Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Binimetinib | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C17H15BrF2N4O3 | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | ||||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 441,23 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Binimetinib ist ein Arzneistoff, der angewendet wird zur Behandlung des Melanoms („schwarzer Hautkrebs“), wenn eine bestimmte genetische Veränderung vorliegt (Mutation im Wachstumsgen BRAF) und das Melanom operativ nicht entfernt werden kann oder in andere Körperteile gestreut (metastasiert) hat. Binimetinib wird dazu mit dem Wirkstoff Encorafenib kombiniert.
Im Juni 2018 hat die US-amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) Binimetinib in Kombination mit Encorafenib zugelassen.[2] Der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Arzneimittelagentur empfahl im Juli 2018 die Zulassung,[3] die EU-Zulassung folgte im September 2018.[4][5]
Binimetinib gehört zur Gruppe der Proteinkinaseinhibitoren beziehungsweise MEK-Inhibitoren, die die Kinaseaktivität der mitogen-aktivierten extrazellulär signalregulierten Kinasen 1 (MEK1) und 2 (MEK2) hemmen.[6]
Binimetinib – in Kombination mit Encorafenib[7][8][9] – ist angezeigt zur Behandlung von Erwachsenen mit nicht-resezierbarem (d. h. nicht operablem) oder metastasiertem Melanom mit einer BRAF-V600-Mutation.[5][10][11][12]
Binimetinib ist oral wirksam, die empfohlene Gesamttagesdosis von Binimetinib beträgt 90 mg. Die Behandlung sollte weitergeführt werden, bis der Patient keinen Nutzen mehr davon hat oder eine inakzeptable Toxizität auftritt.[5]
Vor der Einnahme von Binimetinib in Kombination mit Encorafenib muss bei den Patienten eine BRAF-V600-Mutation mittels eines validen Tests nachgewiesen worden sein.
Der BRAF-Mutationstest (BRAF-Assay) kann Tumore mit der BRAF-Mutation identifizieren und soll ihr mögliches Ansprechen auf BRAF-Inhibitoren wie z. B. Encorafenib einzuschätzen helfen. Die Testung kann mittels DNA-basierten Methoden oder mittels Immunhistochemie für die häufigste Mutation (BRAF-V600E) erfolgen.[13][14]
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Binimetinib in Kombination mit Encorafenib wurde nur für Patienten mit Tumoren, die eine BRAF V600E und V600K Mutation exprimieren, belegt. Binimetinib in Kombination mit Encorafenib darf nicht bei Patienten mit einem malignen Melanom vom BRAF-Wildtyp angewendet werden.[5]
Die folgenden Ereignisse wurden unter der Kombinationstherapie mit Encorafenib und Binimetinib in der Standarddosierung sehr häufig (das heißt bei mehr als einem von 10 Behandelten) beobachtet: Anämie, periphere Neuropathie, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Ablösung retinales Pigmentepithel, Blutungen, Hypertonie, Abdominalschmerz, Diarrhoe, Erbrechen, Übelkeit, Obstipation, Hyperkeratose, Hautausschlag, trockene Haut, Pruritus, Alopezie, Arthralgie, Muskelerkrankungen / Myalgie, Rückenschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, Pyrexie, peripheres Ödem, Fatigue, Anstieg Kreatinkinase im Blut, Anstieg Transaminasen, Anstieg Gamma-Glutamyl-Transferase.[5]
Binimetinib ist ein nicht-ATP-kompetitiver, reversibler Inhibitor der Kinaseaktivität der mitogen-aktivierten extrazellulär signalregulierten Kinase 1 (MEK1) und MEK2. In einem zellfreien System hemmt Binimetinib MEK1 und MEK2 mit halb-maximalen inhibitorischen Konzentrationen (IC50) von 12-46 nM. Die MEK-Proteine sind vorgeschaltete Regulatoren des mit extrazellulären Signalen verbundenen Kinase-Signalübertragungswegs (ERK), der die Zellproliferation fördert. Beim Melanom und anderen Krebsarten ist dieser Signalweg oft aktiviert durch mutierte Formen von BRAF, die MEK aktivieren. Binimetinib hemmt die Aktivierung von MEK durch BRAF sowie die MEK-Kinaseaktivität. Binimetinib hemmt das Wachstum von Melanom-Zelllinien mit BRAF-V600-Mutation und zeigt Antitumor-Wirkungen in Tiermodellen mit BRAF-V600-mutiertem Melanom.[5]
Für die etwa 20 Prozent der Melanome mit NRAS-Mutationen kann Binimetinib ebenfalls angewendet werden.[15]
Da Binimetinib und Encorafenib beide den MAP-Kinase-Signalweg hemmen, bewirkt die kombinierte Gabe eine höhere Antitumor-Aktivität. Darüber hinaus verhinderte die Kombination Encorafenib plus Binimetinib in vivo bei humanen Melanom-Xenografts mit BRAF-V600E-Mutation die Entwicklung einer Resistenz.
