Die Apollonios-Kreisfüllung[1]:S. 374f oder apollonische Kreispackung[2][3] (englisch apollonian gasket oder apollonian circle packing, ACP) ist in der Geometrie eine Kreispackung, bei der in das Kreisbogendreieck zwischen drei sich paarweise berührenden Kreisen ein weiterer möglichst großer Kreis eingeschrieben und dieser Vorgang rekursiv fortgesetzt wird.
Die Namensgebung rührt vom Berührungsproblem des Apollonios[1]:S. 241 her, das Apollonios von Perge formulierte. Das Problem beinhaltet unter anderem die Aufgabe, zu drei gegebenen Kreisen einen vierten zu finden, der die ersten drei berührt. Bei der Füllung berühren sich auch die vorgegebenen Kreise. Die Apollonios-Kreisfüllung ist eines der ersten jemals beschriebenen Fraktale. 2023 konnten zwei Studenten die anerkannte Lokal-Global-Vermutung über sie widerlegen.[3]
Es gibt Apollonios-Kreisfüllungen, in denen die Kehrwerte der Radien aller Kreise ganzzahlig sind wie in den Abbildungen (C) und (D). Auf diese Weise entsteht eine Verbindung zur Gruppen-[4]:S. 2 und Zahlentheorie.[5]
Folgende Begriffe tauchen im Zusammenhang mit Apollonios-Kreisfüllungen auf:
Die Ganzzahligkeit und Primitivität eines Stamm-Quadrupels überträgt sich auf die ihm entsprechende Apollonios-Kreisfüllung, die dann ebenso primitiv und ganzzahlig genannt wird.
Der Satz von Descartes besagt, dass wenn {a,b,c,d} die Krümmungen von vier sich paarweise berührenden Kreisen sind, diese Krümmungen die descartsche Gleichung
erfüllen. Die Krümmung eines umschreibenden Kreises geht hier mit negativem Vorzeichen ein. Wenn die Krümmungen der größten vier Kreise in der Füllung ganzzahlig sind, dann sind es deshalb auch die Krümmungen aller anderen Kreise in der Füllung.[7] Im dritten Bild (C) oben hat der Umkreis die Krümmung 10 und die eingeschriebenen größten Kreise die Krümmungen 18, 23 und 27, womit auch alle anderen Kreise in der Füllung ganzzahlige Krümmungen aufweisen.
Wenn {a,b,c,d} ein Descartes-Quadrupel ist, dann ist es auch {a,b,c,d'} mit d'=2·(a+b+c)−d. Diese Krümmung hat derjenige Kreis, der durch Kreisspiegelung des Kreises mit Krümmung d an dem Kreis entsteht, der durch die drei Berührpunkte der Kreise mit Krümmungen a, b und c führt.[4]:S. 15
Wenn {a,b,c,d} ein ganzzahliges Descartes-Quadrupel ist, dann folgt aus der descartschen Gleichung, dass (a+b+c+d)2 eine gerade Zahl ist und somit auch die Summen a+b+c+d und −a+b+c+d gerade sind.
Betrachtet wird ein primitives ganzzahliges Descartes-Quadrupel ⅅ=(a,b,c,d) mit a+b+c+d > 0.
ⅅ ist ein Stamm-Quadrupel, wenn[5]:S. 15
Für jedes nicht negative ganzzahlige n ist (−n, n+1, n(n+1), n(n+1)+1) ein Stamm-Quadrupel.[5]:S. 21 Hier kann der Kreis mit Krümmung n+1 wieder als Umkreis für eine Kreisfüllung (−n−1, n+2, (n+1)(n+2), (n+1)(n+2)+1) dienen und so weiter mit einem Ergebnis wie im Bild (B) oben. Diese Stamm-Quadrupel führen sämtlich auf #Symmetrische ganzzahlige Apollonios-Kreisfüllungen.
