Bilfinger SE
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Rechtsform | Societas Europaea |
ISIN | DE0005909006 |
Gründung | 1880 |
Sitz | Mannheim, Deutschland |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 29.650 (2023)[3] |
Umsatz | 4,5 Mrd. EUR (2023)[3] |
Branche | Dienstleistungen |
Website | bilfinger.com |
Die Bilfinger SE ist ein börsennotierter Industriedienstleister, der in den Bereichen Petrochemie, Chemie, Pharma sowie Öl und Gas tätig ist.
Das Unternehmen bietet Beratung, Engineering, Fertigung und Montage sowie Dienstleistungen für Instandhaltung und Generalinspektionen. Die Wurzeln des Unternehmens liegen in der Bauwirtschaft. Infolge zahlreicher Akquisitionen und Verkäufe entwickelte sich das Unternehmen jedoch zum Anbieter von Dienstleistungen für Industrieanlagen, Kraftwerke und Immobilien, und konzentrierte sich zuletzt auf Industriedienstleistungen.[4]
1975 entstand durch die Fusion mehrerer Baugesellschaften, deren historische Wurzeln bis ins Jahr 1880 zurückreichen, die Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft:
August Bernatz hatte im damaligen Reichsland Elsaß-Lothringen sein erstes größeres Projekt realisiert. 1883 ließ sich der Baumeister in Mannheim nieder. Aus seinem Unternehmen ging die Grün & Bilfinger AG hervor. Die beiden anderen Vorläuferunternehmen von Bilfinger, die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft, wurden im Jahr 1890 gegründet.
Die Dresdner Bank war als Aktionär an allen drei Unternehmen beteiligt. Unter der Ägide von Jürgen Ponto, ihrem späteren Vorstandssprecher, reifte in den 1960er Jahren der Plan, ein großes, international konkurrenzfähiges Bauunternehmen zu schaffen. Der erste Schritt war die 1969 vollzogene Fusion der Julius Berger mit der Bauboag, die aus der Berlinischen Boden-Gesellschaft hervorgegangen war. An diesem neuen Unternehmen erwarb die Grün & Bilfinger AG 1970 eine Mehrheitsbeteiligung. Im Jahr 1975 erfolgte die Fusion zur Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft, die im Zuge der strategischen Neuausrichtung zu einem Dienstleistungsunternehmen ihre Firmenbezeichnung im Jahr 2001 in Bilfinger Berger änderte.
Bilfinger erwarb am 6. Oktober 2009 alle Anteile an der MCE Beteiligungsverwaltungs GmbH, Linz, Österreich für 350 Millionen. Euro. Die Gesellschaften der MCE-Gruppe, die 2008 bei etwa 900 Millionen Euro Umsatz einen Gewinn von rund 45 Millionen Euro oder 5 % Umsatzrendite nach EBIT erzielte, sind wie Bilfinger Industrial und Bilfinger Power auf Planung, Errichtung und Wartung von Anlagen der Prozessindustrie und der Energiewirtschaft ausgerichtet.[5] 2008 wurden die Sparten Hochbau und Ingenieurbau in die Tochtergesellschaften Bilfinger Berger Hochbau mit Sitz in Frankfurt am Main und Bilfinger Berger Ingenieurbau mit Sitz in Wiesbaden ausgegliedert.[6] Im Oktober 2010 wechselte Bilfinger die Rechtsform zur Aktiengesellschaft europäischen Rechts (SE, Societas Europaea).[7] Im März 2011 verkaufte Bilfinger seine australische Beteiligungsgesellschaft Valemus Australia (ehemals Bilfinger Berger Australia) und reduzierte damit weiter den Anteil der Bauaktivitäten am Konzernumsatz.[8]
Im Juli 2011 wurde der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch Nachfolger des bisherigen Konzernchefs Herbert Bodner.[9] Im Herbst 2012 wurde der Unternehmensname in Bilfinger geändert.[10] 2012 wurde die Bilfinger Berger Ingenieurbau in Bilfinger Construction umfirmiert.[6] 2013 veräußerte Bilfinger seine Straßenbausparte mit 240 Beschäftigten an das neu gegründete Unternehmen Betam.[11]
Anfang August 2014 kündigte Roland Koch seinen Rücktritt an und nannte als Grund zwei gesunkene Gewinnprognosen für das laufende Jahr und unterschiedliche Ansichten mit dem Aufsichtsrat.[12] Kurz danach übernahm der ehemalige Vorstandsvorsitzende Herbert Bodner vorübergehend sein Amt, ihm folgte ab Juni 2015 der Norweger Per Utnegaard auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden. 2015 wurde die Bilfinger Construction mit dem Tiefbaugeschäft an das Schweizer Bau- und Baudienstleistungsunternehmen Implenia für etwa 230 Millionen Euro verkauft.[13] Im April 2016 wurde bekannt, dass Per Utnegaard nach weniger als einem Jahr den Posten als Vorsitzender des Vorstands zum 30. April 2016 niederlegt.[14] Im Juni 2016 kündigte Bilfinger den Verkauf des Bau- und Immobiliengeschäftes Building & Facility an den schwedischen Finanzinvestor EQT an. Der Kaufpreis für die Sparte belief sich auf 1,2 Milliarden Euro. Bilfinger fokussierte sich dadurch auf das Geschäft mit Industriedienstleistungen.[4] Der Verkauf wurde im September 2016 vollzogen; im Oktober 2016 wurde aus Bilfinger Building & Facility der Immobiliendienstleister Apleona.[15]
