Die Kleinstadt Barr liegt am Austritt der Kirneck aus den Vogesen in die Oberrheinebene, etwa 17 Kilometer nördlich von Sélestat und 25 Kilometer südwestlich von Straßburg. Das stark bewaldete Gemeindegebiet reicht weit in die Vogesen hinein bis an die Quelle der Kirneck.
Eine bronzezeitliche Besiedlung der Umgebung ist durch Bodenfunde archäologisch nachgewiesen. Die schriftlich überlieferte Geschichte Barrs beginnt bereits im 8. Jahrhundert. Zwar gelten die Einträge in Güterlisten der Klöster Ebersmünster und Odilienberg von 700 und 720 als Fälschungen des Hochmittelalters, doch werden die Aufzeichnungen Fuldaer Mönche, nach dem das Kloster Fulda 788 und 798 in "Barru" Besitz bekam, als echt betrachtet (FUB 176 + 284 in Regnum Francorum online). 820 erschien Barr sogar in einer Kaiserurkunde, in der Ludwig der Fromme dort dem Kloster Weißenburg Besitz bestätigte, der im gleichen Jahr in das Weißenburger Güterverzeichnis eingetragen wurde (BM 0724 = RegImp I,724, TradWiz 069). Besitz in "Barra" hatte 884 auch das Kloster Honau, welcher ihm von Kaiser Karl III. persönlich bestätigt wurde (MGH DD Kar III,101). Barr entwickelte sich nun zum Reichsdorf, wurde aber am 6. Juni 1409 von König Ruprecht an die Kurpfalz verpfändet, zusammen mit Heiligenstein, Gertweiler, Goxweiler, Oberburgheim und Niederburgheim. 1472 gelangte die daraus gebildete Herrschaft Barr endgültig an die Pfalz. Sie wurde 1568 an die freie Reichsstadt Straßburg verkauft und teilte deren Schicksal. 1790 wurde Barr während der Revolution ein Teil Frankreichs. Von 1871 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte Barr als Teil des Reichslandes Elsaß-Lothringen zum Deutschen Reich und war dem Kreis Schlettstadt im Bezirk Unterelsaß zugeordnet. Von August 1940 bis November 1944 kam Barr unter deutsche Zivilverwaltung (CdZ), wurde aber nie Teil des NS-Reichs.[1] Die Synagoge von Barr wurde demoliert und die jüdischen Bewohner der Gemeinde nach Südfrankreich deportiert. Nach Angaben von Yad Vashem wurden nachweislich neunzehn jüdische ehemalige Einwohner Opfer des Holocaust.[2]
Rathaus (Hôtel de ville)[16]: Das Rathaus wurde im Jahre 1640 im Auftrag der Stadt Straßburg auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Burg, der Wepfermannsburg errichtet, benannt nach einem Ritter Wepfermann aus Obernai, der hier wohnte. Diese Burg wurde im 13. Jahrhundert gebaut und der Legende nach mehrfach „durch den Teufel“ und viermal durch einen Brand vernichtet. Im August 1444 legten die Armagnaken (siehe: Schlacht bei St. Jakob an der Birs) Feuer und am 22. August 1592 brannten die Truppen des Kardinals von Lothringen, vermutlich Karl von Lothringen, die Stadt und die Burg nieder. Im Januar 1632, während des Dreißigjährigen Kriegs, legten die Königstruppen des Regiments von Harancourt Feuer. Im Zuge der Befreiungskämpfe brannte das Rathaus am 28. November 1944 ein viertes Mal nieder.
Rund um den Rathausplatz stehen die Zeugen der Geschichte:
Die Gaststätte Le Brochet, seit dem 16. Jahrhundert mit diesem Namen, ist der älteste Gasthof des Ortes, sie wurde schon 1514 erwähnt. Nach dem Großbrand von 1678 wurde das Gebäude 1711 wieder neu aufgebaut und war während der französischen Revolution Unterkunft für die Mitglieder des Revolutionsgerichtes.
An der Nordseite des Platzes ist befindet sich La Maison du Boucher („das Haus des Metzgers“). Es trägt das Wappen mit den Initialen des damaligen Eigentümers und die Zunftsymbole des Metzgers (Rinderkopf und Beil). Die Fensterholmen sind mit geschnitzten Blumen geschmückt.
