Corporate Social Responsibility (CSR) oder gesellschaftliche Unternehmensverantwortung, auch Unternehmerische Sozialverantwortung, bezeichnet die Integration von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren in die Unternehmenstätigkeit auf freiwilliger und manchmal auch rechtlicher Basis. Die Aktivitäten der Unternehmen werden hier im weitesten Sinne verstanden: wirtschaftliche Aktivitäten, interne Interaktionen (Arbeitnehmer, Manager, Aktionäre) und externe Interaktionen (Lieferanten, Kunden etc.).
Die CSR entwickelte sich ursprünglich aus Forderungen der Zivilgesellschaft (religiöse, ökologische, humanitäre Gruppen und Verbände) nach einer besseren Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit, die sich insbesondere aus den seit den 1970er Jahren auftretenden globalen Umweltproblemen ergaben. Die CSR wird in Europa häufig als die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Unternehmen verstanden, die die drei Säulen Umwelt, Soziales und Wirtschaft umfasst. Diese Verknüpfung wurde durch die Teilnahme multinationaler Unternehmen am Erdgipfel von Rio 1992 und am Weltgipfel von Johannesburg 2002 verdeutlicht.
CSR und nachhaltige Entwicklung sind Gegenstand zahlreicher Debatten.
Die Corporate Social Responsibility wird zunächst in Bezug auf den Begriff der Verantwortung definiert.[1] Sie besteht also sowohl in der „Pflicht, über seine Handlungen Rechenschaft abzulegen“ (es geht um Berichterstattung, Audits usw.) als auch „die Konsequenzen zu tragen“ (es geht um Wiedergutmachungs- und Präventionsmaßnahmen).[2]
Diese Definition ist jedoch erst dann wirksam, wenn geklärt ist:
Daher kommt die Bedeutung, die die Norm ISO26000 (in Anlehnung an die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) der Stellung der Stakeholder in der Unternehmensführung und dem „Dialog“ mit den Stakeholdern beimisst, mit denen sich die CSR-Pflicht eines jeden Unternehmens – je nach Fall auf kooperative oder konfliktträchtige Weise – herausbildet.
Folglich ist der für CSR-Maßnahmen geforderte oftmals „freiwillige“ Charakter nur im Gegensatz zu regulatorischen Anforderungen zu verstehen: In der Praxis investiert ein Unternehmen auch häufig unter wirtschaftlichem Zwang (z. B. durch seine Kunden oder Auftraggeber) in die Verbesserung seiner CSR.
Im europäischen Raum hat sich die im Grünbuch der Europäischen Kommission verankerte CSR-Definition als gemeinsames Verständnis etabliert:[3]
„Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“
Die Definition der Europäischen Kommission nennt soziale Belange und Umweltbelange als zwei zentrale Punkte für CSR. Erweitert man diese um die ökonomischen Belange, erhält man die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (vgl. auch Drei-Säulen-Modell).[4] In einem neueren Dokument (COM(2011) 681 final) wird die CSR-Definition etwas verkürzt:[5]
„die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“
und soll nun mit internationalen Definitionen besser übereinstimmen.
