Brigitte Kronauer wuchs im Ruhrgebiet auf und begann bereits als Kind mit dem Schreiben erster Geschichten, da sie wegen ihrer unleserlichen Handschrift von ihrem Vater zu Schreibübungen angehalten wurde. Gegenüber ihrem Vater setzte sie durch, dass sie eigene Texte schreiben durfte und nicht Vorlagen, die ihr Vater ihr vorlegte.[2] Im Alter von 16 Jahren schrieb sie Hörspiele und sandte diese an Verlage. Sie studierte Germanistik sowie Pädagogik und war zunächst einige Jahre als Lehrerin in Aachen und Göttingen tätig.
Kronauer war mit dem Kunstwissenschaftler und Pädagogen Armin Schreiber verheiratet und lebte seit Anfang der 1970er Jahre mit ihm und dem Maler Dieter Asmus als Polykül in Hamburg.[3][4]
In den 1970er und 1980er Jahren hatte sie regelmäßig mit der österreichischen Zeitschrift das pult (St. Pölten) und deren Herausgeber Klaus Sandler Kontakt. Zu Beginn ihrer publizistischen Laufbahn siedelte sie nach Hamburg um. Es schien ihr paradiesisch, in einer Stadt am Strom mit weißen Villen und Segelbooten[5] zu leben.
Bereits ihr erster Roman Frau Mühlenbeck im Gehäus (1980) erweckte große Aufmerksamkeit. Der Roman Teufelsbrück aus dem Jahr 2000 spielt teilweise in Arosa, wo sich Kronauer regelmäßig im Urlaub aufhielt. Kronauer schrieb regelmäßig für das Magazin konkret.
Ebenfalls 2017 wurde ihr der Thomas-Mann-Preis zuerkannt, die Laudatio hielt Martin Mosebach. Die Preisstifter lobten ihre bisherigen Arbeiten als „Sprachkunstwerke, die formale Kühnheit mit psychologischer Subtilität verbinden“. Kronauer sei eine „Erbin der großen Tradition Jean Pauls“ und sie besitze „die Fähigkeit, mit der Sprache Äquivalente für eine vielfältig zersplitterte Realität zu bilden, die unter ihren Händen zu einer unverwechselbaren Melodie“ zusammenfinde.[8] Kronauer konnte schon aus Krankheitsgründen den Preis nicht selbst entgegennehmen.
Kronauer starb im Juli 2019 im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit in Hamburg.[9] Sie lebte dort seit 1974 im Stadtteil Nienstedten[10] und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.
In der Sendung Doppelkopf von hr2-kultur sagte Kronauer, sie fühle sich der Prosa von Ror Wolf sehr nahe. Eine Würdigung Wolfs von ihr erschien unter dem Titel Auftritt am Horizont bereits in das pult.[11]
In einer Rezension für literaturkritik.de[12] schrieb Peter Mohr anlässlich des Romans Verlangen nach Musik und Gebirge (2004):
„Brigitte Kronauer ist eine der gebildetsten, sprachmächtigsten und ambitioniertesten Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Die gebürtige Essenerin, die seit vielen Jahren in Hamburg lebt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet worden ist, hat nun einen Roman vorgelegt, der in Schönheit erstarrt. Ein Buch über die Liebe, über die Kunst, über Philosophie und Politik – ein polyphones, stärker essayistisches als erzählendes Wortgemälde, bei dem jeder Pinselstrich wohl überlegt ist, das aber trotzdem relativ spurlos am Betrachter/Leser vorbeizieht.“
Zu einer anderen Einschätzung kam Eberhard Hübner im Spiegel Special (4/2004). Er schrieb über Verlangen nach Musik und Gebirge:
„Kronauers Sätze wollen die innere Optik des Lesers verändern, zumindest für die Dauer des Romans. Man wird hineingezogen in ein Kaleidoskop aus Wahrnehmungen und Imaginationen, das mit üblicher Romanrealistik kaum etwas gemeinsam hat.“
Und weiter:
„Der Titel ist ein Nietzsche-Zitat aus den Aphorismen seiner ‚Morgenröte‘. Es seien ‚Erdichtungen‘, so führt Nietzsche das aus, die diesem Verlangen ‚Spielraum und Entladung‘ geben. Beides erfüllt Brigitte Kronauers Roman in einer für die gegenwärtige deutsche Literatur ganz einzigartigen Weise.“
Tilman Krause beschloss seine Kritik in der Welt vom 2. Oktober 2004 mit den Worten:
„[…] lustvoll, daß man am liebsten sofort wieder von vorn lesen würde.“
2011: Universität Wien, Alte Schmiede (Wien) (Mit Rücken und Gesicht zur Gesellschaft, 1. Vorlesung: Über Avantgardismus, 2. Vorlesung: Über Politik in der Literatur.)
