„Und dann haben sie mich eben verdroschen… ich hab’ Todesangst gehabt. Ich hab’ geglaubt, die bringen mich jetzt um, und ich war auch ziemlich verletzt. Ich hab’ begriffen, daß ich mich weder wehren kann noch wehren darf. Es sind auch die Passanten herumgestanden. Natürlich, die, die’s nicht sehen wollten, sind weitergegangen, aber die, die’s sehen wollten, sind gestanden, haben Bemerkungen gemacht, haben gelacht. Ich hab’ später natürlich diese ganze Verfolgung miterlebt, aber das war für mich ganz bestimmt der ärgste Einschnitt in meinem Leben.“
Brauers Vater starb in einem Konzentrationslager, er selbst überlebte untergetaucht in Wien in einem Versteck. Nach dem Krieg schloss sich der junge Brauer zunächst der KPÖ an, wandte sich aber bald enttäuscht von der kommunistischen Bewegung ab.
Als Brauer 1964 die Pariser Bohème verließ und wieder nach Wien zurückkehrte, genossen die Künstler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus bereits große Popularität, und es gab von 1953 bis 1965 eine Weltwanderausstellung. Neben Wien war Brauer ab dieser Zeit auch im Künstlerdorf En Hod in Israel ansässig, wo er aus einer Ruine ein künstlerisch gestaltetes Haus schuf. Seine Friedensreich Hundertwasser nahestehende Auffassung von Architektur fasste er in dem Lied Glaub nicht an das Winkelmaß und wohn in einem runden Haus zusammen. Zu dieser Zeit begann er auch Bühnenbilder für die Wiener Staatsoper (Medea von Luigi Cherubini, 1972; Regie August Everding), das Opernhaus Zürich,[4] das Theater an der Wien und die Pariser Oper (Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart, 1977; Regie Horst Zankl, Dirigent Karl Böhm) zu gestalten.
Bereits in Paris hatte ihn H. C. Artmann bei einem Besuch ermutigt („Burli, des muasst mochen“), seine im Wiener Dialekt verfassten Lieder öffentlich zu machen. Im Dialekt schrieb er, wie er erklärte, weil das „die Sprache der Arbeiterklasse“ ist, in der „die Poesie der Straße“ liegt. Die Gesangskarriere Brauers erreichte in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt. Für ihn kam der Erfolg überraschend und unerwartet. Er hatte sich nie als Pop-Sänger gesehen, sondern als Maler.[2] Mit Liedern wie Sie hab’n a Haus baut und Sein Köpferl im Sand („Hinter meiner, vorder meiner“) auf der Langspielplatte Arik Brauer, 1971, oder der Langspielplatte Sieben auf einen Streich 1978 wurde Brauer zu einem der Väter des Austropop in dessen politisch engagierter Ausrichtung. Ab 2000 trat er mit seinen Töchtern und Elias Meiri als Die Brauers auf.[5]
1986 bis 1997 war Arik Brauer ordentlicher Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien.[6] 1991 begann er mit der künstlerischen Gestaltung des 1994 fertiggestellten Arik-Brauer-Hauses im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf. 2002 erhielt er den Auftrag der Botschaft Österreichs in Berlin zur Gestaltung des österreichischen Buddy Bär.
Kennzeichnend für das künstlerische Werk Brauers sind die farbenfrohen Flächen, die detaillierte Kleinarbeit und die Einbindung aktueller politischer Ereignisse in Bilder mit traum- und märchenhafter Atmosphäre, wobei Einflüsse von Pieter Bruegel dem Älteren sowie orientalischer Miniaturmalerei zu verzeichnen sind.