Sozial verantwortlich zu handeln bedeutet nicht nur, die geltenden rechtlichen Verpflichtungen vollständig zu erfüllen, sondern auch darüber hinauszugehen und „mehr“ in Humankapital, Umwelt und die Beziehungen zu den Stakeholdern zu investieren ;
Die soziale Verantwortung der Unternehmen sollte jedoch nicht als Ersatz für die Regulierung oder Gesetzgebung in Bezug auf soziale Rechte oder Umweltstandards gesehen werden, einschließlich der Entwicklung geeigneter neuer Gesetze.[1] Auch wenn die soziale Verantwortung der Unternehmen hauptsächlich von großen oder multinationalen Unternehmen gefördert wird, ist sie für alle Arten von Unternehmen und alle Wirtschaftszweige von Bedeutung, von KMU bis hin zu multinationalen Unternehmen.[2] Eine Reihe von Unternehmen, die gute Ergebnisse im sozialen Bereich oder im Umweltschutz erzielen, deuten darauf hin, dass diese Aktivitäten zu einer besseren Leistung führen und mehr Gewinne und Wachstum generieren können. Finanzinstitute greifen zunehmend auf soziale und ökologische Kriterien zurück, um das Kredit- oder Investitionsrisiko gegenüber Unternehmen zu bewerten.[6]
Im modernen Verständnis wird CSR zunehmend als ein ganzheitliches, alle Nachhaltigkeitsdimensionen integrierendes Unternehmenskonzept aufgefasst, das alle „sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (Compliance) hinausgehen“, beinhaltet.[7][8]
Vor allem im angloamerikanischen Sprachgebrauch, zunehmend aber auch im deutschsprachigen Raum, werden in der Diskussion um die Rolle und die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft auch verwandte Begriffe wie Corporate Responsibility oder Corporate Citizenship (CC) verwendet.[9]
Während die Begriffe CSR und Corporate Citizenship in der unternehmerischen Praxis oftmals als Synonym verwendet werden, hat sich in der deutschsprachigen Literatur eine klare Position zum Verhältnis der beiden Konzepte herausgebildet: Corporate Citizenship (CC) stellt demnach nur einen Teil der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen dar und bezeichnet das über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement von Unternehmen zur Lösung sozialer Probleme im lokalen Umfeld des Unternehmens. Somit reduziert sich CC im Wesentlichen auf Sponsoring, Spenden und Stiftungen.[10]
Marketinginstrumente und -maßnahmen, die das Ziel haben, CSR auszudrücken, werden auch Corporate Social Initiatives (CSI) genannt.[11]
Environment, Social and Governance (ESG) bezeichnet eine Reihe von Bewertungsmaßstäben für CSR-Aktivitäten in den drei Kernbereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Die Maßstäbe können von Kapitalgebern oder Stakeholdern genutzt werden, um die CSR-Konformität der Unternehmen zu bewerten.[12]
Die Frage sozialer Verantwortung von Unternehmen ist eng mit der Religion im Allgemeinen und der protestantischen Religion im Besonderen verbunden. Max Weber zeigt auf, wie die protestantische Religion eine strukturierende Rolle bei der Entwicklung des Kapitalismus gespielt hat.[13] Der Begriff der sozialen Unternehmensverantwortung (CSR) ist dabei ein wichtiger Bestandteil des Kapitalismus.[14][15]
Man geht davon aus, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen ihre Wurzeln unter anderem auch im utopischen Sozialismus des deistischen Briten Robert Owen hat, der als Gründervater der Genossenschaftsbewegung und des britischen Sozialismus bekannt ist.[16] Owen gründete zwischen 1820 und 1860 Genossenschaften auf beiden Seiten des Atlantiks. Der amerikanische Geschäftsmann Francis Cabot Lowell und seine Partner gründeten in Waltham bei Boston die Boston Manufacturing Company, eine Spinnerei, die als Geburtsstätte der amerikanischen industriellen Revolution gilt. Lowell setzte dabei einen sozialen Ansatz um, der sich an Owens Genossenschaftsmodell orientierte, und entwickelte ein neues Industriesystem, ohne dabei ein Proletariat im europäischen Wortsinn zu schaffen.[17][16]
Einer der wichtigsten amerikanischen Vertreter des Paternalismus, Samuel D. Warren, setzte im 19. Jhd. in seinem Unternehmen, der S.D. Warren Company, einem damals führenden Unternehmen in der Papierindustrie, ein paternalistisches Management durch, das Gewerkschaften in einem stark gewerkschaftlich organisierten Sektor ablehnte. Er propagierte stattdessen ein System des Gebens und Nehmens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in dem wirtschaftliche Sicherheit und sozialer Schutz im Gegenzug für Loyalität und den Verzicht auf jede Form von gewerkschaftlicher Aktivität gewährleistet wurden. Dieses Modell bestand bis in die späten 1960er.[18]