Binimetinib erhöht zusammen mit Encorafenib gegenüber der BRAF-Inhibitor-Monotherapie die Wirksamkeit bei adäquater Verträglichkeit.[16][17][18][19]
Nach wiederholter zweimal täglicher Gabe zusammen mit Encorafenib wurden Steady-State-Bedingungen für Binimetinib innerhalb von 15 Tagen ohne größere Akkumulation erreicht. Die mittlere (CV %) Cmax,ss betrug 654 ng/ml (34,7 %) und der Mittelwert der AUCss 2,35 μg·h/ml (28,0 %) in Kombination mit Encorafenib, wie per Populations-PK-Modell geschätzt. Die Pharmakokinetik von Binimetinib verhält sich in etwa dosislinear.[5]
Die Resorption von Binimetinib erfolgt rasch mit einer medianen Tmax von 1,5 Stunden. Die Einnahme von Binimetinib ist mit und ohne Nahrung möglich. Die Ausscheidung erfolgt zu 62,3 % über die Fäzes und zu 31,4 % über den Urin; die mediane terminale Halbwertszeit beträgt 8,66 Stunden.[5]
COLUMBUS (Zulassungsstudie): Die Sicherheit und Wirksamkeit von Encorafenib in Kombination mit Binimetinib wurde in einer 2-teiligen, randomisierten, wirkstoff-kontrollierten, offenen, multi-zentrischen Phase-III-Studie (CMEK162B2301) in Patienten mit nicht-resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit BRAF-V600E- oder -K-Mutation untersucht, die mittels BRAF-Assay festgestellt wurden. Die Patienten hatten ein histologisch bestätigtes kutanes Melanom oder ein histologisch bestätigtes Melanom mit unbekanntem Primärtumor; Patienten mit Aderhaut- oder Schleimhautmelanom waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen worden. Eine vorherige adjuvante Therapie sowie eine vorherige Immuntherapie-Linie zur Behandlung der nicht-resezierbaren, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankung waren zulässig. Eine vorherige Behandlung mit BRAF-/MEK-Inhibitoren war nicht zulässig.[20]
Für die Zulassung war insbesondere der Teil 1 der COLUMBUS-Studie relevant. In diesem Studienteil wurden 577 Patienten im Verhältnis 1:1:1 in die folgenden 3 Behandlungsarme randomisiert: Encorafenib 450 mg einmal täglich plus Binimetinib 45 mg zweimal täglich; Encorafenib 300 mg einmal täglich; Vemurafenib 960 mg zweimal täglich. Die Phase-III-Studie zeigte – laut unabhängigem zentralem Review, dass die Kombination von Encorafenib 450 mg einmal täglich und Binimetinib 45 mg zweimal täglich das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zur Vemurafenib-Monotherapie 960 mg zweimal täglich signifikant verbessert (Median 14,9 versus 7,3 Monate; Hazard Ratio [HR]=0,54; 95 % Konfidenzintervall [KI]: 0,41-0,71; p < 0,0001). Das PFS war der primäre Endpunkt der Studie.[17]
Im September 2018 in The Lancet Oncology publizierte Daten zeigen, dass die Behandlung mit Encorafenib + Binimetinib – als sekundärer Endpunkt der Studie – ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 33,6 Monaten erzielte, im Vergleich zu 16,9 Monaten für Patienten, die mit Vemurafenib als Monotherapie behandelt wurden (HR=0,61; 95 % KI: 0,47-0,79; nominelles p < 0,0001).[18]
In Deutschland müssen seit 2011 neu zugelassene Medikamente mit neuen Wirkstoffen gemäß § 35a SGB V einer „frühen Nutzenbewertung“ durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterzogen werden, wenn der pharmazeutische Hersteller einen höheren Verkaufspreis als nur den Festbetrag erzielen möchte. Nur wenn ein Zusatznutzen besteht, kann der Arzneimittelhersteller mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen einen Preis aushandeln. Die Dossierbewertungen, auf deren Basis der G-BA seine Beschlüsse fasst, erstellt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Die Kombination von Binimetinib mit Encorafenib zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit einer BRAF-V600-Mutation wurde 2018 bzw. 2019 bewertet.[21][22] Gemäß G-BA-Beschluss ist ein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie weder für vorbehandelte noch für nicht vorbehandelte Betroffene belegt.[23]
Der Handelsname des Monopräparat von Binimetinib ist Mektovi vom Hersteller Pierre Fabre.
Binimetinib wird in Kombination mit Encorafenib (Braftovi) gegeben.