Chalchiuhtlicue (auch Chalciuhtlicue, Chalcihuitlicue oder Acuecucyoticihuati) war in der aztekischen Mythologie die Göttin der stehenden Gewässer und der Flüsse. Chalchiuhtlicue bedeutet auf Nahuatl Die mit dem Jaderock.
Chalchiuhtlicue galt als junges, schön gekleidetes Mädchen[1]. Bilder von ihr sind aus zahlreichen mexikanischen Manuskripten bekannt: dem Codex Borgia (Tafel 11 und 650), dem Codex Borbonicus (Seite 5), dem Codex Rios (Seite 17) (gehört zum Codex Telleriano-Remensis) und dem Codex Florentinus (Tafel 11). Gemäß ihrem Namen wurde sie als Skulptur meist in grünlichen Stein gemeißelt. Eine Skulptur[2] zeigt sie kniend mit jugendlichem Antlitz, was durch seitliche Zöpfe betont wird. Amarantsamen an der Kopfbedeckung verweisen auf ihre göttliche Stellung. Auf bildlichen Darstellungen trägt sie einen grünen oder blauen Rock sowie Ketten und Ohrringe mit wertvollen Steinen. Zuweilen strömt Wasser aus ihren Röcken, in dem Neugeborene zu sehen sind oder aber sie wird durch einen Fluss symbolisiert, an dessen Ufer eine mit Kaktusfeigen übersäte Opuntie wächst.
Chalchiuhtlicue galt als Gattin des Regengottes Tlaloc. Mit ihm herrschte sie über Tlalocan, dem Paradies der mittleren Ebene des aztekischen Jenseits, das allen Ertrunkenen offenstand und jenen, die an etwas gestorben waren, das mit Wasser zu tun hatte. In Tlalocan herrschten Überfluss und Freude. Mit Tlaloc hatte Chalchiuhtlicue Tecciztecatl gezeugt, der gemäß dem aztekischen Schöpfungsmythos (Leyenda de los soles) bei der Schaffung der Fünften Sonne wegen seiner Angst vor dem Feuer Nanahuatzin unterlag. Bevor die Fünfte Sonne durch Nanahuatzins Heldentat erschaffen wurde, herrschte Chalchiuhtlicue über das Zeitalter der Vierten Sonne, das in einer Flut unterging, wobei sich die Menschen in Fische verwandelten[3]. Während die Wasser Tlalocs im Grundsatz als segensreich galten, stand Chalchiuhtlicue mehr für seine zwiespältigen Aspekte. So heißt es bei Bernardino de Sahagun:
Neben ihrer Aufgabe als Wassergöttin, war Chalchiuhtlicue auch noch für die Geburten und Frauen im Kindbett zuständig. Daher wandten sich die Priester bei der aztekischen Taufe rituell an die Göttin:
Die aztekische Mythologie setzte Chalchiuhtlicue zuweilen auch mit der tlaxcaltekischen Regengöttin Matlalcueitl gleich.
Im Azteken-Kalender war Chalchiuhtlicue die Trecena vom 1. Schilfrohr bis zur 13. Schlange zugeordnet, gefolgt von der Trecena Tonatiuhs. Davor lag die Trecena Huehuecoyotls. Im Tonalamatl des Codex Borbonicus wird Chalchiuhtlicue der erste Monat, die fünfte Woche, der fünfte Tag, die dritte Tagesstunde und die sechste Nachtstunde unterstellt[6].