Die soziale Verantwortung ist ein Thema, mit dem sich Führungskräfte in den USA seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Rahmen philanthropischer Aktivitäten auseinandersetzen. Einer der Hauptvertreter dieser Bewegung war Andrew Carnegie, der in Das Evangelium des Reichtums, die Verantwortung reicher Geschäftsleute untersuchte und argumentierte, dass reiche Unternehmer ein bescheidenes Leben führen und jeglicher überschüssiger Reichtum der Gesellschaft zugeführt werden sollte.[19]
Unter den Protestanten entwickelten sich neue Ideen über die Beziehung zwischen Unternehmen und Gesellschaft. Diese Theorien gingen davon aus, dass Eigentum kein absolutes Recht ist und nur in dem Sinne gerechtfertigt werden kann, insofern privates Kapital das Wohlergehen der gesamten Gemeinschaft steigert. Wichtige Vertreter dieser Theorien waren Chester Barnard, Henry Ford, Alfred P. Sloan, Thomas Edison und Charles Coffin.[20]
Die Katholische Religion wiederum nahm mit Leo XIII. und der Enzyklika Rerum novarum (1891) Stellung: Reiche und Arbeitgeber dürfen Arbeiter keinesfalls wie Sklaven behandeln; es ist wichtig, ihre Würde zu achten. Pius XI. nahm diese Frage in der Enzyklika Quadragesimo anno (1931) wieder auf. Johannes Paul II. begann in seiner Enzyklika Centesimus annus (1991) das Thema Ökologie anzusprechen, da er der Ansicht war, dass der Mensch die Ressourcen des Planeten in übermäßiger und planloser Weise verbraucht.[21]
In den Vereinigten Staaten, wo die Religion eine weitaus größere Rolle spielt als in Europa, entwickelten sich mit der sozialen Verantwortung der Unternehmen (corporate social responsibility) auch andere Formen wie das sozialverantwortliche Investieren (SRI), das ursprünglich von verschiedenen religiösen Konfessionen wie den Quäkern getragen wurde.[22]
Der explizite Begriff der Corporate Social Responsibility taucht in den 1950er und 1960er Jahren in der englischsprachigen Unternehmensliteratur mit Howard Bowens Social Responsibilities of the Businessman‚ (1953) und George Goyders The Responsible Company (1961) auf.[23] Diese Ansätze wurden von diversen Forschern theoretisch weiterentwickelt (siehe insbesondere die Arbeiten der Schule von Montréal und Arbeiten, die sich auf die Regulationstheorie beziehen).
Ab Ende der 1950er Jahre hielt die soziale Verantwortung von Unternehmen Einzug in die akademische Welt der USA. Im Folgenden einige Schlüsseldaten :[24]
Seit Anfang der 1960er Jahre wurden an den größten Universitäten und Business Schools die ersten Kurse eingerichtet, die sich mit der Beziehung zwischen Unternehmen und Gesellschaft befassten, und bis 1974 boten diese Einrichtungen in den USA 660 Kurse für über 65.000 Studierenden an.[24]
1984 definierte R. Edward Freeman den Begriff des Stakeholders, der eine zentrale Rolle in der sozialen Verantwortung von Unternehmen spielen wird: „Ein Stakeholder in der Organisation ist (per Definition) jede Gruppe von Individuen oder jedes Individuum, das sich auf die Erreichung der Organisationsziele auswirken kann oder davon betroffen ist".[25] Das Wort Stakeholder ist ein Neologismus, der sowohl mit dem Begriff Stockholder (Bezeichnung für den Aktionär) als auch mit dem Begriff Shareholder (Bezeichnung für diejenigen, die am Gewinnen teilhaben, einschließlich der Aktionäre) spielt und mit dem Ziel konstruiert wurde, das Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit zu schärfen und über die von den Aktionären geforderte bloße wirtschaftliche Rentabilität hinaus zu handeln.
1997 veröffentlichten Mitchell, Agle und Wood eine einflussreiche Arbeit, in der sie :[26]
Diese Typologie ermöglicht eine Analyse der Stakeholder nach dem so genannten Mitchell-Raster.[27]
Auf dem Erdgipfel in Rio 1992 werden neben offiziellen politischen Vertretern und NGOs rund 50 multinationale Unternehmen eingeladen, die der Schweizer Geschäftsmann Stephan Schmidheiny im BCSD-Konsortium (Business Council for Sustainable Development) zusammengefasste. Der Kreis erweitert sich 1995 zum WBCSD (World Business Council for Sustainable Development ).
