Die Lage- und Richtungsbezeichnungen des Körpers der meisten Gewebetiere (inklusive des Menschen) dienen in der Anatomie zur Beschreibung der Position (situs), der Lage (versio) und des Verlaufs einzelner Strukturen. Zum Teil sind diese Termini auch Bestandteil anatomischer Namen. Während sich die standardsprachlichen Lagebezeichnungen wie „oben“ oder „unten“ je nach Körperposition ändern können, sind die anatomischen Lagebezeichnungen eindeutig, denn sie sind relativ zum Körper und damit unabhängig von seiner Position.
Bis auf die Schwämme und die radiärsymmetrischenHohltiere (Coelenterata, Radiata) gehören alle vielzelligen Tiere (95 Prozent[1]) zu den Bilateria (Bilateralia, „Zweiseitentiere“), die aufgrund ihrer bilateralen Körpersymmetrie (Ausnahme Stachelhäuter: Pentamerie) so genannt werden. Bilateralsymmetrisch ist ein Körper, wenn er sich entlang der Medianebene (Spiegelebene, Symmetrieebene) in zwei äußerlich gleiche spiegelbildliche Hälften teilen lässt. Anders als bei radiärsymmetrischen Gewebetieren, durch die sich viele Symmetrieebenen legen lassen (Polysymmetrie), haben die Bilateria eine eindeutige Symmetrieebene in Körperlängsrichtung (Monosymmetrie), anhand der sich verschiedene Ebenen und Richtungen definieren lassen.[2]
In übertragener Weise werden diese Begriffe auch auf manche Einzeller, insbesondere Geißeltierchen wie etwa Dinoflagellaten angewendet. Ein Beispiel findet sich bei Lee et al. (2019).[3]
Manchmal ist der Rückgriff auf die anatomische Grundposition nötig. Beim Menschen ist diese wie folgt definiert: aufrechter Stand, die Augen geradeaus, die Hände supiniert (Handflächen nach vorn); die Füße stehen parallel (siehe auch Neutral-Null-Methode).
dorsal(a) (lat. dorsum ‚Rücken‘): rückenseits, am Rücken gelegen
ventral(a) (lat. venter ‚Bauch‘): bauchseits, am Bauch gelegen (in der Schmetterlingskunde mit dem Symbol △ dargestellt)
kranial oder cranial(a) (lat. cranium ‚Schädel‘): zum Schädel hin
kaudal oder caudal(a) (lat. cauda ‚Schwanz‘): zum Schwanz hin (bei schwanzlosen Tieren ist das Gesäß bzw. das Steißbein hier richtungsbestimmend)
proximal (lat. proximus ‚nächster‘): zum Körperzentrum hin (abweichende Bedeutung in der Nephrologie: am Anfang des Tubulus)
distal (lat. distare ‚entfernt sein‘): vom Körperzentrum entfernt (abweichende Bedeutung in der Zahnmedizin, siehe unten; abweichende Bedeutung in der Nephrologie: am Tubulusende)
In Bezug auf die Medianebene (Spiegelebene der Körpersymmetrie) unterscheidet man:
median (lat. medium ‚Mitte‘): annähernd in der Medianebene gelegen
paramedian: (deutlich) neben der Medianebene gelegen
medial (a): zur Medianebene hin
lateral(a) (lat. latus ‚Seite‘): von der Medianebene weg, zur Seite hin
vertikal (lat. vertex ‚Scheitel‘): entlang der Linie vom Scheitel zur Sohle
postkranial oder postcranial: ‚hinter dem Schädel‘ (beim Menschen: unterhalb), also Rumpf und Gliedmaßen betreffend
profund (lat. profundus ‚tief‘): in tieferen, oberflächenfernen Geweben des Körper(teil)s gelegen
superfizial (lat. superficialis ‚oberflächlich‘): nahe der oder an der Oberfläche des Körper(teil)s gelegen
terminal am Ende gelegen
subterminal nicht ganz am Ende gelegen
apikal(a) (lat. apex ‚Spitze‘) an der Spitze gelegen (vgl. Apex cordis „Herzspitze“, Apex linguae „Zungenspitze“, Apex nasi „Nasenspitze“), davon abgeleitet
Diese Bezeichnungen können kombiniert werden, um präzisere Angaben machen oder intermediäre Positionen angeben zu können, indem die ursprüngliche Endung „-al“ beim ersten Wortbestandteil durch ein Fügungs-„o“ ersetzt wird, z. B. kraniodorsal: kopfwärts-rückenseitig; ventrolateral: halb seitlich, halb bauchseitig; posterolateral: seitlich hinten. Achsenorientierungen, relative Streckenlängen und Richtungsverläufe können durch Komposita aus gegensätzlichen Adjektiven angegeben werden, z. B. apikobasal: von der Basis bis zur Spitze; lateromedial: quer zur Medianebene orientiert.