Alle Stamm-Quadrupel können mit der folgenden Methode gefunden werden.[5]:S. 19 Dazu werden neue Variablen x, d1, d2 und m gemäß
bzw.
eingeführt. Dann gilt:
Wegen 2m ≤ d1 und 2m ≤ d2 ist 4m2 ≤ d1d2 und daher 3m2 ≤ d1d2−m2 = x2. Die unten stehende, in der Programmiersprache Python geschriebene Funktion stammquadrupel
gibt für eine ganze Zahl a die zu −|a| passenden Stamm-Quadrupel.
def stammquadrupel( a ):
'gibt alle Stamm-Quadrupel ( −|a|, b, c, d )'
import math
assert a == int( a ), 'Aufruf: stammquadrupel( a ), a ganz'
n = abs( int( a ) ) # Ganzzahlarithmetik
ans = []
if n == 0:
ans.append( ( 0, 0, 1, 1 ) )
else: # n > 0
for m in range( math.ceil( n/3**0.5 ) ):
d1d2 = n**2 + m**2
for d1 in range( max( 2*m, 1),
math.floor( d1d2**0.5 ) + 1 ):
if d1d2%d1 == 0:
d2 = d1d2//d1
if math.gcd( n, math.gcd( d1, d2 ) ) == 1:
a = -n
b = d1 + n
c = d2 + n
d = d1 + d2 + n - 2*m
ans.append( ( a, b, c, d ) )
return ans
In einer spezifischen primitiven ganzzahligen Apollonios-Füllung zeigt sich immer, dass die Krümmungen bei Division durch 24 mit Rest nicht alle möglichen Reste 0 bis 23 lassen, sondern nur sechs bis acht von diesen. Beispielsweise sind die Krümmungen der 15 größten Kreise in der Füllung 10–18–23–27 im Bild (C) oben
Die Krümmung 10 des umschreibenden Kreises ist im Bild nicht angegeben und muss immer negativ genommen werden. Die Reste der Krümmungen bei Division durch 24 lauten
was ohne Doppeltnennungen
entspricht. Die anderen 16 möglichen Reste, wie 1, 4 oder 5, können in der Füllung nicht vorkommen.
Denn in einer spezifischen primitiven ganzzahligen Apollonios-Füllung fallen die Krümmungen in sechs mögliche Restklassenmengen modulo 24:[6]:S. 6
Die Lokal-Global-Vermutung lautete, dass in einer Kreisfüllung (lokal) nur endlich viele Zahlen aus der jeweiligen Restklasse (global) nicht auftreten,[5]:S. 41 was 2023 zwei Studenten widerlegen konnten.[6]:S. 6[3] Ein Gegenbeispiel ist im Bild (D) oben gezeigt. Die Krümmungen der größten zehn Kreise sind dort
und deren Reste modulo 24
womit alle Elemente der ersten oben genannten Restklassenmenge 𝕄=(0, 1, 4, 9, 12, 16) modulo 24 vertreten sind. Allerdings kommen unendlich viele Elemente aus jeder der Restklassen in 𝕄 nicht als Krümmung in der Füllung vor.[6]:S. 4 Das ist nicht widersprüchlich, denn wenn man beispielsweise von allen positiven Ganzzahlen, die bei Division durch 24 den Rest eins lassen (das ist die Restklasse 1 modulo 24), die unendlich vielen Zahlen streicht, die den Rest 1 bei Division durch 48=2·24 lassen, bleiben immer noch unendlich viele Zahlen übrig.
Zu jeder Füllung F gibt es Konstanten c0,1,2>0, die nur von F abhängen, sodass[8]
Darin ist α die Hausdorff-Dimension der Füllung.