Parallel dazu prägte der Berater John Elkington, Leiter der Beratungsfirma SustainAbility, den Begriff der Triple Bottom Line, um die Integration der drei sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung in die CSR-Maßnahmen der Unternehmen auszudrücken.[28] Diese werden zunehmend in die Steuerungsinstrumente der großen Konzerne integriert.[29]
CSR ist die Antwort von Unternehmen auf eine Reihe von globalen Herausforderungen, die sich heute präsentieren:[30]
In diesem Zusammenhang implementieren Unternehmen im Rahmen des CSR-Managements folgende Instrumente:[30]
Der CSR-Ansatz kann unter anderem die Umsetzung neuer Vorschriften ermöglichen, unabhängig davon, ob es sich um ein großes, mittleres oder kleines Unternehmen in den Industrieländern oder in den Entwicklungsländern handelt. Die Vorteile liegen in einer besseren „Kontextualisierung“ der wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen, einer besseren Strukturierung der Beziehungen zu den Stakeholdern und theoretisch einer besseren Unternehmensführung. Jedes Unternehmen passt diesen Ansatz an seinem eigenen Rhythmus und seiner eigenen Kultur an.[32]
Bis in die 1990er Jahre liefen die Begriffe CSR und nachhaltige Entwicklung getrennt und parallel zueinander; der eine wurde ab den 1960er Jahren hauptsächlich von amerikanischen Akademikern (Business Ethics) und Pionierunternehmen (die sich in der Vereinigung Business Social Responsibility zusammengeschlossen haben) propagiert; die andere entstand in wissenschaftlichen Kreisen der International Union for Conservation of Nature (IUCN) ebenfalls in den 1960er Jahren und stützte sich auf die Ideen einiger heterodoxer Ökonomen der damaligen Zeit (insbesondere Ignacy Sachs und dessen Konzept der Öko-Entwicklung), welche 1987 durch den Brundtland-Bericht populär wurden.
Im Jahr 1992 wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro weltweit anerkannt.[33]
Im Zeitraum 1987-1997 wird der Prozess der Institutionalisierung der Verbindung zwischen CSR und nachhaltiger Entwicklung von „institutionellen Unternehmern“ vorangetrieben: Stephan Schmidheiny mit dem WBCSD und John Elkington mit SustainAbility bringen die Verbindung zwischen CSR und nachhaltiger Entwicklung zum Vorschein.[28] In dieser Zeit werden die entscheidenden Weichen gestellt: Debatten und Einfluss auf internationale Organisationen, Theoretisierung auf der einen Seite, Vorschlag von konkreten Instrumenten auf der anderen Seite. In den letzten Jahren hat sich die CSR-Initiative zu einem der wichtigsten Instrumente entwickelt, die die internationale Gemeinschaft in die Lage versetzen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Stephan Schmidheiny, ein schweizer Geschäftsmann, der einen großen, diversifizierten Konzern leitete, verfolgte seit den 1980er Jahren eine auf Philanthropie basierende CSR-Unternehmenspolitik. Auf internationalen Konferenzen lernte er den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan kennen, der ihm die Verantwortung für die Zusammenstellung einer „Industrie“-Gruppe für den Rio-Gipfel 1992 übertrug. Im Business Council for Sustainable Development (BCSD) vereinte er 50 große multinationale Unternehmen aus Europa, Japan und Nordamerika, um die globale Wirtschaft auf diesem Gipfel zu vertreten.
S. Schmidheiny und BCSD hatten auf der Rio-Konferenz einen bedeutenden Einfluss; so wurden beispielsweise in Artikel 30 der Agenda 21 die Erfolgsrezepte einiger großer Pionierunternehmen, hervorgehoben, um ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu demonstrieren. Die BCSD und S. Schmidheiny formulierten anschließend die Grundlagen der modernen CSR in einem Buch dar: Changing Course: a global business perspective on development and the environment (1992).[34] Der BCSD wird 1995 zum WBCSD (World Business Council for Sustainable Development) erweitert.
John Elkington prägte 1994 das Modell der Triple Bottom Line, das direkt aus dem Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung entwickelt wurde in einem Artikel Toward the sustainable corporation: Win-Win-Win Business Strategies for Sustainable Development.[35] In seinem Ansatz wurde er stark vom World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) beeinflusst.
