Die Kleinstadt liegt im Unterelsass an der rechten Seite der Moder, etwa 25 Kilometer nordnordöstlich von Straßburg und acht Kilometer südöstlich von Hagenau.
Bischwiller, früher Bischofsweiler, lateinischEpiscopi villa,[2] ist eine Gründung der Bischöfe von Straßburg im Heiligen Römischen Reich, denen Kaiser Heinrich II. zu Beginn des 11. Jahrhunderts unbewohnte Ländereien und Jagdreviere geschenkt hatte. Ein erster dokumentierter Weiler namens „Bischofeswilre“ fiel 1263 einem Brand zum Opfer. Am Ende des 13. Jahrhunderts übergaben die Straßburger das Land in profane Hände, im Hoch- und Spätmittelalter wechselte es mehrfach den Besitzer.
1524 erwarben den Ort die Grafen von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, in deren Besitz er bis zur Französischen Revolution verblieb. Ihre Residenz war das 1795 zerstörte Schloss Tiefental mit einem weitläufigen Park nördlich der heutigen protestantischen Kirche.
Die Reformation wurde im Jahre 1588 durch Johann I. eingeführt.[3]
Nur wenige Wochen nach der Feier des Reformationsjubiläums nahm dessen Sohn Johann II. im November 1617 auch in Bischwiller Hugenotten und Wallonen aus den Spanische Niederlande auf.[4] Es kam zu einem Zuzug von Hugenotten aus Lixheim, Pfalzburg und Badonviller. Diese Ortschaften mit einer reformierten Kirche gerieten allmählich unter die Herrschaft des fundamentalistischen Katholiken Herzog Heinrich II. von Lothringen.
Von Beruf häufig Gerber, Tuchmacher und Tuchhändler, etablierten Hugenotten aus Lothringen, den Ardennen und der Picardie in der heutigen Rue Française, damals Welschgass, eine florierende Textil- und Wollindustrie.
Durch den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 kam das Gebiet an das deutsche Reichsland Elsaß-Lothringen und der Ort wurde dem Kreis Hagenau im Bezirk Unterelsass zugeordnet. Zwischen 1870 und 1874 verließen rund 4000 Einwohner Bischwiller und wanderten nach Frankreich aus. Mehr als 2000 von ihnen ließen sich in Elbeuf in der Normandie nieder, weitere Standorte waren Vire, Sedan, Roubaix, Tourcoing und Reimsa.[8]
Nach dem Ersten Weltkrieg musste die Region aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1919 an Frankreich abgetreten werden. Im Zweiten Weltkrieg war das Gebiet von der deutschen Wehrmacht besetzt, und der Ort stand bis 1944 unter deutscher Verwaltung.
Im 20. Jahrhundert erholte sich Bischwiller nach zwei Weltkriegen nur langsam. Durch die Restaurierung seiner Fassaden, Werbung für seine historischen Wurzeln, Ausbau seiner kulturellen und sportlichen Initiativen und Einrichtung einer Reihe kleinerer Hotels und Gaststätten öffnet es sich allmählich dem Tourismus, die Infrastruktur ist aber nicht auf größere Besucherzahlen ausgerichtet.
Seit den 1960er-Jahren leben in Bischwiller zahlreiche türkischeEinwanderer, die zunächst als Gastarbeiter für die Textilfabriken angeworben wurden; allmählich bildete sich hier dann ein Zentrum der türkischen Gemeinde für die gesamte Region, so besteht etwa der Sportverein Union sportive turc de Bischwiller. Vor allem seit dem Niedergang der örtlichen Textilindustrie kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen der einheimischen elsässischen Bevölkerung und den Migranten, deren Integration nur teilweise gelungen ist.[10]
Blickfang des Ortszentrums ist der Rathausplatz (Place de la Mairie) in harmonisch geschlossener Fachwerkbauweise.
Das alte Rathaus La Laub (errichtet 1665) entstand in Bischwillers wirtschaftsgeschichtlicher Blütezeit unter Herzog Christian II. (Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld). Unter seinen Arkaden wurden die Märkte und Messen der Tuchhändler abgehalten. Bis zur Französischen Revolution fanden alljährlich am 15. August – zu Mariä Himmelfahrt – musikalische Darbietungen statt. Heute beherbergt das Gebäude ein Museum.
Ein weiterer Fachwerkbau von 1620, die Herberge „Zum Goldenen Löwen“ (Auberge du Lion d’Or) war bis zur Französischen Revolution Sitz der Bruderschaft der Dorfmusikanten (Confrérie des Ménétriers).
Die Alte Apotheke (1681) ist ein Fachwerkbau mit Erker.