Im Februar 2017 stellte Bilfinger seine neue Strategie Bilfinger 2020 vor, die im Februar 2020 feinjustiert wurde.[16] Das Unternehmen konzentriert sich auf zwei Segmente, vier Business Units und sechs Industrien:[17]
Im Februar 2018 beschloss der Aufsichtsrat, von allen zwischen 2006 und 2015 amtierenden Vorstandsmitgliedern Schadenersatz zu verlangen.[18] Mit Zustimmung der Hauptversammlung schloss Bilfinger im Juni 2020 einen Vergleich mit den ehemaligen Vorstandsmitgliedern. Der Vergleich mit einem Gesamtvolumen von 18,2 Millionen Euro beendete die Schadenersatzforderung des Konzerns.[19]
Mit dem Verkauf der Divisionen Building, Facility Services und Real Estate wurde Bilfinger zum reinen Dienstleister für die Industrie. Seit der Vorstellung der Strategie Bilfinger 2020 wurden die Leistungen in den beiden Segmenten Technologies (T) und Engineering & Maintenance (E&M) gebündelt. Das T-Geschäft ist international aufgestellt und bietet Leistungen in allen Kernregionen an. E&M ist hingegen regional aufgestellt. Die Leistungen werden jeweils lokal angeboten und direkt beim Kunden erbracht. Die Einheiten, die nicht zum Kerngeschäft passen, wurden dem Geschäftsfeld Other Operations zugeordnet. Für diese Einheiten werden geeignetere Eigentümer gesucht.[17][20]
Die Aktie des Unternehmens notiert im Aktienindex SDAX.
Anteil | Anteilseigner[24] |
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73,6 % | Institutionelle Anleger |
9,6 % | Institutionelle Anleger Deutschland |
7,6 % | Institutionelle Anleger Vereinigte Staaten |
17,6 % | Institutionelle Anleger Großbritannien |
4,7 % | Institutionelle Anleger Schweiz |
3,4 % | Institutionelle Anleger Skandinavien |
2,6 % | Institutionelle Anleger Spanien |
1,4 % | sonstige institutionelle Anleger |
16,9 % | Streubesitz/Keine Angaben |
8,8 % | Aktien im Eigenbestand |
26,8 % | Cevian Capital |
Stand: 30. Juni 2020
Im Februar 2010 wurde der Verdacht auf Betrug durch Mitarbeiter von Bilfinger beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn in Köln laut. Dabei ging es um den Vorwurf von gefälschten Messprotokollen bei der Erstellung der Schlitzwände an der Baugrube sowie um nicht eingebaute Teile der Stahlbewehrung in den Schlitzwänden.[31] Der Vorwurf wurde von Bilfinger am 24. Februar 2010 als zutreffend erklärt.[32][33] Im Juni 2020 erzielte Bilfinger einen Vergleich, mit dem alle zivilrechtlichen Forderungen im Zusammenhang mit dem eingestürzten Stadtarchiv abgegolten sind.[34]
Ende Februar 2010 folgte ein Verdacht auf gefälschte Protokolle beim Bau der Schnellfahrstrecke Nürnberg–Ingolstadt[35] sowie beim U-Bahn-Bau in Düsseldorf.
Aufgrund von Korruptionsvorwürfen in den USA verordnete das Justizministerium 2013 dem Konzern einen externen Aufpasser, einen sogenannten Monitor.[36] Im Dezember 2018 zertifizierte der Monitor das Compliance-System von Bilfinger und erklärte das Monitorship für beendet.[37]
Ein gerichtliches Nachspiel hatte 2017 die Entlassung der internen Chefermittlerin für Compliance-Vorwürfe, Marie-Alix von Meiningen, die u. a. Korruptionsvorfälle in Oman untersuchte. Sechs Tage nachdem sie die Firma verlassen hatte, wurde der Abschluss eines neuen 200-Millionen-Dollar-Auftrages in jenem Land bekanntgegeben.[38][39] Im Januar 2020 einigten sich die Parteien außergerichtlich in gegenseitigem Einvernehmen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Frau von Meiningen bei Bilfinger.[40]
Bilfinger hatte 2017 Aufträge in Millionenhöhe zum Bau der Pipeline Nord Stream 2 bekanntgegeben.[41] Im Januar 2021 kündigte Bilfinger die Kündigung dieser Verträge an.[42]