Für Diskussionen sorgten Aussagen Brauers 2018 in einer Im-Zentrum-Sendung des ORF anlässlich des 80. Jahrestages des „Anschlusses“ Österreichs an das nationalsozialistischeDeutsche Reich 1938.[7] Dort hielt er fest, dass ihm als Juden heute der AntijudaismusmuslimischerFlüchtlinge mehr Sorgen bereitet als der heimischer Neonazis. In anschließenden Interviews danach gefragt, erklärte er, dass seiner Einschätzung nach „die Mehrheit der arabischen Muslime die Juden hassen“, weil sie sich vom Staat Israel gedemütigt fühlten. Er nehme das aber gar nicht persönlich, denn „sie wurden so erzogen, und vielleicht würde ich das an ihrer Stelle auch so sehen“.[8] In Bezug auf die zu dieser Zeit aktuelle „Liederbuch-Affäre“ um Gesangsbücher mit antisemitischen Liedern einer Wiener Neustädter Burschenschaft meinte er, es wäre „bestimmt nicht einer dieser Fechter, die da so ein Lied singen“, die ihn umbringen würden. Als im selben Jahr das Mauthausen Komitee anlässlich der internationalen Befreiungsfeier des KZ Mauthausen, zu der gewöhnlich die österreichische Regierung geschlossen erscheint, die FPÖ-Vertreter der Bundesregierung Kurz I ausgeladen und sich auf einen Beschluss aus den 1960er-Jahren berufen hatte, kritisierte Brauer diesen Boykott und nannte ihn einen „großen Fehler“.[9] Er erklärte seine Haltung damit, dass „ja nicht jene Vertreter nach Mauthausen kommen würden, die im Verdacht des Antisemitismus stehen, sondern jene FPÖ-Politiker, deren historische Aufgabe es ist, die FPÖ zu einer demokratischen Partei zu formen“. Für diesen Umbruch sah er zu dem Zeitpunkt die „ersten Anzeichen“.[10]
Arik Brauer war Vater von Timna Brauer, Ruth Brauer-Kvam und Talja. Er verstarb im Jänner 2021 im Alter von 92 Jahren in Wien im Kreis seiner Familie. Diese berichtet von den letzten Worten Brauers wie folgt: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“[11] Er wurde auf dem Zentralfriedhof im von der Stadt Wien ehrenhalber gewidmeten Grab Gruppe 33G, Nummer 13 beigesetzt.[12]
Das Alte Testament. Erzählt von Arik Brauer. Mit 60 Zeichnungen. Amalthea Signum Verlag, Wien 2018, ISBN 978-3-99050-127-6.
Franz Smola, Alexandra Matzner (Hrsg.): Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien 14. November 2014 – 16. Februar 2015), Wien 2014.
Arik Brauer: Die Farben meines Lebens. Erinnerungen. Amalthea, Wien 2014, ISBN 978-3-85002-893-6.
Arik Brauer: Die Farben meines Lebens. Erinnerungen. Amalthea, Wien 2006, ISBN 3-85002-562-4.
Arik Brauer: Der Teufel und der Maler. Signierte Vorzugsausgabe. Ein Satyrikon (Zeichnungen). Amalthea, Wien 2000, ISBN 3-85002-453-9.
Arik Brauer: Arik Brauer (Bildband). Brandstätter, Wien 1998, ISBN 3-85447-810-0.
Arik Brauer: Werkverzeichnis. Harenberg Komm., Dortmund 1992, ISBN 3-88379-427-9.
Arik Brauer: Die Ritter von der Reuthenstopf (Kinderbuch). Betz, München 1986, ISBN 3-219-10366-9.
Theo Rommerskirchen: Arik Brauer. In: viva signatur si! Rommerskirchen, Remagen-Rolandseck 2005, ISBN 3-926943-85-8.
Erwin Javor (Hrsg.): Von Generation zu Generation. Die neue Haggada von Arik Brauer. Verlag Jüdisches Museum, Wien 2014, ISBN 978-3-901398-72-8.
Theresia Riedmaier, Joe F. Bodenstein: Wiener Schule und Wein, 2001, Hrsg. Theo Kautzmann, Verein Südliche Weinstrasse e. V. / Landau (Rheinland-Pfalz). (Mit Abbildungen von Ernst Fuchs, Arik Brauer, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, Wolfgang Rabl, Otto Bachmann, Leonor Fini, Paris/Wien u. a.). Sammlung Europäische Kunst des Museums Arno Breker, Nörvenich.
Tobias G. Natter (Hrsg.): phantastisches. Jüdisches in frühen Meisterwerken von Arik Brauer, Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Jüdischen Museum Wien, Prestel Verlag, München 2006, ISBN 3-7913-3725-4.
↑Helga Embacher, Bernadette Edtmaier, Alexandra Preitschopf: Antisemitismus in Europa. Fallbeispiele eines globalen Phänomens im 21. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2019, S. 219 f., 263 f.
↑Ausstellungen in den Bezirksmuseen.: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien / Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien. Früher Altertums-Verein zu Wien / Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, Jahrgang 1978, S. 472 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bav
↑Ausstellungen in Zweigstellen.: Monatsblatt des Altert(h)ums-Vereines zu Wien / Monatsblatt des Vereines für Geschichte der Stadt Wien (früher Altertums-Verein zu Wien) / Nachrichtenblatt des Vereines für Geschichte der Stadt Wien (Neue Folge des „Monatsblattes“) / Wiener Geschichtsblätter / Beilage Dokumentationen und Informationen, Jahrgang 1978, S. XLVI (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/maw