Neukölln ist der nördlichste und am dichtesten bebaute, namensgebende Ortsteil des BerlinerBezirks Neukölln, der weithin aus Gründerzeitvierteln besteht. Bis 1920 war Neukölln eine eigenständige Stadt, die bis 1912 den Namen Rixdorf trug. Gelegentlich wird der Ortsteil zur Unterscheidung vom Bezirk auch als Nord-Neukölln bezeichnet.
Das ehemalige Rixdorf wurde um 1200 von den Tempelrittern gegründet, die in Tempelhof ansässig waren. Archäologische Spuren einer slawischen Vorbesiedlung sind bisher nicht gefunden worden. Durch Wüstwerdung wurde das Dorf in einen Wirtschaftshof der Tempelritter umgewandelt. 1318 wurden die Besitzungen der brandenburgischen Tempelritter dem Johanniterorden übertragen, weil der Templerorden 1312 aufgelöst worden war. Aus diesem Grund trägt das Wappen des Bezirks das Johanniterkreuz. Laut der in mittelniederdeutscher Sprache abgefassten Gründungsurkunde vom 26. Juni 1360 wurde der bis dato bestehende Hof Richarsdorp (Richarstorp/Richardstorff) in ein Dorf mit 25 Hufen umgewandelt.[2] Diese seit 1945 verschollene Urkunde enthielt nicht nur die erste urkundliche Erwähnung von Rixdorf überhaupt, sondern war darüber hinaus die einzige vorhandene Dorfgründungsurkunde von Brandenburg. Dem Inhalt der Urkunde zufolge hatte Rixdorf Abgaben an den Pfarrer von Tempelhof zu leisten, kann also noch keine eigene Dorfkirche besessen haben. 1375 wurde das Dorf Rixdorf im Landbuch Karls IV. als Richardstorpp erwähnt, wiederum mit den bereits in der Gründungsurkunde erwähnten 25 Hufen, eine relativ geringe Anzahl (der Durchschnitt lag bei rund 50). Die Komture von Tempelhof besaßen jedoch nicht mehr alle Rechte. Der Ortskern befand sich am Richardplatz. 1435 verkauften die Johanniter alle ihre Dörfer (Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Rixdorf) an die Städte Berlin und Kölln. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Rixdorf eine eigene Dorfkirche. Im Jahr 1525 wird das Dorf in Urkunden als Ricksdorf erwähnt.
Aus Richardsdorf und seinen drei niederdeutschen Schreibweisen Richarsdorp, Richarstorp, Richardstorff aus dem 14. Jahrhundert entwickelte sich im 15. Jahrhundert Reicherstorff, Richerstorp und Rigerstorp. Im nächsten Jahrhundert etablierten sich Reichstorff (1541), Richstorff oder Rigstorff (1542), während im 17. und 18. Jahrhundert die Bezeichnungen Rechsdorff, Risdorf, Riechsdorf, Riecksdorf, Ricksdorf gebräuchlich waren. Rixdorf wurde dann im 19. Jahrhundert mehr und mehr in den amtlichen Ortsverzeichnissen verankert und setzte sich als Ortsbezeichnung durch.[3]
Bevölkerungszuwächse durch Immigranten ab dem 18. Jahrhundert
Im Jahr 1737 gestattete Friedrich Wilhelm I. die Ansiedlung böhmischerExulanten in Ricksdorf, die wegen ihres evangelischen Glaubens vertrieben worden waren. Diese Anhänger der Herrnhuter Brüdergemeine bauten ihre eigene Kirche und siedelten in einem eigenen Bereich abseits des Dorfangers, entlang der heutigen Richardstraße. Das entstandene Böhmische Dorf erhielt schließlich im Jahr 1797 als Böhmisch-Rixdorf eine eigene Verwaltung. Der übrige Siedlungsteil wurde zu diesem Zeitpunkt (Deutsch-)Rixdorf genannt.
Die beiden selbstständigen Gemeinden Böhmisch-Rixdorf und Deutsch-Rixdorf wurden durch Erlass vom 11. Juli 1873 zur Gemeinde Rixdorf zusammengeschlossen.[4] Die neue Gemeinde hatte bereits 8.000 Einwohner und wuchs im Folgejahr auf 15.000 Einwohner.
