Andreas Umland (* 1967 in Jena) ist ein deutscher Politikwissenschaftler, Publizist und Osteuropa-Experte. Er ist Gründer und Redakteur der Buchreihe „Soviet and Post-Soviet Politics and Society“ des ibidem-Verlags (Stuttgart & Hannover) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Euro-Atlantische Kooperation Kiew.[1] Seit Juli 2020 arbeitet er von Kiew aus als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien/Stockholm Centre for Eastern European Studies (SCEEUS) des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten/Swedish Institute of International Affairs (UI).[2][3]
Andreas Umland ist Sohn einer russischen Mutter und eines deutschen Vaters.[4] Er besuchte die Erweiterte Oberschule „Erich Weinert“ (EWOS) in Wiesenburg/Mark, eine Spezialschule für zukünftige Russischlehrer.[5] Nach dem Abitur 1985 studierte er russische Sprache und Geschichte sowie Politikwissenschaft an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Er erwarb dort im Jahr 1990 den Abschluss als staatlich geprüfter Übersetzer. Nach der Wende in der DDR setzte er sein Studium im Ausland fort. In Oxford am St Cross College machte er im Jahr 1994 den M. Phil., in Stanford 1997 den A. M. in Political Science mit Schwerpunkt Transitionsforschung als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und Studienstiftung des deutschen Volkes (ERP-Programm). Im Jahr 1997 schloss er zugleich an der Freien Universität Berlin sein Studium als Diplom-Politologe ab. 1998 promovierte er in Geschichtswissenschaft an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zum Aufstieg Wladimir Schirinowskis in der russischen Politik. Im Jahr 2007 erwarb er einen Ph. D. in Politics der University of Cambridge (Trinity College) mit einer Arbeit zur postsowjetischen russischen Gesellschaft.
In den Jahren 1997 bis 1999 war er NATO Fellow an der Hoover Institution on War, Revolution and Peace, Palo Alto, Kalifornien. 1999–2001 und 2002–2003 war er als Fachlektor der Robert Bosch Stiftung tätig an der Universität Jekaterinburg und an der ukrainischen Nationalen Universität Kyjiv-Mohyla-Akademie. 2001–2002 war er Thyssen Fellow am Weatherhead Center for International Affairs sowie Research Associate am Davis Center for Russian Studies der Harvard University. Von Januar bis Dezember 2004 war er Vertretungsdozent für russische und Osteuropastudien an der University of Oxford (St Antony’s College). 2005–2008 war er DAAD-Lektor am Institut für Internationale Beziehungen der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität in Kyjiv. 2008–2010 war er Akademischer Rat am Lehrstuhl für Mittel- und Osteuropäische Geschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 2010–2014 lehrte er als DAAD-Fachlektor und Dozent des Lehrstuhls für Politikwissenschaft im Masterprogramm für Deutschland- und Europastudien an der Kyjiv-Mohyla-Akademie.[6] Seit 2014 ist er Principal Researcher am Institut für Euro-Atlantische Kooperation in Kyjiv. Seit 2019 ist er Senior Nonresident Fellow am Institut für internationale Beziehungen in Prag.[7]
Umland war Mitglied im Deutsch-Ukrainischen Forum und Blogger beim Onlineportal der ukrainischen Wochenzeitschrift Korrespondent.[8] Er ist Mitherausgeber des „Forums für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte“.
Außerdem ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Europa-Ausschusses des ukrainischen Parlaments.[9]
Umland ist Gründer und Redakteur der Buchreihe Soviet and Post-Soviet Politics and Society und Mitherausgeber des elektronischen Newsletters The Russian Nationalism Bulletin.
Umland schrieb während der Krise in der Ukraine 2014, dass sich in der Politik des Präsidenten Wladimir Putin „schon eher einzelne Ideen und Praktiken [finden], die an die Politik des Dritten Reiches erinnern“ – im Vergleich zur von Russland undifferenziert als Faschismus bezeichneten Politik in der Ukraine.[10] Im Dezember 2014 initiierte er den Gegenaufruf von hundert Osteuropaexperten „für eine realitätsbasierte statt illusionsgeleitete Russlandpolitik“, in dem der Appell für eine andere Russlandpolitik kritisiert wurde.[11]
In seinen „Politisch-ethischen Anmerkungen zu einer Kontroverse über Putins Russland“ fasste Bernhard Sutor eine Kontroverse zwischen Umland und seinen Kritikern zusammen: Umland vertrat mit Leonid Luks den Standpunkt, „die Periode Putin stelle für Russland eine vertane Chance dar, da in ihr die positiven Elemente von Demokratie und Pluralismus aus der Jelzin-Ära weitgehend beseitigt worden seien“. Dem widersprachen Kai Ehlers, Wladislaw Below, Alexander Rahr, Rudolf Maresch und andere. Die Ära Jelzin sei keineswegs so positiv, die Putins nicht so negativ zu sehen wie bei Umland. Zum anderen dürfe man die Entwicklung in Russland nicht einseitig mit westlich-liberalen Maßstäben messen, müsse vielmehr vielfältige sozio-kulturelle und geschichtliche Umstände berücksichtigen. Bernhard Sutor kommt zu dem vorsichtigen Schluss, die Lage sei eher grau statt schwarz oder weiß: „Zum einen hängt die Entwicklung Russlands zu einem offeneren, pluralistisch-demokratischen System auch vom Maß politischer Klugheit ab, mit der westliche Politik (EU, NATO, USA) die gegenseitigen Beziehungen positiv zu gestalten versucht.“ ([12]) Zum anderen, referiert Sutor, sei Demokratie in sehr unterschiedlichen Formen realisierbar, „die den spezifischen Verhältnissen je einzelner Länder Rechnung tragen können“. Umland insistiere aber ebenso wenig wie andere auf einer spezifischen Form von Demokratie. Lediglich Maresch kritisiere die westliche Wertebasis in Umlands Ansatz als solche, indem er für „politischen Realismus“ gegen eine „politische Theologie der Menschenrechte“ plädiere und die Frage stelle, ob nicht überhaupt die liberale Demokratie ein Auslaufmodell sei.
In einem Beitrag für The National Interest im Jahr 2016 argumentierte Umland, die militärischen Provokationen Russlands gegen die NATO seien eine Propagandastrategie, um von wirtschaftlicher Schwäche und der Ausbeutung des eigenen Volkes abzulenken.[13] Im Jahr 2018 sagte er das mittelfristige Ende des kleptokratischen Regimes voraus und begründete dies mit dem Kapitalbedarf des korrupten Systems und der Ungewissheit für die Beteiligten zum richtigen Verhalten (vor Augen geführt im Falle von Alexei Uljukajew). Der Westen müsse zu jenem Zeitpunkt bereit sein für eine Hinwendung Russlands zum Westen.[14]
Die „Alexander Gortschakow-Stiftung für öffentliche Demokratie“ ist Umland zufolge „wenig mehr als eine Frontorganisation des Kremls“.[15]
Personendaten | |
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NAME | Umland, Andreas |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politikwissenschaftler, Publizist und Osteuropa-Experte |
GEBURTSDATUM | 1967 |
GEBURTSORT | Jena |