Die lokale bzw. chinesische Bezeichnung der Insel Cheung Chau (長洲) bedeutet wörtlich die „Lange Insel“. Aufgrund seiner geografische Form auf der Landkarte gab man ihr im Englischen auch den informellen Bezeichnung Dumbell Island (啞鈴島)[3] – wörtlich „Hantel-Insel“.[4]
Die Insel ist traditionell von Fischerei geprägt. Ähnlich wie die benachbarte Insel Lantau Island war auch Cheung Chau ein Brennpunkt der Piraterie im Südchinesischen Meer. Der bekannteste Pirat war Cheung Po Tsai (張保仔)[5] (1783[6] oder 1786–1822), der bis zu 600 Schiffe mit 50.000 Piraten kommandierte. In der Cheung-Po-Tsai-Höhle (張保仔洞)[7] hat er angeblich seinen Piratenschatz versteckt; sie kann heute besichtigt werden.[8][9]
1912 wurde die örtliche Polizeistation von Piraten überfallen, wobei drei Menschen ums Leben kamen. Ein neues Polizeigebäude wurde 1913 errichtet und wird bis heute genutzt.[11] Ab 1919 kam es zu weitreichenden Änderungen bei der Bevölkerungspolitik, als die Verordnung Cheung Chau (Residence) Ordinance[12] erlassen wurde. Danach durfte der südliche Teil der Insel nur noch mit Zustimmung des Gouverneurs bewohnt werden. Ziel war es, dort Missionare aus Europa und Amerika unterzubringen. Die einheimische Bevölkerung durfte nur noch auf dem Tombolo wohnen, was zu Rassentrennung führte, ähnlich wie es bereits ab 1904 auf dem Victoria Peak der Fall war. Ursprünglich trennten 15 Grenzsteine in Victoria City[13] diese Bereiche ab, davon sind mindestens sechs lokalisiert worden. Auch die Nutzung der Strände wurde geregelt, so war Kwun Yam Beach für Europäer und Tung Wan Beach für Chinesen vorgesehen. Erst 1946 wurde diese Trennung im Lichte des Holocausts aufgehoben.[9][14]
2018 wohnten auf Cheung Chau etwa 21.000 Menschen.[2] Damit hat die Insel die höchste Einwohnerdichte im Islands District.[15]
Weit über die Insel hinaus bekannt ist der Ort für das jährlich stattfindende Cheung Chau Bun Festival. Dabei werden Paraden und andere Umzüge zu Ehren verschiedener Gottheiten durchgeführt. Den Höhepunkt des Fests bildet allerdings ein genannter bun snatching-Wettbewerb (搶包山)[16], bei dem es darum geht, an einem 60 Meter hohen Turm zu klettern und ein möglichst weit oben befestigtes Bun zu bekommen. Der Ursprung des Fests liegt wohl im Ausbruch der Pest während der Qing-Dynastie (1777). Die Bewohner der Insel veranstalteten eine Parade (長洲飄色巡遊)[17] zu Ehren der daoistischen Gottheit Pak Tai (StandardchinesischBeidi), bei der sie mit einer Statue der Gottheit durch die Straßen zogen. Als die Pest tatsächlich eingedämmt werden konnte, errichteten die Bewohner aus Dankbarkeit den Tempel Pak Tai Miu, der sechs Jahre später vollendet wurde.[18][19][20][21]
Neben dem bereits erwähnten Tempel Pak Tai Miu, der zu den ältesten in Hongkong zählt, befinden sich vier Tempel zu Ehren der Himmelsgöttin Tin Hau auf der Insel. 1813 wurde ein Tempel zu Ehren von Hung Shing errichtet.
Am südlichen Ende des Tombolos ⊙22.2079114.032663 wurden 1970 vom Geologen C.J. Peng Felsritzungen entdeckt, deren Alter auf bis zu 3.500 Jahre geschätzt wird. Sie lassen sich in drei Serien einteilen und zeigen runde geometrische Figuren zusammen mit Tiermasken-Zeichnungen.[22] Sie sind seit dem 22. Januar 1982 als Kulturdenkmal geschützt.[23]
Die Insel selbst ist abgesehen von Einsatzfahrzeugen autofrei. Es gibt zwei Anlegestellen, von denen aus Fährverbindungen nach Central und Aberdeen sowie nach Lantau Island und Peng Chau bestehen. Auf der Strecke ins etwa 20 km entfernte Central verkehren die von First Ferry betriebenen Fähren etwa halbstündlich und benötigen etwa eine Stunde bzw. 40 Minuten (Express-Fähre).[24] Die Inter-Islands-Fähre nach Peng Chau macht auf Lantau Island zwei Zwischenstopps (in Chi Ma Wan und Mui Wo) und verkehrt ebenfalls tagsüber regelmäßig.[25] Der Verkehr nach Aberdeen wird von Maris Ferry etwa im Zwei-Stunden-Takt (am Wochenende stündlich) betrieben.[26] Auch hier beträgt die Reisezeit etwa eine Stunde. Im Binnenverkehr gibt es eine Sampan-Fähre („Wassertaxi“) zwischen der Hauptanlegestelle und Sai Wan im Südwesten der Insel, die etwa alle 20 Minuten fährt und zehn Minuten benötigt.[27]
Auf der kleinen Insel leben verschiedene lokale Persönlichkeiten wie beispielsweise der Schauspieler Roger Kwok (郭晉安; * 1964), die Schauspielerin und Sängerin Kathy Chow (周海媚; * 1966).
