Brigitte Mira war Tochter des aus Russland eingewanderten Pianisten Siegfried Stramm (Siegfried Mira) und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Sträßer. Sie wuchs in Düsseldorf auf und begann bereits im Alter von acht Jahren eine Ballett- und Gesangsausbildung. In der Spielzeit 1928/29 war sie als Gruppentänzerin unter dem Namen „Valencia Stramm“ am Städtischen Theater in Düsseldorf engagiert und wechselte mit fast der gesamten Düsseldorfer Tanzgruppe zur nächsten Spielzeit als Mitglied des Tanzchors an das Opernhaus Köln, wo sie u. a. an der weltweit ersten Aufführung von StrawinskysLe sacre du printemps außerhalb der Ballets Russes mitwirkte.[1] Ende der 1920er Jahre debütierte sie als Sängerin in der Rolle der Esmeralda in SmetanasDie verkaufte Braut in Köln. Dem ersten Engagement als Soubrette und ab jetzt für mehrere Jahre unter dem Namen „Gitta Mira“ in Bremerhaven 1931 folgten weitere Engagements an deutschsprachigen Theatern, unter anderem 1931 am Operettentheater Leipzig, 1932 und 1933 in Reichenberg mit Sommerverpflichtungen nach Kolberg und Marienbad, 1934 an den Städtischen Bühnen Graz und von 1935 bis 1939 am Kieler Stadttheater, wo sie mit Stars wie Richard Tauber, Fritzi Massary, Leo Slezak und Lizzi Waldmüller auf der Bühne stand. In Hamburg war Mira 1939 in der deutschen Erstaufführung von Franz Lehárs Operette Giuditta zu sehen. 1941 kam sie nach Berlin und arbeitete am Theater am Schiffbauerdamm. Dort entdeckte Willi Schaeffers ihr komisches Talent und holte sie ans Kabarett der Komiker.
Ihre ersten Erfahrungen beim Film sammelte Mira, die nach den NS-Rassegesetzen als „Halbjüdin“ galt, dies jedoch mit falschen Papieren verbarg, in der als NS-Propaganda gedachten Kurzfilmreihe Liese und Miese, die im Beiprogramm zur Deutschen Wochenschau lief. Dabei war die Volksgenossin Liese die „Gute“, die sich im Sinne der Nazi-Propaganda richtig verhielt, während die „Miese“ alles falsch machte, Feindsender hörte, über knappe Lebensmittel schimpfte und sich mit Spionen einließ. Die Darstellungskunst von Brigitte Mira sorgte jedoch dafür, dass Miese beim Publikum mehr Anklang fand als die von Gisela Schlüter gespielte Liese, sodass das Propagandaministerium die Serie nach zehn Folgen wieder absetzte. Mira stand 1944 auf der Gottbegnadeten-Liste.
Nach Kriegsende spielte Mira am Theater am Schiffbauerdamm, in Inszenierungen von Walter Felsenstein zunächst am Hebbel-Theater, später an der Komischen Oper in Berlin, und hatte Gesangsrollen bei diversen Rundfunkanstalten, darunter in zahlreichen Operetten beim Bayerischen Rundfunk. Ihre offene, unverblümte Art brachte sie auch auf Kabarettbühnen, unter anderem bei Günter NeumannsDie Insulaner. Ihr Spielfilmdebüt hatte Mira 1948 in einer kleinen Rolle in der Nachkriegs-SatireBerliner Ballade mit Gert Fröbe als Otto Normalverbraucher. Neben ihrer Bühnentätigkeit in musikalischen Lustspielen und Volksstücken wirkte sie ab den 1950er Jahren in Schlagerfilmen und Komödien mit. In Filmen lange Zeit auf Nebenrollen als komische Tanten oder Haushälterinnen festgelegt, galt sie in Operetten, Singspielen und Unterhaltungssendungen im Fernsehen als „Soubrette vom Dienst“.
