Das Bildungssystem in Lettland umfasst das Schul- und das Hochschulsystem. Beide sind großenteils staatlich und werden durch das Bildungsministerium[1] organisiert.
Die Schulbildung setzt mit der Vorschulausbildung (Pirmskolas izglītība) im Alter von 5 oder 6 Jahren ein. Vom 7. Lebensjahr an beginnt die allgemeine Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr. Der Pflichtbesuch gliedert sich in einen Primärunterricht (Sākumskola und Pamatskola, Klassen 1 bis 4) und einen gesamtschulartigen Sekundärunterricht (Vidusskola, Klassen 5 bis 9), der durch ein Abschlusszertifikat (Apliecība par pamatizglītību) bestätigt wird.
Im Anschluss an diese Ausbildung und bei Vorliegen dieses Abschlusszertifikates können allgemein-weiterbildende Schulen (Vispārējā vidējā izglītība, Klassen 10 bis 12) oder berufliche-weiterbildende Schulen (Profesionālā vidējā izglītība) besucht werden. Deren Abschlusszertifikate, das Abitur (vidusskola diploma), berechtigen zum Besuch von Universitäten oder höheren Bildungsinstituten.
In Lettland sprechen nur etwas über der Hälfte der Einwohner Lettisch als Muttersprache. Im Bereich der allgemeinen Schulpflicht (6./7. bis 16. Lebensjahr) ist der Schulbesuch an staatlichen Schulen kostenlos und wird überwiegend in lettischer Sprache erteilt. Lange Zeit gab es auch rein russischsprachige Schulen. Das ist seit 2020 untersagt.[2] An privaten Schulen wird auch in anderen Sprachen unterrichtet, vor allem Englisch, doch gibt es auch polnische, estnische, litauische und jüdische Schulen sowie eine Deutsche Schule Riga.[3]
Ein Religionsunterricht wird nur auf Antrag der Eltern eingerichtet.[4] Die stärkste Konfession (33 %) sind die Lutheraner, in Lettgallen herrschen die Katholiken (22 %) vor. Einwohner mit russischem Hintergrund gehören eher der orthodoxen Kirche (20 %) an.[5]
Bei den PISA-Studien 2018 waren die Leistungen leicht unterdurchschnittlich im OECD-Vergleich, schlechter als in Deutschland, aber besser als in Russland.[6]
Lettland hat das sowjetische Bildungssystem geerbt, es wurde jedoch seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004 modernisiert. Die lettischen Hochschulen, die fast alle in Riga liegen, sind Teil des Bologna-Prozesses.
Das heutige 1. Staatsgymnasium Riga ist die älteste Schule des Landes und im Baltikum. Bischof Albert von Buxthoeven gründete 1212 ein Domschule am Dom zu Riga. Mit der Reformation 1527/28 unter dem Superintendenten und Rektor Jacob Battus († 1545) wurde sie in eine städtische lutherische Gelehrtenschule umgeformt. 1631 entstand hier ein Akademisches Gymnasium, das schon einer Hochschule entsprach. Von 1764 bis 1769 war Johann Gottfried Herder an der Domschule tätig.
Daneben wurde 1675 von Karl XI. von Schweden ein Lyzeum neben der Jacobi-Kirche in Riga gegründet worden, deren Hauptpastor meist auch Rektor des Lyzeums war. 1710/11 ging es im Großen Nordischen Krieg zunächst unter, wurde aber von der Kaiserin Anna 1733 wieder eröffnet. Die Familie von Campenhausen trug dazu bei, der erste Rektor Johann Loder (1687–1775)[8] übernahm vieles aus der Schule in Halle.[9] Zurzeit des Pastors Johann Christoph Brotze stieg das Lyzeum 1804 zum kaiserlichen Gouvernementgymnasium für ganz Livland auf und wurde im Zuge der Russifizierung 1890 zum Nikolai-Gymnasium.[10] Der russische Staat übernahm 1795 die 1774 noch unter polnischer Oberhoheit von Peter von Biron gegründete Academia Petrina in Mitau und erhob sie 1804 zum Gouvernementsgymnasium für ganz Kurland.
Dagegen wurde 1804 die Domschule Riga zur Kreisschule herabgestuft. Erst 1860 wurde wieder ein deutschsprächiges Realgymnasium gegründet, aus dem 1873 das humanistische Stadt-Gymnasium mit einer Real-Abteilung hervorging.[11] Der deutschbaltische spätere Nobelpreisträger für Chemie (1909) Wilhelm Ostwald besuchte die Schule, ebenso sein Schüler Paul Walden. 1892 wurde die Unterrichtssprache russifiziert. Wahlweise konnte Unterricht in lettischer Sprache seit 1896 erteilt werden. Als hier 1920 Lettisch vorgeschrieben wurde, entstanden daneben als deutschsprachige Schulen das Klassische Gymnasium[12], das bis 1934 bestand, und vorher schon das Städtische Deutsche Gymnasium, das zum Beispiel der Komiker Heinz Erhardt 1924–26 ohne Abschluss besuchte.[13] Im Zuge der Etablierung des neuen lettischen Schulsystems erfolgten um 1920 weitere Schulgründungen, so das Lycée Français de Riga (Rīgas Franču licejs) mit dem Schwerpunkt auf Französisch, das 1991 wiederbelebt wurde.
Das Staatsgymnasium Daugavpils (Dünaburg) ist die älteste Schule (1831) in der zweitgrößten Stadt Lettlands.[14] In der drittgrößten Stadt Liepaja (Libau) wurde 1865 ein Nikolai-Gymnasium errichtet, dessen Unterrichtssprache 1888 von Deutsch auf Russisch wechselte. Zu den Schülern gehörten der litauische Premier Leonas Bistras, der Psychologe Oswald Külpe, der polnische Präsident Gabriel Narutowicz und der jüdische Linguist Max Weinreich. 1915 wurde es geschlossen und nach Petrograd verlagert.
1862 wurde das Polytechnikum Riga mit technischer Ausrichtung neben der in Estland liegenden Kaiserlichen Universität Dorpat gegründet. Daraus entstanden die ab 1919 so genannte Lettische Universität und die 1958 ausgegliederte Technische Universität Riga. Auch mit der Gründung der Republik Lettland entstanden 1919 die Kunstakademie Lettlands und die Lettische Musikakademie Jāzeps Vītols, wo der Geiger Gidon Kremer studierte.