Der deutsch-amerikanischer Fotograf Michael Wolf lebte und starb auf der Insel.[28]
↑Hong Kong Geographic Data Sheet. (PDF; 1,5 MB) In: landsd.gov.hk. Hong Kong Lands Department, Februar 2020, abgerufen am 9. Dezember 2018 (chinesisch, englisch).
↑Dumbell Island (chinesisch啞鈴島 / 哑铃岛, PinyinYǎlíng Dǎo, JyutpingAa2ling4 Dou2 – „Hantel-Insel“), informelle Bezeichnung, insbesondere im Englischen.
↑Cheung Chau (長洲). In: hkoutdoors.com. Hong Kong Outdoors, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. April 2021; abgerufen am 17. Oktober 2020 (englisch).
↑Seeräuber Cheung Po Tsai (張保仔 / 张保仔, Zhāng Bǎozǎi, Chang Pao Tsai, JyutpingZoeng1 bou2 zai2, englischCheung Po ‚The Kid‘; 1783 oder 1786–1822)
↑Sally Gao: Cheung Po Tsai, Hong Kong’s Most Famous Pirate. In: theculturetrip.com. The Culture Trip, 17. Februar 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Oktober 2016; abgerufen am 9. Dezember 2018 (englisch).
↑Cheung Po Tsai-Höhle (張保仔洞 / 张保仔洞, Zhāng Bǎozǎi Dòng, Chang Pao Tsai Tung, JyutpingZoeng1 bou2 zai2 Dung6, englischCheung Po Tsai Cave)
↑Stewart Lockhart: Extracts from a Report by Mr. Stewart Lockhart on the Extension of the Colony of Hongkong (= The Hongkong Government Gazette). Hong Kong 8. April 1899, S.536–563, hier: S. 541 (englisch, hku.hk [PDF; 3,1MB; abgerufen am 9. Dezember 2018]).
↑1) History – The First Century. (PDF; 157 kB) In: police.gov.hk. The Police of Hong Kong, S. 1, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Oktober 2019; abgerufen am 7. August 2021 (englisch).
↑Cheung Chau (Residence) Ordinance, 1919. In: oelawhk.lib.hku.hk. Historical Laws of Hong Kong Online, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. April 2019; abgerufen am 7. August 2021 (englisch, Text der Verordnung).
↑L2 Cheung Chau. In: cedd.gov.hk. Civil Engineering and Development Department, abgerufen am 17. Oktober 2020 (chinesisch, englisch).
↑Bun Snatching (kant.搶包山 / 搶包山, qiǎngbāoshān, Jyutpingcoeng2baau1saan1 – „dem Baozi-Berg plündern, dem Baozi-Berg etwas entreißen“)
↑Heute als daoistische bzw. volkstümliche „Piu Sik Parade von Cheung Chau“ (長洲飄色巡遊 / 长洲飘色巡游, Chángzhōu Piāosè Xúnyóu, JyutpingCoeng4zau1 Piu1sik1 Ceon4jau4, englischCheung Chau Piu Sik Parade) in Hongkong bekannt.
↑Cheung Chau Piu Sik Parade. In: digital.lib.hkbu.edu.hk. Hong Kong Education Bureau – 香港教育局, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Mai 2021; abgerufen am 17. Oktober 2020 (chinesisch, englisch).
↑History Of Cheung Chau. In: cheung-chau.com. Fastfact Guide Cheung Chau, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Oktober 2020; abgerufen am 7. August 2021 (englisch).
↑Solomon Bard: In Search Of The Past: A Guide To The Antiquities Of Hong Kong. Urban Council, Hong Kong 1988, S.52.
↑Cheung Chau. In: hongkongextras.com. Hong Kong Extras – essential information for visitors to Hong Kong, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Mai 2021; abgerufen am 4. Dezember 2020 (englisch).