1997 entwickelte er das Konzept der Triple Bottom Line in seinem Buch Cannibals with forks: the triple bottom line 21st century, in dem er die Notwendigkeit bekräftigte, die Ergebnisse von Unternehmen anhand von drei Kriterien zu bewerten: Wirtschaft, Umwelt und Soziales.[36] Die Integration der drei Dimensionen Soziales, Ökologie und Ökonomie, die bereits dem Brundtland-Bericht zugrunde lagen, wurde auch als 3P „People, Planet, Profit“ (3P; People für Soziales, Planet für Umwelt, Profit für Wirtschaft) in den Titel des ersten Nachhaltigkeitsberichts von Shell übersetzt.[37]
Ab 2001-2002 wurde die CSR in Europa als die Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung durch die Unternehmen definiert; sämtliche modernen Steuerungsinstrumente werden anhand der „Triple Bottom Line“ strukturiert.[38]
Der Begriff der sozialen Verantwortung von Unternehmen ist in erster Linie ein Begriff des Soft-Law, der also zunächst keine direkte rechtliche Haftung des Unternehmens als juristische Person begründen kann. Die Rechtswissenschaft stellt jedoch fest, dass die Verbindlichkeit von CSR als Dachkonzept auch im Sinne des harten Rechts auftreten kann, wenn CSR auf einer rechtlichen Verpflichtung beruht, die sich aus dem Vertragsrecht oder Gesetzen ergibt.[39] In der europäischen Union hat die CSR Eingang in verschiedene Rechtsakte genommen, etwa kürzlich im Rahmen der CSRD von 2022.[40]
Die CSR entwickelte sich lange durch zwischenstaatliche und regionale Organisationen auf globaler Ebene. Sie schlägt sich in Grundsatzerklärungen, Empfehlungen und freiwilligen Standards nieder.
Seit den 1980er Jahren wurden die Begriffe des nachhaltigen Banking, des fairen Handels und der nachhaltigen Entwicklung vor allem von NGOs in die politische Debatte eingebracht. Diese wandten sich auch an Universitäten und Forschungszentren, um Studien zur Entwicklung von Instrumenten zur Ermittlung des Verantwortungsgrades von Unternehmen zu entwickeln.[20] In den letzten Jahren hat sich die Politik darauf konzentriert, die internationalen Abkommen und Leitlinien in europäisches und deutsches Recht zu überführen.
Die OECD-Leitsätze sind ein Vorläufer der CSR, die erstmals 1976 verfasst wurden. Sie wurden 1979, 1982, 1984, 1991, 2000 und 2011 überarbeitet und sind Empfehlungen und Leitlinien, die Regierungen an multinationale Unternehmen richten. Sie haben keinen bindenden Status.[41]
Der Global Compact (deutsch: globaler Pakt) wurde im Januar 2000 auf dem Weltwirtschaftsforum von UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen. Der Compact ist ein Verhaltenskodex mit zehn Grundsätzen, zu deren Einhaltung sich die beteiligten Unternehmen verpflichten. Dabei beziehen sich zwei dieser Grundsätze auf Menschenrechte, vier auf Arbeitsnormen, drei auf die Umwelt und der letzte auf die Korruptionsbekämpfung.[42]
Die Principles for Responsible Investment, PRI, (deutsch: Prinzipien für verantwortliches Investieren) wurden im April 2006 von Kofi Annan in New York ins Leben gerufen.[43] Die Prinzipien für verantwortliches Investieren sollen Versicherungsgesellschaften und andere institutionelle Anleger dazu bewegen, beim Asset-Management (Aktien und Anleihen) Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) zu berücksichtigen.
Die Äquatorprinzipien, wurden im Juni 2003 eingeführt und 2006 und 2013 überarbeitet. Sie betreffen die Finanzierung von Entwicklungsprojekten (Industrie- oder Infrastrukturprojekte). Sie stellen einen Bezugsrahmen dar, um die mit diesen Projekten verbundenen ökologischen und sozialen Risiken zu identifizieren, zu bewerten und zu managen.
Die Europäische Kommission setzt sich seit ihrem ersten Grünbuch im Jahr 2001 für eine proaktive Politik im Bereich CSR (Corporate Social Responsibility) ein. Dies wurde gefolgt von einer Mitteilung im Jahr 2002, die 2006 erneuert wurde. Der proaktive und integrative Ansatz zwischen allen Interessengruppen wird mit der Einrichtung eines speziellen Forums zwischen 2002 und 2004 und anschließend eines „Bündnisses“ gefördert. Die KMU wurden dabei ebenfalls einbezogen und zu vollwertigen Akteuren, da sie im europäischen Wirtschaftsgefüge der Mitgliedstaaten allgegenwärtig sind. Ihnen wurde ein eigenes Programm gewidmet.
