Brigitte Fassbaender wurde in Berlin geboren und studierte Gesang bei ihrem Vater, dem KammersängerWilli Domgraf-Fassbaender. Im Alter von 21 Jahren debütierte sie an der Bayerischen Staatsoper in München, von dort startete sie auch ihre internationale Karriere als Mezzosopranistin. Sie sang an allen führenden Opernhäusern sowie bei den renommiertesten Festspielen weltweit und verkörperte alle wichtigen Partien ihres Faches. Für zwei Publikumsgenerationen war die bayerische und österreichische Kammersängerin der führende Octavian in Richard Strauss’ Der Rosenkavalier.
Über 250 vielfach ausgezeichnete Ton- und Filmaufnahmen – ein Großteil auch im Lied- und Konzertbereich – dokumentieren ihre Bedeutung als Sängerin. Ein Meilenstein war die Einspielung der drei großen Schubert-Liederzyklen, die sie als erste Frau aufgenommen hat.
Anfang 1995 beendete Brigitte Fassbaender ihre Gesangskarriere, um sich ganz der Regie zu widmen. Über 90 Inszenierungen im In- und Ausland hat sie inzwischen auf die Bühne gebracht.
1995 übernahm sie für zwei Jahre die interimistische Operndirektion am Staatstheater Braunschweig, in den Jahren 1999 bis 2012 leitete sie als Intendantin das Tiroler Landestheater; von 2009 bis 2017 war sie außerdem künstlerische Leiterin des Richard-Strauss-Festivals in Garmisch-Partenkirchen sowie Vorsitzende der Richard-Strauss-Gesellschaft (RSG) in München. Seit 2002 leitet sie das Festival Eppaner Liedsommer in Südtirol, das sich zunehmend zu einer international beachteten Adresse für den Liedgesang entwickelt.
Die Förderung junger Talente ist Brigitte Fassbaender ein wichtiges Anliegen. Als gefragte Gesangspädagogin unterrichtet sie weltweit in Meisterkursen.
Zu den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen Brigitte Fassbaender bis in die jüngste Zeit geehrt wurde, gehören der Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste, das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, die Hugo-Wolf-Medaille für ihre besonderen Verdienste um die Liedkunst, der International Opera Awards sowie der ECHO Klassik für ihr Lebenswerk.
Im Oktober 2019 erschienen ihre Memoiren Komm’ aus dem Staunen nicht heraus im Verlag C. H. Beck.
Sie galt als Prototyp der „singenden Schauspielerin“,[21] denn Singen bedeutete für sie nie Selbstzweck, sondern war stets verbunden mit darstellerischer Leidenschaft, Detailarbeit im Szenischen und psychologischer Durchdringung der Werke.[22] Das Ergebnis war eine beeindruckende Bühnenpräsenz, beruhend auf gesanglicher Perfektion in Kombination mit einer vollkommen natürlich und authentisch wirkenden schauspielerischen Darstellung.[23]
Ein weiterer Schwerpunkt ihres Wirkens war der Konzert- und insbesondere der Liedgesang. Auch hier war ihr die Wahrhaftigkeit der künstlerischen Aussage, die den Zuhörer/Zuschauer erreicht, „letztlich wichtiger als der reine Schöngesang“.[24] Jährliche Liederabende gab Brigitte Fassbaender ab 1983 in der Wigmore Hall in London und ab 1986 bei der Schubertiade.[25] Ihr Repertoire umfasste Lieder von Johannes Brahms, Franz Liszt, Gustav Mahler, Franz Schubert, Richard Strauss oder Hugo Wolf. Sie war die erste Sängerin, die – zusammen mit dem Pianisten und Komponisten Aribert Reimann – die drei großen Schubert-Zyklen (Die schöne Müllerin, Winterreise, Schwanengesang) aufnahm. 1992 schrieb Aribert Reimann für Brigitte Fassbaender den A-cappella-Zyklus Eingedunkelt (nach neun Gedichten von Paul Celan), den sie erstmals am 26. Juni 1993 bei der Schubertiade in Feldkirch aufführte.[26]
Anfang Januar 1995 beendete Brigitte Fassbaender aus freien Stücken ihre sängerische Tätigkeit, um sich vermehrt der Regie widmen zu können.[27] Seit 1992 ist die regelmäßige Regiearbeit wichtiger Bestandteil ihres Schaffens.[28] Bereits 1989 hatte sie als Spielleiterin den Rosenkavalier in München einstudiert, ein Jahr später folgte die erste eigene Inszenierung mit Rossinis Cenerentola in Coburg. Mit ihren inzwischen über 90 Inszenierungen gehört sie längst zu den „großen Opernregisseurinnen unserer Zeit“[29], beispielsweise wurde ihre Frankfurter Capriccio-Inszenierung von der Presse 2018 als „Modellaufführung“ gefeiert.[30] Ihre erste Uraufführung inszenierte sie mit der Oper Blühen von Vito Žuraj (Libretto: Händl Klaus nach der Erzählung Die Betrogene von Thomas Mann), die am 22. Januar 2023 in Frankfurt aufgeführt wurde.
