basel und Bridgewater (USA) angesiedeltes, Biopharmazie-Unternehmen, erwarb die Lizenz an SPP100 (Code-Name für Aliskiren während der Entwicklung) im Jahr 1999 von Novartis und führte in den Phasen I und II mit Erfolg 18 klinische Studien an ca. 500 Patienten sowie gesunden Probanden durch. Basierend auf den während dieses Programms generierten Ergebnissen, übte Novartis im Jahr 2002 eine ihr gewährte Rücklizenz aus und startete danach die klinischen Untersuchungen mit SPP100 in Phase III als Monotherapie gegen Bluthochdruck und in Phase IIb als Kombinationstherapie.
Eine über eine Senkung des Blutdruckes hinausgehende positive Wirkung von Aliskiren auf Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse konnte bisher nicht gezeigt werden. Daten zur Sicherheit einer Langzeitbehandlung gibt es nicht. Der therapeutische Stellenwert ist daher fraglich.[21][22] Die europäische Arzneimittelagentur rät, Patienten mit Diabetes mellitus Aliskiren nicht in Kombination mit ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten zu verordnen.[23]
Juerg Nussberger, Grégoire Wuerzner, Chris Jensen, Hans R. Brunner: Angiotensin II Suppression in Humans by the Orally Active Renin Inhibitor Aliskiren (SPP100) Comparison With Enalapril. In: Hypertension. Band39, Nr.1, Januar 2002, S.e1–e8, doi:10.1161/hy0102.102293.
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Nancy J. Brown, Sandeep Kumar, Corrie A. Painter, Douglas E. Vaughan: ACE Inhibition Versus Angiotensin Type 1 Receptor Antagonism Differential Effects on PAI-1 Over Time. In: Hypertension. Band40, Nr.6, Dezember 2002, S.859–865, doi:10.1161/01.HYP.0000040264.15961.48.
Michel Azizi, Joël Ménard, Alvine Bissery, Than-Tam Guyenne, Alessandra Bura-Rivière, Sujata Vaidyanathan, Riccardo P. Camisasca: Pharmacologic Demonstration of the Synergistic Effects of a Combination of the Renin Inhibitor Aliskiren and the AT1 Receptor Antagonist Valsartan on the Angiotensin II–Renin Feedback Interruption. In: Journal of the American Society of Nephrology. Band15, Nr.12, Dezember 2004, S.3126–3133, doi:10.1097/01.ASN.0000146686.35541.29.
Eoin O’Brien, John Barton, Juerg Nussberger, David Mulcahy, Chris Jensen, Patrick Dicker, Alice Stanton: Aliskiren reduces blood pressure and suppresses plasma renin activity in combination with a thiazide diuretic, an angiotensin-converting enzyme inhibitor, or an angiotensin receptor blocker. In: Hypertension (Dallas, Tex.: 1979). Band49, Nr.2, Februar 2007, S.276–284, doi:10.1161/01.HYP.0000253780.36691.4f, PMID 17159081.
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Felix Waldmeier, Ulrike Glaenzel, Bernard Wirz, Lukas Oberer, Dietmar Schmid, Michael Seiberling, Jessica Valencia, Gilles-Jacques Riviere, Peter End, Sujata Vaidyanathan: Absorption, Distribution, Metabolism, and Elimination of the Direct Renin Inhibitor Aliskiren in Healthy Volunteers. In: Drug Metabolism and Disposition. Band35, Nr.8, August 2007, S.1418–1428, doi:10.1124/dmd.106.013797.
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