Der EU-Gipfel von Göteborg legte am 15. und 16. Juni 2001 die europäische Strategie für nachhaltige Entwicklung im Rahmen der Lissabon-Strategie fest.[44] Die Strategie besagt, dass alle politischen Maßnahmen der europäischen Union nunmehr unter Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung als Zielvorgabe entwickelt werden müssen. Die Strategie wurde auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2011 in Brüssel überarbeitet.[45]
In den Jahren 2011 bis 2014 wurde im Rahmen der Umsetzung der Corporate Social Responsibility (CSR)-Strategie 2011–2014[46] der Europäischen Kommission aufgezeigt, was erreicht wurde und was in der Zukunft noch zur Umsetzung bzw. darüber hinaus getan werden muss. Dabei wird auch die Funktion und Rolle der Europäischen Kommission bei der Umsetzung und Unterstützung aufgezeigt. Hierzu gibt es auch eine von der Europäischen Kommission gestartete öffentliche Konsultation[47] mit dem Thema The European Commission’s strategy on CSR 2011–2014: achievements, shortcomings and future challenges, die bis zum 15. August 2014 Unionsbürger zur Diskussion und zu Beiträgen einlud. Diese CSR-Strategie soll der verstärkten Umsetzung der Grundsätze der sozialen Verantwortung von Unternehmen in der Europäischen Union dienen. Die Konsultation umfasst acht Bereiche. Die Ergebnisse der Konsultation werden von der Europäischen Kommission in einem Bericht zusammengestellt. Diese Ergebnissen und die eines „Multi-Stakeholder Forums“[48] werden bis November 2014 ausgewertet und sodann die Grundlage für die CSR-Politik der Europäischen Kommission nach 2014 bilden. Die Europäische Kommission hat am 16. April 2013 einen Vorschlag für eine Richtlinie[49] vorgelegt. Dadurch sollen ab 2017 Unternehmen von öffentlichem Interesse verpflichtet werden, ihre Corporate Social Responsibility (CSR)-Konzepte weitgehend offenzulegen. Der Ministerrat billigte am 29. September 2014 einen Kompromisstext zum Richtlinienvorschlag COM(2013) 207 vom 16. April 2013.
Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union haben am 22. Oktober 2014 die Richtlinie 2014/95/EU[50] erlassen. Sie richtet sich an alle Mitgliedstaaten und fordert dazu auf, ihre Regelungen bis zum 6. Dezember 2016 in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland erfolgte die Umsetzung verspätet mit dem am 19. April 2017 in Kraft getretenen CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz.[51]
Die Europäische Union hat darüber hinaus eine Reihe von weiteren Richtlinien und Verordnungen mit CSR-Bezug verabschiedet, darunter:
Das aus den USA stammende B Corp-Zertifikat bietet ein CSR-Selbstbewertungsraster (das aus mehreren vordefinierten Rastern je nach Branche, Größe der Organisation und geografischem Gebiet ausgewählt wird). Die Führungskraft oder ihr Vertreter bewertet den CSR-Fortschritt der Organisation anhand verschiedener Kriterien selbst.
Daneben existieren auch andere Labels, die sich stärker auf lediglich einen Aspekt der CSR spezialisiert haben :
CSR-Aktivitäten lassen sich auf verschiedene Weisen strukturieren. Eine mögliche Zuordnung erfolgt nach Hiß über die verschiedenen Verantwortungsbereiche eines Unternehmens.[59][60]
Der innere Verantwortungsbereich beschreibt die Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber dem Markt (Wirtschaftlichkeit) sowie gegenüber dem Gesetz. Dieser Bereich lässt sich nur dann der CSR zuordnen, wenn auch hier eine Freiwilligkeit besteht. Diese liegt beispielsweise vor, wenn Gesetze strikt eingehalten werden, obwohl diese in einem Produktionsland üblicherweise nicht durchgesetzt werden, oder wenn Standortwechsel leicht möglich wären. In diesen Verantwortungsbereich fällt auch die Gewinnerzielung des Unternehmens. In der öffentlichen Diskussion wird vielfach die Meinung vertreten, CSR impliziere den generellen Verzicht auf unternehmerische Gewinne. Dem ist entgegenzusetzen, dass Unternehmen