Regieführung bedeutet für Brigitte Fassbaender „Fantasie anregen, inspirieren, Erfahrungen austauschen, Skrupel und innere Barrieren abbauen“.[31] Ihre künstlerische Lesart des Werkes folgt weder starren Konzepten noch dogmatischen Ansätzen, sondern geht mit Respekt vor der Leistung seines genialen Schöpfers auf die Individualität des Musikdramas ein, um es unter Wahrung eines gewissen Wiedererkennungseffektes von seiner ganzheitlichen Seite neu zu fassen und zu gestalten.[32] Genaues Timing mit der Musik und eine subtile, eindringliche und detailgenaue Erarbeitung der Charaktere (sowohl der komischen als auch tragischen Momente) gehören zu den wichtigen Merkmalen ihrer Regiearbeit. Die Personenregie, der Mensch auf der Bühne, steht daher auch im Zentrum ihrer Arbeit. Angestrebt werden die „Wahrhaftigkeit der künstlerischen Aussage“ sowie „Identifikationsmomente, von denen sich auch der Zuschauer betroffen fühlt“.[33]
Als Jury-Mitglied ist sie auch bei wichtigen Wettbewerben vertreten (z. B. Das Lied. International Song Competition), 2012 war sie Jury-Vorsitzende des ARD-Wettbewerbs für Gesang, in gleicher Funktion 2014, 2018, 2020 und 2024 beim Internationalen Wettbewerb für Liedkunst der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie in Stuttgart sowie 2015 beim Internationalen Hilde-Zadek-Gesangswettbewerb in Wien. 2017 übernahm sie die Schirmherrschaft der Internationalen Meistersinger Akademie in Neumarkt in der Oberpfalz.[35]
Außer zahlreichen Programmhefttexten und Interviewbeiträgen in Fachmagazinen und der Tagespresse übersetzte Brigitte Fassbaender auch die Libretti von Jacques OffenbachsRobinson Crusoé (2006) und von Michael Nymans Love Counts (2008). 2010 verfasste sie den Text für Lulu – das Musical (nach Frank Wedekind, Musik: Stephan Kanyar). Die Uraufführung fand am 15. Mai 2010 im Tiroler Landestheater in Innsbruck statt. Dort folgte am 5. Mai 2012 die Uraufführung des Musicals Shylock!, zu dem sie ebenfalls das Libretto geschrieben hatte (nach Shakespeares Tragikomödie Der Kaufmann von Venedig; Musik: Stephan Kanyar).[36] 2019 erschienen ihre MemoirenKomm' aus dem Staunen nicht heraus, die in der Öffentlichkeit viel Widerhall fanden.[37]
Neben den vielseitigen beruflichen Aktivitäten bezeichnet Brigitte Fassbaender vor allem die Malerei als „regenerierende Kreativität“. Es entstanden u. a. Bilderbücher für Erwachsene und Kinder oder Illustrationen zu (Kinder)-Konzerten, auch für Ausstellungen stellt sie ihre Arbeiten gelegentlich zur Verfügung.[38][39]
Dorabella in Così fan tutte von Mozart (Dir. Karl Böhm) (Opera d’Oro 1972; DG 1975, 1977, 1980, 1985; Deutsche Schallplatten 1981); (Dir. Wolfgang Sawallisch) (Orfeo 1978, Edition „Bayerische Staatsoper live“)
Silla in Palestrina von Pfitzner (Dir. Rafael Kubelík) (DG 1973, 1980, 1989)
Fassbaender, Brigitte. In: Marc Honegger, Günther Massenkeil (Hrsg.): Das grosse Lexikon der Musik. Band 3, Freiburg u. a. 1992, S. 59.