Am Kopf ist die Bezeichnung kranial nicht sinnvoll. Für an der Vorderseite des Schädels gelegene oder zur Vorderseite bzw. zum vorderen Ende des Schädels hin orientierte Strukturen verwendet man daher die Begriffe:
rostral (lat. rostrum ‚Schnabel‘, ‚Rüssel‘): an der Kopfvorderseite, schnauzen- oder schnabelwärts
oral (lat. os ‚Mund‘): am Mund, im Mund, mundwärts; den Mund betreffend, dazu gelegentlich:
adoral: am Mund
postoral: hinter der Mundöffnung
Für hinten liegende Strukturen verwendet man auch den Begriff:
aboral: vom Mund weg gelegen
okzipital oder occipital (lat. occiput ‚Hinterhaupt‘): zum Hals (bzw. zur Kontaktebene zwischen Kopf und Hals) hin gelegen (→ Hinterhauptbein).
Statt lateral und medial verwendet man am Kopf, insbesondere am Auge, auch die Begriffe:
temporal (lat. tempus ‚Schläfe‘): schläfenwärts, also seitlich (lateral)
nasal (lat. nasus ‚Nase‘): nasenwärts, zur in der Mitte gelegenen Nase hin (medial)
Lage- und Richtungsbezeichnungen an den Gliedmaßen
Während bis zur Hand- bzw. Fußwurzel noch die gleichen Bezeichnungen wie am Rumpf gelten, verwendet man an der Hand bzw. am Fuß:
dorsal (lat. dorsum manus ‚Handrücken‘ und Dorsum pedis ‚Fußrücken‘): zum Hand- bzw. Fußrücken hin gelegen
palmar (lat. palma manus ‚Handfläche‘): handflächenseitig
volar: hohlhandseitig, identisch mit palmar
plantar (lat. planta pedis ‚Fußsohle‘): fußsohlenseitig
axial (lat. axis ‚Achse‘): zu einer gedachten Gliedmaßenachse hin gelegen
abaxial: von der gedachten Gliedmaßenachse weg gelegen
Durch die mögliche Rotation des Unterarms und des Unterschenkels sind die Bezeichnungen medial und lateral nicht eindeutig definiert.
Daher sagt man normalerweise beim Unterarm
In den Körperhöhlen verwendet man zusätzlich die Begriffe:
parietal (lat. paries ‚Wand‘): zur Wand eines Organes oder zur Leibeswand gehörig; wandständig, seitlich. Der Begriff kann auch den Scheitelbereich bezeichnen (lat. os parietale „Scheitelbein“).
viszeral (lat. viscera ‚Eingeweide‘): zu den Eingeweiden hin gelegen, zu den Eingeweiden gehörend
thorakal (lat. thorax ‚Brustkorb‘): am Brustkorb, im Brustkorb
Zu praktisch allen Körperteilen und Organen können Adjektive gebildet werden, um die Zugehörigkeit zu bezeichnen. Dazu wird der lateinische Wortstamm in der Regel mit der Endsilbe -al versehen, zum Beispiel
paraaortal (lat. aorta ‚Hauptschlagader‘): neben der Aorta
(b)
Diese Bezeichnungen können kombiniert werden, indem die ursprüngliche Endung „-al“ beim ersten Wortbestandteil durch ein Fügungs-„o“ ersetzt wird, z. B. anogenital: sowohl den After als auch die Geschlechtsorgane betreffend.
Bei den Zähnen sind sonst übliche Bezeichnungen wie medial („zur Mitte“) wegen der Krümmung des Zahnbogens nicht brauchbar. Stattdessen werden andere Bezeichnungen wie mesial verwendet. Die Bezeichnung distal hat beim Gebiss eine spezifische Bedeutung.
Die einzelnen Zähne selbst werden mit dem Zahnschema bezeichnet, wobei heute fast ausschließlich das EDV-gerechte FDI-Schema gebräuchlich ist.
mesial(c) (griech. mesos ‚mittig‘): zur Mitte des Zahnbogens hin
distal(c) (lat. distare ‚entfernt sein‘): zum Ende des Zahnbogens hin
approximal (lat. approximare ‚sich annähern‘): zum Nachbarzahn hin (unspezifische Alternative zu mesial und distal)
Äußere Fläche (Vorhof- oder Vestibulärfläche)
labial(c) (lat. labium ,Lippe‘): lippenseitig, im Frontzahnbereich identisch mit vestibulär(d)
bukkal oder buccal(c) (lat. bucca ,Backe‘): wangenseitig, im Seitenzahnbereich identisch mit vestibulär(d)
vestibulär(d) (lat. vestibulum ‚Vorhof‘) zum Mundvorhof hin (labial oder bukkal)
Innere Fläche (Lingual- oder Zungenfläche)
lingual(c) (lat. lingua,Zunge‘): zungenseitig, identisch mit oral
palatinal (lat. palatum,Gaumen‘): gaumenseitig (ausschließlich an den Oberkieferzähnen anzuwenden), identisch mit oral
oral (lat. os ‚Mund‘): zur inneren Mundhöhle hin (lingual oder palatinal)
Kaufläche (Okklusionsfläche)
okklusal (lat. occludere ‚verschließen‘), veraltet auch mastikal: zur Okklusionsfläche (Kaufläche) hin (bei Seitenzähnen)
inzisal (lat. incidere ‚einschneiden‘): zur Schneidekante hin (bei Frontzähnen)
(c)
Diese Bezeichnungen können kombiniert werden, um präzisere Angaben machen oder intermediäre Positionen angeben zu können, indem die ursprüngliche Endung „-al“ beim ersten Wortbestandteil durch ein Fügungs-„o“ ersetzt wird, z. B. mesiobukkal: halb vorne, halb wangenseitig.