sich im Wettbewerb nicht leisten können, im Namen von CSR generell auf Gewinne zu verzichten und damit Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen. Es existieren natürlich Mittel der Gewinnerzielung, die mit CSR nicht vereinbar sind (etwa Vernachlässigung von Sicherheitsstandards, die Ausbeutung von Mitarbeitern oder Verletzung von Menschenrechten). Entsprechend ist die Frage nach dem Verhältnis von CSR und Gewinnerzielung differenziert zu betrachten. Zunächst einmal ist festzustellen, dass unternehmerische Gewinnerzielung im marktwirtschaftlichen System notwendig und auch gesellschaftlich erwünscht ist.[61] Allerdings ist zwischen verantwortlicher und unverantwortlicher Gewinnerzielung zu unterscheiden. Unternehmen haben die Verantwortung, auf kurzfristige Gewinnerzielung zulasten von Dritten zu verzichten.[62] Ein solcher Verzicht liegt im aufgeklärten Eigeninteresse von Unternehmen, da sich hierdurch bestimmte Vermögenswerte (etwa Integrität oder Glaubwürdigkeit) aufbauen lassen, die für die unternehmerische Kooperationsfähigkeit und die gesellschaftliche Akzeptanz („Licence to operate“) bedeutsam sind. Hier zeigt sich, dass es sich bei einem derartigen Verzicht auf kurzfristige Gewinnerzielung zulasten Dritter um eine Investition in die Bedingungen des langfristigen unternehmerischen Erfolgs handelt. So erfordert CSR einerseits Investitionen, zieht jedoch auf der anderen Seite ökonomische Erfolgswirkungen (Steigerung der finanziellen Performance, Kostensenkung) sowie nicht-ökonomische Erfolgswirkungen (Aufbau einer positiven Reputation, Risikovermeidung, Produkt- und Prozessinnovationen) nach sich.[63]
Der mittlere Verantwortungsbereich umfasst die Wertschöpfungskette des Unternehmens. Selbstverpflichtungen in Bezug auf die Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards, aber auch ein Lieferkettenmanagement (Supply-Chain-Management) fallen in diesen Bereich. Dabei erscheint der Stakeholderdialog für erfolgreiche CSR unerlässlich. Stakeholder sind Personen oder Institutionen, die ein berechtigtes Interesse an den Aktivitäten eines Unternehmens haben, oder von dessen Handlungen betroffen sind. Wichtige Stakeholder sind Eigen- und Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, Kunden und Lieferanten, Anwohner, Verbraucher- und Umweltschutzverbände, Regierungsorganisationen, Medien oder allgemein die Öffentlichkeit.
Im Rahmen von CSR ist der Dialog mit den Stakeholdern deshalb so wichtig, da sie diejenigen sind, auf die sich die unternehmerische Verantwortung beziehen muss. Insbesondere bei größeren, börsennotierten Unternehmen ist CSR mittlerweile eine wichtige Voraussetzung für gute Rating-Ergebnisse und den Zugang zu bestimmten Fonds bzw. Kapitalmarktsegmenten.
Auf dieser Ebene sind alle Aktivitäten angesiedelt, die durch die beiden zuvor genannten Verantwortungsbereiche nicht abgedeckt sind. Hierzu gehören die vielbeachteten Aspekte von CSR wie Spenden (Corporate Giving), Sponsoring oder das Freistellen von Mitarbeitern für soziale Aktivitäten (Corporate Volunteering). Der äußere Verantwortungsbereich entspricht dem Verständnis von Corporate Citizenship.
Archie B. Carroll teilt gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in vier Ebenen:[64]
Die ersten beiden Ebenen muss ein Unternehmen, abgesehen von Ausnahmefällen, einhalten, um bestehen zu können (gesellschaftlich gefordert). Die dritte Ebene des sittlichen Handelns ist notwendig, um gesellschaftlich akzeptiert zu sein, sie ist jedoch nicht zwingend erforderlich (gesellschaftlich erwartet). Die vierte Ebene ist rein freiwillig, jedoch gesellschaftlich gewünscht.[65] CSR umfasst prinzipiell alle vier Stufen. Die Vier-Stufen-Pyramide differenziert jedoch nicht nach ökologischen oder sozialen Aspekten, darüber hinaus besteht die Problematik, eine gemeinsame Erwartungshaltung aus einer modernen Gesellschaft ableiten zu können.