Rixdorf erlangt Stadtrecht und erhält den Namen Neukölln
Am 1. Mai 1899 bildete das damals 80.000 Einwohner zählende Rixdorf, bis dahin als größtes Dorf Preußens zum Kreis Teltow gehörig, einen eigenen Stadtkreis und bekam die Stadtrechte.[5] 1903 erhielt Rixdorf sein Wappen, mit dem Johanniterkreuz und dem Kelch (für die böhmischen Glaubensflüchtlinge). Die Umbenennung von Rixdorf zu Neukölln erfolgte mit Zustimmung von Kaiser Wilhelm II. an dessen 53. Geburtstag am 27. Januar 1912[6] und wurde von den Behörden deshalb beschlossen, weil Rixdorf mittlerweile für die Berliner zum Inbegriff frivoler Unterhaltung geworden war, der damalige – und zum Teil noch heute – populäre GassenhauerIn Rixdorf ist Musike bringt das zum Ausdruck. Das negative Erscheinungsbild für den Ort sollte mit dem Namen abgestreift werden. Der Name Neucölln leitet sich von den nördlich des alten Rixdorf gelegenen Neucöllner Siedlungen ab, die auf die Lage vor den südlichen Toren des alten Berlin-Cölln hinweisen (vgl. Neu-Kölln).
Nach dem Mauerfall endete die Isolation Neuköllns. Der Ortsteil wurde in den 1990er und 2000er Jahren als ‚Problemkiez‘ und sozialer Brennpunkt bekannt, zu den zunächst überwiegend aus der Türkei stammenden Gastarbeitern kamen später Menschen aus arabischen Ländern sowie Flüchtlinge. In den 2010er Jahren waren bereits ca. 15 % der Bewohner des Ortsteils türkischer und 10 % arabischer Herkunft. Mitte 2021 betrug der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund knapp 50 %, die aus 155 verschiedenen Ländern stammen.[8] Der ehemalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky thematisierte die hohe Kriminalität (Beschaffungs- und andere Drogenkriminalität), Problemverhalten von Schulabbrechern, soziale Verwahrlosung sowie islamischen Fundamentalismus und ging im Rahmen der Bezirksverwaltung gegen diese Probleme vor. Werner Schiffauer führte die Probleme nicht auf die Ethnizitäten zurück, sondern auf die Asylgesetzgebung: „Die Familien sind zur Arbeitslosigkeit verurteilt, sie dürfen nicht arbeiten und sie dürfen nicht studieren, was zu den bekannten Problemen führt, die die Soziologie der Arbeitslosigkeit beschrieben hat, nämlich zu Depression, Perspektivlosigkeit, Verunsicherung in der geschlechtlichen Rollenverteilung, was sich nicht selten in innerfamilialer Gewalt entlädt.“[9] Parallel dazu wird seit den 2000er Jahren vor allem im Norden Neuköllns der Bezirk gentrifiziert. Zahlreiche Kneipen, kreative Läden, Cafés und Restaurants wurden eröffnet, machten Neukölln zu einem Szenekiez.[10] Seit der Verwaltungsreform am 1. Januar 2001 bildet der Bezirk Neukölln den achten Berliner Bezirk (vorher den vierzehnten). Neukölln, Spandau und Reinickendorf blieben aufgrund ihrer Größe von mehr als 200.000 Einwohnern die einzigen ohne Zusammenlegung mit einem anderen Bezirk.
Im Jahr 2018 veröffentlichte der Senat von Berlin einen Generalentwicklungsplan der Stadt. Darin enthalten sind auch Projektideen zur Bebauung einer elf Hektar großen Fläche am Koppelweg, nördlich der Mohriner Allee und des Britzer Gartens gelegen. Die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen sollen zu Bauflächen umgewidmet werden, auf denen Wohnhäuser unterschiedlicher Haustypen mit insgesamt rund 150 Wohnungen, eine Grundschule und Kitas entstehen. Die Flächen befinden sich nur teilweise im kommunalen Besitz, die Privateigentümer sollen aber auch zu entsprechenden Bauprojekten mit einem Anteil an Sozialwohnungen angeregt werden.[11]
Deutsch- und Böhmisch Rixdorf wurden 1873 zur Gemeinde Rixdorf zusammengeschlossen, die 1899 das Stadtrecht erhielt und 1912 in Neukölln umbenannt wurde. Seit 1920 ist Neukölln ein Ortsteil des Berliner Bezirks Neukölln.
