Gregory hatte französische Vorfahren. Sein Urgroßvater René Gregory schloss sich als französischer Offizier 1777 begeistert dem Hilfsheer für den Amerikanischen UnabhängigkeitskriegLafayettes an und verblieb durch Heirat in Amerika. Sein Vater Henry Duval Gregory, ein reformierter Presbyterianer, wirkte durch seine puritanische Strenge auf ihn prägend.
Gregory studierte nach dem Besuch der Schule seines Vaters Theologie an den beiden Seminaren der Presbyterianer: 1865–1867 in Philadelphia und 1867–1873 in Princeton (New Jersey). Er entschloss sich 1873, sein Studium in Leipzig unter Konstantin von Tischendorf fortzusetzen. Seine Arbeit zur neutestamentlichen Textforschung begann er durch die Anregung seines Lehrers Ezra Abbot. Sein Plan, unter Tischendorf zu studieren, wurde bereits 1874 durch dessen Tod unterbrochen. Er führte jedoch Tischendorfs Arbeit weiter.
Gregory habilitierte sich 1884 und wurde 1889 außerordentlicher Professor und 1891 ordentlicher Honorarprofessor in Leipzig. Den philosophischen Doktortitel erlangte er 1876 mit der Dissertation Grégoire, the priest and the revolutionist.[1] Der Erstgutachter war hierbei der Historiker Georg Voigt.[2] Auch die im Universitätsarchiv Leipzig befindliche Promotionsakte besagt das Gleiche. Gregory besaß offenbar mehrere Doktortitel. Karl Josef Friedrich (S. 130) spricht in seinem Lebensbild Gregory gar als einen fünffachen Doktor an. Bezeugt ist zumindest auch ein in Leipzig 1889 erlangter theologischer Doktortitel, 1893 wurde er Ehrendoktor der Universität Leipzig.[3] Zusammen mit dem Politiker Friedrich Naumann und dem Juristen Rudolph Sohm war er an der Gründung des Nationalsozialen Vereines beteiligt. Mit dem Leipziger Theologen Adolf von Harnack verband ihn eine enge Freundschaft.
Als der älteste deutsche Kriegsfreiwillige trat der Deutsch-Amerikaner Gregory, seit 1881 sächsischer Staatsbürger, im August 1914 immerhin bereits 67-jährig in das deutsche Heer ein. Nach zwei Jahren wurde er Leutnant. Er starb im Lazarett an der Westfront 1917 und wurde auf der Deutschen Kriegsgräberstätte Asfeld bestattet.
Um die Erforschung der neutestamentlichen Handschriften und um die Textkritik des Neuen Testaments hat sich Gregory bedeutende und bleibende Verdienste erworben. 1908 erschien sein Werk Die griechischen Handschriften des Neuen Testaments. Dieses Werk vereinheitlichte die Bezeichnungen der neutestamentlichen Handschriften und erleichterte so die Forschung am Text ganz wesentlich. Seine Nummerierung der Textzeugen wurde später von Kurt Aland aktualisiert und erweitert und heute noch ist die Nummerierung nach Gregory-Aland allgemeiner Standard.
Man kann auch sagen, dass die neutestamentliche Handschriftenkunde neben von Tischendorf auch von ihm mitbegründet wurde. Er wurde als ein ausgesprochener „Menschenfreund“ geschildert.[6]
Neben seinem Werk erinnern an ihn ein von Willmar Schwabe gestifteter Gedenkstein mit Reliefporträt vor der Neuen Nikolaischule in der Naunhofer Straße im Leipziger Stadtteil Stötteritz. Die Inschrift auf dem Relief lautet:
Prof. Dr. Gregory Dem Volksfreunde Dem Unermüdlichen Forscher u. Lehrer Dem tapferen Kämpfer Für Freiheit und Recht Zum dankbaren Gedenken
Ein kleiner ca. 600 m entfernt von dem Denkmal befindlicher Spielplatz heißt Gregoryplatz.
Prolegomena zu Tischendorfs Novum Testamentum Graece (editio VIII. critica major), 2 Bände, 1884–1894 (dt. Neubearb.: Textkritik des NT, 3 Bände, 1900–1909)
Canon and Text of the New Testament. Edinburgh 1907 (archive.org).