Die Hausdorff-Dimension der Füllung ist ungefähr[9]
Die Tabelle enthält die Ausgaben von stammquadrupel(a)
für a=0 bis a=14:
(0, 0, 1, 1) | (−1, 2, 2, 3) | (−2, 3, 6, 7) | (−3, 4, 12, 13) |
(−3, 5, 8, 8) | (−4, 5, 20, 21) | (−4, 8, 9, 9) | (−5, 6, 30, 31) |
(−5, 7, 18, 18) | (−6, 7, 42, 43) | (−6, 10, 15, 19) | (−6, 11, 14, 15) |
(−7, 8, 56, 57) | (−7, 9, 32, 32) | (−7, 12, 17, 20) | (−8, 9, 72, 73) |
(−8, 13, 21, 24) | (−8, 12, 25, 25) | (−9, 10, 90, 91) | (−9, 11, 50, 50) |
(−9, 14, 26, 27) | (−9, 18, 19, 22) | (−10, 11, 110, 111) | (−10, 14, 35, 39) |
(−10, 18, 23, 27) | (−11, 12, 132, 133) | (−11, 13, 72, 72) | (−11, 16, 36, 37) |
(−11, 21, 24, 28) | (−12, 13, 156, 157) | (−12, 21, 28, 37) | (−12, 17, 41, 44) |
(−12, 16, 49, 49) | (−12, 21, 29, 32) | (−12, 25, 25, 28) | (−13, 14, 182, 183) |
(−13, 15, 98, 98) | (−13, 18, 47, 50) | (−13, 23, 30, 38) | (−14, 15, 210, 211) |
(−14, 18, 63, 67) | (−14, 19, 54, 55) | (−14, 22, 39, 43) | (−14, 27, 31, 34) |
Die rot markierten Quadrupel entsprechen Kreisfüllungen, die zu einem Durchmesser des Umkreises symmetrisch sind, auf dem der zweit- und drittgrößte Kreis der Füllungen liegen. Hier sind die viert- und fünftgrößten Kreise der Packung gleichgroß. Bei den grün markierten sind zwei der ersten vier größten Kreise in der Füllung gleich und die Symmetrieachse senkrecht zu ihrer Verbindungsachse. Bei den blau markierten Quadrupeln sind die Kreisfüllungen symmetrisch zu zwei zueinander senkrechten Symmetrieachsen.
Die über Apollonios-Kreisfüllungen geltenden Aussagen erlauben auch die Krümmung null der Kreise, die dann zu Geraden entarten. Die Packung 0–0–1–1 besitzt zwei „Kreise“ mit unendlich fernen Mittelpunkten; diese Kreise degenerieren zu zwei parallelen Geraden im Abstand zwei. Zwischen diesen liegen unendlich viele Kopien der Packung mit dem Stamm-Quadrupel. Sie ist die einzige unbeschränkte Apollonios-Kreisfüllung.[5]:S. 3
Indem nur ein Stück zwischen den Berührpunkten von zwei benachbarten Kreisen mit Krümmung eins und den Geraden herausgetrennt wird, ihre Größe halbiert wird und nur die Kreise betrachtet werden, die eine der beiden Geraden berühren, bleiben Ford-Kreise zurück, die in der Zahlentheorie eine Rolle spielen.
Die Apollonios-Gruppe A ist eine Gruppe, die von den vier selbstinversen Matrizen[4]:S. 21
erzeugt wird, mit denen sich sämtliche Elemente der Gruppe durch Matrizenmultiplikation berechnen. Wenn die Koeffizienten des Spaltenvektors q=(w,x,y,z)⊤ ein Descartes-Quadrupel sind, dann ist es Mq mit M∈A ebenfalls.
Im n-dimensionalen Raum besteht eine Füllung aus n+2 paarweise berührenden n−1-Sphären, die sich in verschiedenen Punkten berühren.[10]:S. 2 In der euklidischen Geometrie existieren ganzzahlige Packungen aus sich berührenden Sphären, die die verallgemeinerte Descartes-Gleichung[11]:S. 512
befolgen, nur in zwei und drei Dimensionen; in höheren Dimensionen überlappen sich die Sphären.[10]:S. 22[4]:S. 3
Die Packung wurde auch in der höherdimensionalen sphärischen[11]:S. 511 und hyperbolischen Geometrie untersucht.[11]:S. 515 Es gibt auch dort ganzzahlige Packungen.[5]:S. 7 Auf der rechten Seite obiger Gleichung ersetzt in sphärischer Geometrie ein negativer Wert[10]:S. 11 die Null und in der hyperbolischen ein positiver.[10]:S. 17[12]:S. 3
1643 entdeckte René Descartes den nach ihm benannten Satz, aber erst 1936 fiel es Frederick Soddy auf, dass es ganzzahlige Kreispackungen gibt, was er in Form des Gedichts „The Kiss Precise“ veröffentlichte;[7] weitere Details dazu wurden 1937 bekannt.[13] Der Name „apollonian packing“ geht auf Kasner und Supnick[14] aus dem Jahr 1943 zurück und wurde 1982 von B. Mandelbrot[15] populär gemacht, der einen Zusammenhang mit dem Werk von Apollonios von Perge um 200 v. Chr. feststellte.[5]:S. 6