2011: Universität Tübingen (1. Vortrag: Wirkliches Leben und Literatur, 2. Vortrag: Vom Umgang mit der Natur und wie sie mit uns umspringt. 3. Vortrag: Die Gewalt der Bilder.)
2012: Universität Zürich und Literaturhaus Zürich (Was ist schon ein Roman! 1. Vorlesung: Eine „Reportage“. Zu Marie-Luise Scherers Hundegrenze, 2. Vorlesung: Ein Fragment. Zu Wilhelm Raabes Altershausen, 3. Vorlesung: Ein Romanriese. Zu Jean Pauls Titan.)
Wo die Welt zu Ende und verriegelt ist. In: Ueli Haldimann (Hrsg.): Hermann Hesse, Thomas Mann und andere in Arosa – Texte und Bilder aus zwei Jahrhunderten. AS Verlag und Buchkonzept AG, Zürich 2001, ISBN 3-905111-67-5, S. 169–172.
Zweideutigkeit. Essays und Skizzen. Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-93334-4.
Mit Rücken und Gesicht zur Gesellschaft (Über Avantgardismus/Über Politik in der Literatur). In: Dichtung für alle, Wiener Ernst-Jandl-Vorlesungen zur Poetik. Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2013, ISBN 978-3-7099-7068-3, S. 73–132.
Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Brigitte Kronauer. (= Text + Kritik. 112). München 1991.
Patrick Bahners: Vereinigung durch das Bild hindurch. Laudatio auf Brigitte Kronauer. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 2005. Darmstadt 2006, S. 124–132.
Markus Barth: Lebenskunst im Alltag. Analyse der Werke von Peter Handke, Thomas Bernhard und Brigitte Kronauer. Wiesbaden 1998.
Reinhard Baumgart: Das Licht, das keine Schatten wirft. Versuch, die Einzigartigkeit der Schriftstellerin Brigitte Kronauer zu beschreiben. In: Die Zeit. Nr. 51, 15. Dezember 1989, S. 66f.
Martin Brunkhorst: Literatur und Leidenschaft. Das Bild des Philologen bei Heinrich Mann, Vladimir Nabokov und Brigitte Kronauer. In: Friedrich W. Block (Hrsg.): Verstehen wir uns? Zur gegenseitigen Einschätzung von Literatur und Wissenschaft. Festschrift für Anselm Maler. Frankfurt am Main 1996, S. 67–99.
Bettina Clausen: Die Metasprache der Struktur. Brigitte Kronauers „Rita Münster“. In: The German Quarterly. 1990, S. 437 ff. (auch in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.): Spätmoderne und Postmoderne. Fischer TB, Frankfurt am Main 1991, S. 157 ff.)
Bettina Clausen: Ein staunenswerter Fall und Aufstieg. Zur Prosa Brigitte Kronauers. In: Merkur. 45, Heft 5, 1991, S. 442–447.
Bettina Clausen: Brigitte Kronauer. In: Frank Rainer Max, Christine Ruhrberg (Hrsg.): Reclams Romanlexikon. Band 5: 20. Jahrhundert III. Reclam, Stuttgart 2000, S. 329 ff.