Karl Josef Friedrich: Professor Gregory, Amerikaner, Christ, Volksfreund, deutscher Held. Mit Bildern und unter Benutzung der Feldtagebücher Gregorys. Verlag Friedrich Andreas Perthes, Gotha 1917 (2. Auflage: Volksfreund Gregory, Amerikaner, Pfadfinder, Urchrist, deutscher Kämpfer. Mit Bildern von Ernst Müller-Gräfe und unter Benutzung der Feldtagebücher Gregorys, Leopold Klotz Verlag, Leipzig 1918; zweite, vermehrte Auflage mit einem Anhange: Gregorys Fußwanderung durch die Wüste, von ihm selbst in Briefen beschrieben, Leopold Klotz Verlag, Leipzig 1920; 3. durchgesehene Auflage, Leopold Klotz Verlag, Leipzig 1938). Online-Version
Karl Josef Friedrich: Caspar René Gregory. In: Sächsische Lebensbilder. Bd. I, Dresden 1930, S. 125–131.
Karl Josef Friedrich: Mein buntes Leben – Erinnerungen eines sächsischen Dichterpfarrers. NOTschriften-Verlag, Radebeul 2003 (postum), S. 106–110: Gregory.
Ernst Jünger (Hrsg.): Caspar René Gregory. In: Die Unvergessenen. München 1928, S. 111 ff.
Bruno Hartung: Caspar René Gregory. In: Das Jahr des Herrn: Kalender für die evangelischen Gemeinden Leipzigs. 5. Jg. (1929), S. 36–38.
Gerhard Schultze-Pfaelzer: Ein Herz für uns. Roman vom Leben und Sterben des Caspar René Gregory. Propyläen-Verlag, Berlin 1937.
Frank Fehlberg: Leipzigs Luthertum. Die Universität Leipzig im Kaiserreich und ihr Ruf als konfessionelle Hochburg. Betrachtungen und Porträts. Leipzig-Magdeburg 2009, S. 84–94.
↑Verzeichnis der Ehrenpromotionen. Archiv der Universität Leipzig, archiviert vom Original am 19. Oktober 2020; abgerufen am 1. November 2020 (Ordnung nach Graduierungsjahr).
↑Karl Josef Friedrich: „Am meisten von allen Professoren hat mich Caspar René Gregory berührt. Harnack hat von ihm gesagt: ‚Niemals habe ich einen Menschen gesehen, der so wie er die Nachfolge Christi übte.‘ ... Gregorys Lebensarbeit war, nächst dem Dienste an den Brüdern und der Nachfolge Christi, die er so herzlich übte, die Arbeit am Neuen Testament. Leider hat er, durch seinen Tod verhindert, sein letztes Ziel nicht erreicht, einen eigenen Wortlaut des griechischen Neuen Testaments zu gestalten. Um seiner Arbeit willen wurde er ein unermüdlicher Reisender und Wanderer, zu all den Bibliotheken und Klöstern, in denen alte Handschriften lagen. Er hat da viele gefährliche Abenteuer erlebt. Unbekümmert und Gott vertrauend hat er wohl auch einige Nächte in der Wüste auf dem Sande geschlafen. Als die Frau eines Freundes monatelang ans Bett gefesselt war, schrieb ihr Gregory, um sie zu erheitern, Tag für Tag einen Brief mit der Beschreibung einer Fußwanderung durch die Wüste, 1906, von El Kantara nach Jerusalem. Diese ‚Wüstenwanderung‘ habe ich dann in der 2. Auflage meines Buches über Gregory aufgenommen. Professor Guthe, der Leipziger Alttestamentler, gab ein eigenes Heft heraus, ‚Zu Fuß in Bibellanden‘, 1912, 44 Seiten, aus Gregorys Nachlaß.“ In: Karl Josef Friedrich, Mein buntes Leben – Erinnerungen eines sächsischen Dichterpfarrers, Notschriften-Verlag, Radebeul 2003 (postum), S. 106 und 108.