Quazi und O’Brien charakterisieren vier Sichtweisen von CSR, die in einem zweidimensionalen Diagramm aufgetragen werden (siehe Abbildung). Näherungsweise stimmig sind folgende Aussagen:
Ein weiteres Modell stammt von Archie B. Carroll und Mark S. Schwartz.[66] Hierbei wird CSR in drei Kernbereiche unterteilt: Die ökonomische, die ethische und die legale Verantwortung. Diese Kernbereiche bilden miteinander Schnittmengen, sodass sich sieben mögliche Kategorien von CSR ergeben (siehe Abbildung). Die ökologische Dimension wird in dieser Darstellung in die ethische eingeordnet.
Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (verbesserte Informations- und Kommunikationstechnologie, wachsende Anzahl von kritischen Nichtregierungsorganisationen und sich damit möglicherweise wandelnde Einstellungen bei Verbrauchern und Öffentlichkeit) setzen sich Unternehmen zunehmend mit CSR auseinander. Andernfalls würden sie Gefahr laufen die benötigte „Handlungsvollmacht“ der Gesellschaft zu verlieren.[67] Als Reaktion auf die Problematik wächst die Anzahl spezialisierter Beratungsagenturen und CSR-Abteilungen. Während gemeinnützige Aktivitäten früher oft eher von den Neigungen des Führungspersonals abhingen, sind sie heute verstärkt Gegenstand strategischer Planung und werden enger mit anderen Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt.[68]
Entsprechende Konzepte sind:
Um gleichzeitig die Motivation der Beschäftigten zu fördern, werden CSR-Programme bevorzugt an den Standorten des jeweiligen Unternehmens durchgeführt.[68]
Nach fünfjährigem Prozess wurde im September 2010 die ISO-Norm 26000 „Guidance on Social Responsibility“ verabschiedet. Die nicht zertifizierungsfähige Norm stellt eine Leitlinie dar, um das Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung zu schärfen und eine einheitliche Terminologie zu fördern. Der Leitfaden bindet bereits vorhandene Ansätze für ökologische und soziale Verantwortung (ILO-Kernarbeitsnormen, GRI (Global Reporting Initiative), Global Compact etc.) ein und enthält viele Beispiele guter CSR-Praxis (Best Practices).[72]
Vorfälle wie der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik (2013), der mehr als 1000 Menschenleben gefordert hat, in der Textilbranche haben die Rolle der Lieferkette (supply chain) statt lediglich eines einzelnen Unternehmens als Gestaltungsobjekt von CSR stärker in den Vordergrund gestellt. Ansätze des Supply-Chain-Managements werden somit vermehrt zur Stärkung von CSR eingesetzt. Wieland und Handfield (2013) schlagen hierfür drei Maßnahmenkomplexe vor, um CSR entlang der Lieferkette sicherzustellen. So muss eine Auditierung von Produkten und Lieferanten stattfinden, diese Auditierung muss jedoch auch Lieferanten von Lieferanten mit einbeziehen. Zudem muss die Transparenz entlang der gesamten Lieferkette erhöht werden, wobei smarte Technologien neue Potenziale bieten. Schließlich lässt sich CSR durch Kooperationen mit lokalen Partnern, mit anderen Unternehmen der Branche sowie mit Hochschulen verbessern.[73]
Laut dem Consortium Report der Performance Group aus dem Jahr 1999 führen Maßnahmen zur gesellschaftlichen Verantwortung zu Vorteilen, die den Wert für die Aktionäre steigern. Diese Vorteile lassen sich in sechs Effekte unterteilen:[74]
Corporate Social Responsibility ist auch Kritik ausgesetzt. Diese beruht im Wesentlichen auf der Tatsache, dass Unternehmen (insbesondere börsennotierte Unternehmen) nach den Kriterien der Profitmaximierung wirtschaften und dabei für sie soziale oder ökologische Gesichtspunkte keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Viele Unternehmen würden Corporate Social Responsibility daher nur aus ökonomischen Gründen betreiben, und zwar auf eine Art und Weise, dass sie mit minimalen Kosten einen maximalen positiven Effekt für sich selbst erzielen. Es bestehen also Zweifel an der Aufrichtigkeit der Motive für ein Engagement im Sinne des CSR. Nach Ansicht der Kritiker setzen solche Unternehmen CSR-Aktivitäten nicht „um der Sache selbst“ willen, sondern aus einem oder mehreren der folgenden Gründe um:
Aufsätze
Monographien