Bettina Clausen, Thomas Kopfermann, Uta Kutter (Hrsg.): Literarisches Portrait Brigitte Kronauer In: Schriften der Akademie für gesprochenes Wort. Nr. 6, Stuttgart 2004.
Meike Feßmann: Gezielte Verwilderung. Modernität und Romantik im Werk von Brigitte Kronauer. In: Sinn und Form. 56, Heft 4, 2004, S. 487–503.
Wilhelm Genazino: Brigitte Kronauer. In: Dietz-Rüdiger Moser (Hrsg.): Neues Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur seit 1945. München 1990, S. 391–392.
Günter Häntzschel: Die Sammlung, die Königin meiner fixen Ideen. Sammler und Sammlungen in Brigitte Kronauers Roman „Errötende Mörder“. In: Aufbrüche und Vermittlungen – Beiträge der Luxemburger und europäischen Literatur- und Kulturgeschichte. Bielefeld 2010, S. 769–779.
Jutta Ittner: Der nachdrückliche Blick. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Neue Deutsche Literatur: Zeitschrift für deutschsprachige Literatur (NDL). 49, Heft 1, 2001, S. 44–57.
Jutta Ittner: Epiphanies at the Supermarket: An Interview with Brigitte Kronauer. In: Studies in Twentieth Century Literature. 27, Heft 1, 2003, S. 103–121.
Jutta Ittner (Hrsg.): Constructs of Desire. Selections from Brigitte Kronauer. Bucknell University Press, Lewisburg 2009.
Werner Jung: Literatur ist Gestalt. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Neue Deutsche Literatur: Zeitschrift für deutschsprachige Literatur (NDL). 49, Heft 1, 2001, S. 29–38.
Ursula Liebertz-Grün: Auf der Suche nach einer ökologischen Ästhetik. Natur und Kunst im Werk Brigitte Kronauers. In: Urte Helduser, Johannes Weiß (Hrsg.): Die Modernität der Romantik. Zur Wiederkehr des Ungleichen. Kassel 1999, S. 219–242.
Ursula Lüdke: Funktion und Wirkung von Mehrdeutigkeit im Erzählwerk der Schriftstellerin Brigitte Kronauer.(Volltext)
Gerhard Moser: Der metaphysische Acker. Gespräch mit Brigitte Kronauer. In: Literatur und Kritik. Heft 172, S. 414–427.
Ursula Renate Riedner: Sprachliche Felder und literarische Wirkung: exemplarische Analysen an Brigitte Kronauers Roman „Rita Münster“. München 1996, ISBN 3-89129-133-7.
Gerlinde Röder-Bolten: The Emptiness of All Things under Heaven: Joseph Conrad and Brigitte Kronauer‘s „Berittener Bogenschütze“. In: Conradiana: A Journal of Joseph Conrad Studies. 38, Heft 3, 2006, S. 229–246.
Heinz F. Schafroth (Hrsg.): Die Sichtbarkeit der Dinge. Über Brigitte Kronauer. Stuttgart 1998.
Dagmar Schulz: Stilistische Elemente in der Prosa von Brigitte Kronauer exemplarisch dargestellt an „Rita Münster“, „Berittener Bogenschütze“ und „Frau Mühlenbeck im Gehäus“. In: Focus on Literature. Vol. 1, Nr. 2, 1994, S. 141–150.
Oliver Sill: Rückzug ins Grenzenlose. „Das Bett“ als Leitmotiv in der Prosa Brigitte Kronauers. In: Walter Delabar u. a. (Hrsg.): Neue Generation – Neues Erzählen. Deutsche Prosa-Literatur der achtziger Jahre. Opladen 1993.
Dörte Thormählen: Schattenspiele. Das Wirkliche als das Andere bei Brigitte Kronauer. In: Sprache im technischen Zeitalter. Heft 132, 1994, S. 379–390.
Anna E. Wilkens: Kunst, Literatur und Wirklichkeit in Brigitte Kronauers Roman „Berittener Bogenschütze“. Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-4829-6.