(d)
Achtung! In der Neurologie bezieht sich vestibulär auf das Gleichgewichtsorgan! In der Zoologie werden statt vestibulär zumeist die Ausdrücke labial und buccal synonym verwendet, ohne Rücksicht darauf, ob das Tier die überwiegend nur für Säugetiere typischen Backen hat oder sich bis zum Ende der Zahnreihen ziehende Lippen.
mandibulär (lat. mandibula,Unterkiefer‘): auf den Unterkiefer bezogen
paramandibulär (griech. para ‚neben‘, lat. mandibula,Unterkiefer‘): neben dem Unterkiefer
perimandibulär (griech. peri ‚um … herum‘, lat. mandibula,Unterkiefer‘): um den Unterkiefer herum
submandibulär (lat. sub ‚unter‘, lat. mandibula,Unterkiefer‘): unter dem Unterkiefer
mental (lat. mentum,Kinn‘): am Kinn, das Kinn betreffend, Mehrdeutigkeit mit mental von lat. mens,Geist'
submental (lat. sub ‚unter‘, lat. mentum,Kinn‘): unter dem Kinn
maxillär (lat. maxilla,Oberkiefer‘): auf den Oberkiefer bezogen. Selten bezieht sich das Wort maxillär auch auf den Unterkiefer. Beispiel: Eine bimaxilläre Umstellungsosteotomie ist eine Operation, bei der sowohl der Unterkiefer als auch der Oberkiefer vom restlichen Gesichtsskelett abgetrennt und in neuer Lage fixiert werden.
krestal oder crestal (engl. crest, lat. crista ‚Kamm‘): 1. vom Kieferkamm her; 2. im Bereich des knöchernen Alveolarrandes (Limbus alveolaris) oder an der Crista alveolaris; Arcus alveolaris
subkrestal oder subcrestal (lat. sub ‚unter‘, engl. crest, lat. crista ‚Kamm‘): unter dem Kieferkamm
suprakrestal oder supracrestal (lat. supra ‚oberhalb‘, engl. crest, lat. crista ‚Kamm‘): über dem Kieferkamm
gingival (lat. gingiva ‚Zahnfleisch‘): zum Zahnfleisch gehörend, zum Zahnfleisch hin
subgingival (lat. sub ‚unter‘, lat. gingiva ‚Zahnfleisch‘): unter dem Zahnfleisch, auch für unterhalb des Zahnfleischrands
paragingival (griech. para ‚neben‘, lat. gingiva ‚Zahnfleisch‘): auf Höhe des Zahnfleischrands
supragingival (lat. supra ‚oberhalb‘, lat. gingiva ‚Zahnfleisch‘): über dem Zahnfleisch, auch für oberhalb des Zahnfleischrands
marginal (lat. margo ‚Rand‘): zum Zahnfleischrand gehörend
paramarginal (griech. para ‚neben‘, lat. margo ‚Rand‘): neben dem Zahnfleischrand, zumeist im Sinne von parallel zum Zahnfleischrand
parodontal (griech. para ‚neben‘, lat. dens ‚Zahn'): den Zahnhalteapparat betreffend
interdental (lat. inter ‚zwischen‘, lat. dens ‚Zahn'): zwischen den Zähnen oder zwischen zwei benachbarten Zähnen
intrafurkal (lat. intra ‚innerhalb‘, furka Gabel): im Bereich der Aufteilungsstelle der Zahnwurzeln (Bifurkation, Trifurkation)
In der Bildgebung des Kopfes werden Schnitte entlang dieser Körperebenen wie folgt benannt:
axiale Schnitte: horizontale Schnitte (d. h. in den Transversalebenen). Ergebnis: Man blickt von oben oder unten in den Kopf hinein. Erklärung des Begriffs: „Schnitt durch die Längsachse des Körpers“.
koronare (coronare) Schnitte: senkrechte Schnitte in den Frontalebenen. Ergebnis: Man blickt von vorne oder hinten in den Kopf hinein. Erklärung des Begriffs: „Schnitt parallel zur Sutura coronalis“. Deswegen besteht vor allem in der Anatomie auch der Begriff der „Koronalebene“, der früher üblicher war. Besonders in der klinischen Verwendung und in der Radiologie ist hingegen die Koronarebene üblich.
sagittale Schnitte: senkrechte Schnitte in den Sagittalebenen. Ergebnis: Man blickt von der Seite in den Kopf hinein.