In Berlin-Neukölln wurde 2017 auf der Weserstraße auf dem Abschnitt zwischen Kottbusser Damm und Reuterplatz die erste Fahrradstraße des Bezirks ausgewiesen. 2018 folgte eine zweite Fahrradstraße, die über das Weigandufer führt. Es existieren Pläne, auch den Abschnitt der Pannierstraße zwischen Weser- und Pflügerstraße als Fahrradstraße umzubauen und damit eine Verbindung mit der Fahrradstraße am Weigandufer herzustellen.[25]
Bereits im 19. Jahrhundert zeigte sich mit dem schnellen Bevölkerungswachstum die Notwendigkeit eines umfangreichen Schulbauprogramms. Gegen Ende des Jahrhunderts waren auf Betreiben des Gemeinderats neben der höheren Bildungsanstalt Städtische Realschule mit Progymnasium jeweils sieben Gemeindeschulen und zwar getrennt nach Knaben und Mädchen errichtet worden. Dazu kam noch je eine Schule der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde sowie eine Fortbildungsschule. Ebenfalls zur Verbesserung der Bildung trugen zwei Volksbibliotheken bei.[26]
Wilhelm Haegert (1907–1994), Ministerialrat und Leiter der Abteilung Propaganda im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda sowie SA-Sturmbannführer
Wilhelm Wittbrodt (1878–1961), Reformpädagoge, Politiker (SPD), Schuldirektor in der Rütlistraße, wohnte in der Anzengruberstraße 3
Kurt Löwenstein (1885–1939), SPD-Politiker, Reichstagsabgeordneter und Stadtrat in Berlin-Neukölln, Schulreformer, wohnte in der Geygerstraße 3 (Gedenktafel)
Fritz Karsen (1885–1951), Reformpädagoge, wohnte in der Sonnenallee 79
Dieter Althans, Robert Dupuis, Cornelia Hüge, Rainer Pomp, Jan Sonnenberg: Rathaus Rixdorf – Rathaus Neukölln, Veröffentlichung anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Neuköllner Rathauses. Bezirksamt Neukölln von Berlin, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-026396-5.
Eugen Brode: Geschichte Rixdorfs. Mier & Glasemann, Rixdorf 1899; zlb.de
Falk-Rüdiger Wünsch: Neukölln – Alte Bilder erzählen. Sutton Verlag, Erfurt 1998, ISBN 3-89702-096-3.
Dorothea Kolland (Hrsg.): „Zehn Brüder waren wir gewesen …“ Spuren jüdischen Lebens in Neukölln. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-942271-29-5.
↑berlin.deChronik und Geschichte Neuköllns bei berlin.de, abgerufen am 12. Januar 2020
↑Gunda Bartels: Der Ruf war ruiniert. Wie aus Rixdorf Neukölln wurde. In: Der Tagesspiegel. 26. Januar 2012, abgerufen am 25. September 2020.
↑Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin vom 27. April 1920. In: Preußische Gesetzessammlung, Nr. 19 vom 14. Mai 1920, S. 123ff., Digitalisat.
↑Es geht nicht um einen Dialog. Integrationsgipfel, Islamkonferenz und Anti-Islamismus. Werner Schiffauer und Manuela Bojadzijev im Gespräch. In: Sabine Hess, Jana Binder und Johannes Moser (Hrsg.): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa. Transcript, Bielefeld 2009, S.171–186, hier S. 182.
↑Ulrich Paul: Auf Feld und Flur. Wo Berlin wächst: Der Senat plant elf neue Wohngebiete. Die Berliner sollen mitreden. In: Berliner Zeitung, 29. Mai 2018, S. 14.
↑Neukölln, Ein Bezirk von Berlin, Richard Schneider und Werner Krohn 1993
↑1880–1919 Gross-Berlin: Geographie der Weltstadt, Friedrich Leyden 1933 und Preußische Gemeindelexika
↑1925 bis 1987 Statistisches Jahrbuch von Berlin (jeweilige Jahre)