Das heutige Rathaus, das ehemalige Gasthaus A la Rose ist ca. 100 Jahre jünger; der langgestreckte Barockbau fällt am Marktplatz stilistisch aus dem Rahmen.
f1 Karte mit allen Koordinaten des Abschnitts Sakralbauten: OSM (soweit bekannt)
Die reformierte Kirche von 1525 – errichtet unter Verwendung der Bausubstanz eines Vorgängerbaus um 1300 – wurde 1722 erweitert und 1729 mit einer Orgel von Andreas Silbermann ausgestattet. Die Kirche beherbergte im Laufe der Jahrhunderte sowohl deutsche als auch französische Gemeinden. Die zugehörigen Pfarrhäuser in der Rue d’Église aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind erhalten. Aus dem Bruchmaterial des zerstörten Schlosses entstand im 19. Jahrhundert der heutige Diakonatsbau. (Lage:48° 46′ 11,9″ N, 7° 51′ 40″ O48.76997097.8611207)
↑ abSigmund Billings: Geschichte und Beschreibung des Elsasses und seiner Bewohner von den ältesten bis in die neuesten Zeiten. Basel 1782, S. 218–219 (books.google.de).
↑Andreas Neubauer: Geschichte der ehemaligen französisch-reformierten Gemeinde zu Zweibrücken. 1900.
↑Julien Léonard: Des carrières pastorales à Bischwiller (1618–1663). Politique et discipline dans une communauté de réfugiés. In: Revue historique. 2018/4 (n° 688), S. 795–836 (französisch, cairn.info).
↑Maximilian du Prel: Die Deutsche Verwaltung in Elsass-Lothringen 1870-1879. Denkschrift mit Benutzung amtlicher Quellen. Karl J. Trübner, Straßburg 1879, S. 9, Ziffer 19 (books.google.de).
↑Die alten Territorien des Elsaß nach dem Stand vom 1. Januar 1648. Mit Ortsverzeichnis und zwei Kartenbeilagen. Statistische Mittheilungen über Elsaß-Lothringen, Heft 27. Herausgegeben vom Statistischen Bureau für Elsaß-Lothringen. Verlag M. DuMont-Schauberg, Straßburg 1896, S. 157–159 (books.google.de).
↑Hermann Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes. Zweites Buch: Das deutsche Reichsstaatsrecht. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1886, S. 355–356 (books.google.de).
↑Christian Gunther: Der Exodus. In: Bischwiller au fil de l’Histoire. Verein der Freunde des Laub-Museums Bischwiller. Druckerei Vablor, Straßburg 1987, S. 70.
↑Jean-Georges Trouillet: Les Chemins de fer Impériaux d’Alsace-Lorraine – Reichs-Eisenbahnen in Elsass-Lothringen. Éditions Drei Exen Verlag, Husseren-les-Châteaux 2018, ISBN 978-2-9565934-0-9, S. 332 f.
↑Johann Friedrich Aufschlager: Das Elsass. Neue historisch-topographische Beschreibung der beiden Rhein-Departemente, Zweiter Theil, Johann Heinrich Heitz, Straßburg 1825, S. 386–388 (books.google.de).
↑Vollständiges geographisch-topographisch-statistisches Orts-Lexikon von Elsass-Lothringen. Enthaltend: die Städte, Flecken, Dörfer, Schlösser, Gemeinden, Weiler, Berg- und Hüttenwerke, Höfe, Mühlen, Ruinen, Mineralquellen u. s. w. mit Angabe der geographischen Lage, Fabrik-, Industrie- u. sonstigen Gewerbethätigkeit, der Post-, Eisenbahn- u. Telegraphen-Stationen u. geschichtlichen Notizen etc. Nach amtlichen Quellen bearbeitet von H. Rudolph. Louis Zander, Leipzig 1872, Sp. 6 (books.google.de).
↑C. Stockert, Das Reichsland Elsaß-Lothringen. Geographischer Leitfaden für die Höheren Lehranstalten, Friedrich Bull, Straßburg 1873, S. 37–38 (books.google.de).
↑Statistisches Büreau des Kaiserlichen Ministeriums für Elsaß-Lothringen: Ortschafts-Verzeichniß von Elsaß-Lothringen. Aufgestellt auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1880. C. F. Schmidts Universitäts-Buchhandlung Friedrich Bull, Straßburg 1884, S. 11, Ziffer 155 (books.google.de).
↑Anonymes Mitglied des Katholischen Volksvereins: Die konfessionellen Verhältnisse an den Höheren Schulen in Elsaß-Lothringen. Statistisch und historisch dargestellt. Straßburg 1894, S. 39 (books.google.de).
↑Bischweiler, Elsaß-Lothringen. In: Meyers Gazetteer, mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Bischweiler (meyersgaz.org).