1989 wurde Mira für ihr langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film mit dem Filmband in Gold geehrt. 1998 hatte sie auf der Jubiläumsgala anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Komischen Oper in Berlin einen bejubelten Auftritt. Ende der 1990er Jahre ging Mira, die im höheren Alter ihr wahres Alter nicht preisgab und ewig 69 Jahre alt blieb, mit Evelyn Künneke und Helen Vita mit dem selbstironischen ChansonabendDrei alte Schachteln, initiiert und begleitet von Frank Golischewski, auf Tournee. Diese endete unvermittelt mit dem Tod von Helen Vita im Februar 2001. Kurz darauf starb auch Evelyn Künneke. Mira, über zehn Jahre älter als ihre Kolleginnen, stellte danach ein eigenes Soloprogramm zusammen. Mit diesem trat sie unter anderem im Theater Madame Lothár in Bremen auf, wo sie im Juni 2002 auch an einer Galashow anlässlich des zehnjährigen Theaterjubiläums teilnahm. Im Jahr 2000 wirkte Mira in Rosa von Praunheims Film Für mich gab’s nur noch Fassbinder mit.
Brigitte Mira verkörperte – ähnlich wie Günter Pfitzmann und Harald Juhnke, die mit ihr auch in Drei Damen vom Grill spielten – wie kaum eine andere Schauspielerin das alte West-Berlin. Hellmuth Karasek etwa nannte sie eine „Ikone des Berliner Selbstbewußtseins, das sich aus Selbstironie wie aus Emanzipation speist“,[2]The Guardian „the archetypal funny old Berlinerin with a heart.“[3] Am 13. Oktober 2004 erlitt Mira einen Schwächeanfall, von dem sie sich nicht wieder erholte. Sie starb am 8. März 2005 im Alter von 94 Jahren und wurde am 16. März 2005 auf dem Luisenfriedhof III am Fürstenbrunner Weg in Berlin-Westend beigesetzt.[4] Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern der Stadt Berlin.
Brigitte Mira war fünf Mal verheiratet, in erster Ehe 1939 mit dem Schauspieler Peter Schütte und in zweiter Ehe 1941 mit dem Intendanten Paul Cornelius. Ihre beiden Söhne Thomas (* 1950 oder 1951) und Robert (1949–2014), stammen aus der dritten Ehe mit dem Reporter Reinhold Tabatt. Auch die vierte Ehe mit einem Ingenieur wurde geschieden. 1974 heiratete Mira den Regisseur Frank Guarente, mit dem sie bis zu dessen Tod im Jahr 1983 verheiratet war und über 25 Jahre zusammenlebte.
1963: Horst Pillau: Ein Volk sieht fern oder Der Tod spielt rechtsaußen. Ein frei erfundener Tatsachenbericht über die Ereignisse rund um ein Kriminalfernsehspiel – Regie: Günther Schwerkolt (SDR / SFB)
1983: Werner E. Hintz: Die Töchter der Madame Dutitre. Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin (Madame Dutitre) (Geschichte Nr. 36 in 10 Folgen) – Regie: Horst Kintscher (RIAS Berlin)[5]
1986: Ursula Drews [nach einer Idee von Werner E. Hintz]: Fünf Müllers und eine Million. Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin (Frau Babette Dröhmer, Nachbarin) (Geschichte Nr. 39 in 8 Folgen) – Regie: Horst Kintscher (RIAS Berlin)[5]
Horst Pillau (Hrsg.): Brigitte Mira im Gespräch mit Horst Pillau über ihr Leben. Herbig, München 2002, ISBN 3-7844-4010-X(Die Langen Müller Audio books).
C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2. Auflage 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 483.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 5: L – N. Rudolf Lettinger – Lloyd Nolan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 471.
↑Deutsches Bühnenjahrbuch, 1929, S. 372; 1930, S. 498; 1931, S. 339; 1932, 1933, 1934. Zum Pseudonym und der Kölner Mitwirkung: Frank-Manuel Peter: Sie küssten und sie schlugen ihn. Zur Geschichte des Tanzes in Köln. In: Arnold Jacobshagen: (Hrsg.) Musikstadt Köln. Verlag Dohr, Köln 2013, S. 239–261, hier S. 254 (Abb.!) u. 255.