Giorgio Bagnoli: Fassbaender, Brigitte. In: The La Scala Encyclopedia of the Opera. übersetzt von Graham Fawcett. New York u. a. 1993, S. 131 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Harold Rosenthal: Fassbaender, Brigitte. In: Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Opera. Band 2, London u. a. 1998, ISBN 0-333-73432-7, S. 127.
Ingrid und Herbert Haffner: ›Man könnte Oper viel billiger machen‹. Gespräch mit Brigitte Fassbaender. In: Opernwelt. Band 32, Nr. 1, 1991, ISSN0030-3690, S. 14–16.
Helena Matheopoulos: Diva. Great Sopranos and Mezzos Discuss their Art. Boston 1992, ISBN 1-55553-132-6, spez. S. 270–279 (Digitalisat).
Thomas Voigt: Das Publikum zurückerobern. Brigitte Fassbaender als Operndirektorin in Braunschweig. In: Opernwelt. Band 37, 1995, Nr. 6, ISSN0030-3690, S. 4–5.
Terry Castle: In Praise of Brigitte Fassbaender. Reflections on Diva-Worship. In: Corinne E. Blackner, Patricia Juliana Smith (Hrsg.): En travesti: Women, Gender, Subversion, Opera. New York 1995, ISBN 0-231-10269-0, S. 20–58 (Digitalisat).
Dieter David Scholz: Mythos Primadonna. Berlin 1999, ISBN 3-932529-60-X, spez. S. 64–75.
John Barry Steane: Brigitte Fassbaender. In: Singers of the Century. Teil 2, 2000, ISBN 0-7156-2842-9, S. 108–112.
Herbert Haffner: ›Dirigenten sind die konservativsten Leute, die ich kenne‹. Ein Gespräch mit der Mezzosopranistin, Regisseurin und Intendantin Brigitte Fassbaender. In: Opernwelt. Band 50, Nr. 7, 2009, ISSN0030-3690, S. 66–67.
Ute Büchter-Römer: Spitzenkarrieren von Frauen in der Musik. München 2011, ISBN 978-3-9807515-9-9, spez. S. 63–72.
Christiane Mühlegger-Henhapel, Alexandra Steiner-Strauss (Hrsg.): Interview mit KS Brigitte Fassbaender. In: Richard Strauss und die Oper. St. Pölten u. a. 2014, ISBN 978-3-7017-3335-4, S. 203–207.
Markus Thiel: Auf der Bühne kriegt man keinen Schluckauf … In: Opernwelt. 55, 2014, S. 36–39, ISSN0474-2443.
↑Cornelia Hofmann, Katharina Meinel: Dokumentation der Premieren von 1653 bis 1992. In: Hans Zehetmair, Jürgen Schläder (Hrsg.): Nationaltheater. Die Bayerische Staatsoper. München 1992, ISBN 3-7654-2551-6 (Premieren mit Brigitte Fassbaender, S. 317–329, 332–335)
↑Brigitte Fassbaender: Ein ungewöhnliches Vorhaben. Weihnachtliche Vorlesegeschichten, mit Hörbuch. Athesia-Tappeiner Verlag, Bozen 2011, ISBN 978-88-7073-718-9