Ein quadratischer Sandstein mit den Überresten eines Metallhakens war die Befestigungsgrundlage für eine Guillotine im Jahre 1793 und ist heute noch zwischen den Pflastersteinen zu erkennen.
Eine herrschaftliche Renaissancetreppe vor dem Rathaus führt zu einem Vordach, das von zwei ionischen Säulen getragen wird. Unter der Treppe lagerte man früher die Zehntabgabe.
Die Grotte des Druides liegt nordwestlich von Barr
Grotte des Druides
Rue du Docteur 4 und 6
Villa des Philosophen und Arztes Charles Sultzer (1770–1854), die er von 1803 bis 1854 bewohnte. Er war im sozialen Bereich in Barr und Umgebung besonders tätig und war an der Analyse der Reliquien der Hl. Odile im Jahre 1836 beteiligt.
Haus Rue du Collège 31 (Oster Jacky)
Brunnen an der Rue du Collège
Blick in die Rue du Collège
Die Kirneck kurz vor Eintritt in den unterirdischen Kanal
Blick in die Rue de l’Église, links die Rue Neuve
Das älteste Gasthaus am Platz, die Gaststätte „Le Brochet“, rechts daneben das ehem. Gemeindehaus, das 1678 nach einem Großbrand wieder aufgebaut wurde. Hier war später das Restaurant „Le Patrie“ untergebracht, wo sich die Schöffen bis zur Französischen Revolution versammelten, danach zog ein Café hier ein.
Putte auf dem Brunnen am Rathausplatz.
Der Gaensbrunnen: Hier stand seit dem 8. Jahrhundert ein Brunnen. Der aktuelle stammt aus dem Jahre 1857. Der Brunnen wird von der Skulptur eines Kindes gekrönt, das auf einer Gans sitzt. Der Brunnen war im Jahre 1907 der älteste von 14 Brunnen in Barr.
Gerberhaus, Rue de la Kirneck 28
Pfostenecke am Gerberhaus mit der Jahreszahl 1720 und dem Zunftzeichen der Gerber
Die Wirtschaft von Barr ist stark vom Weinbau und Tourismus bestimmt. Die Gemeinde liegt an der Elsässer Weinstraße. Im Gemeindegebiet befindet sich die Alsace Grand Cru-WeinlageKirchberg.[17]
Johann Hermann (1738–1800), französischer Arzt, Naturforscher, Zoologe und Autor
Richard Hartmann (1809–1878), ab 1837 Lokomotivkonstrukteur und Maschinenfabrikant in Chemnitz (Sachsen), Wohltäter für Barr
Joseph Alois Faller (1816–1894), römisch-katholischer Geistlicher und Ordensgründer
Émile Bieckert (1837–um 1913), genannt Don Emilio, zwischen ca. 1850 und 1889 als Unternehmer in Buenos Aires aktiv (mit Eisfabrik und Brauerei), nach 1889 in Südfrankreich ansässig, Wohltäter für Barr
↑C. Stockert: Das Reichsland Elsaß-Lothringen. Geographischer Leitfaden für die Höheren Lehranstalten. Friedrich Bull, Straßburg 1873, S. 43 und 78; Textarchiv – Internet Archive.
↑Vollständiges geographisch-topographisch-statistisches Orts-Lexikon von Elsass-Lothringen. Enthaltend: die Städte, Flecken, Dörfer, Schlösser, Gemeinden, Weiler, Berg- und Hüttenwerke, Höfe, Mühlen, Ruinen, Mineralquellen u. s. w. mit Angabe der geographischen Lage, Fabrik-, Industrie- u. sonstigen Gewerbethätigkeit, der Post-, Eisenbahn- u. Telegraphen-Stationen u. geschichtlichen Notizen etc. Nach amtlichen Quellen bearbeitet von H. Rudolph. Louis Zander, Leipzig 1872, Spalte 4. books.google.de
↑Statistisches Büro des Kaiserlichen Ministeriums für Elsaß-Lothringen (Hrsg.): Ortschafts-Verzeichniß von Elsaß-Lothringen. Aufgestellt auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1880. Friedrich Bull, Straßburg 1884, S. 25; Textarchiv – Internet Archive.
↑Anonymes Mitglied des Katholischen Volksvereins: Die konfessionellen Verhältnisse an den Höheren Schulen in Elsaß-Lothringen. Statistisch und historisch dargestellt. Straßburg 1894, S. 38. books.google.de