DALY ist ein englisches Akronym und steht für disability-adjusted life years oder auch disease-adjusted life years (deutsch verlorene gesunde Lebensjahre; wörtlich behinderungs- bzw. krankheitskorrigierte Lebensjahre.) Es wird im Bereich der Medizin, Soziologie und Ökonomie verwendet. Im Deutschen ist der Begriff der Krankheitslast gleichbedeutend.[2]
Das DALY-Konzept wurde erstmals im Weltentwicklungsbericht 1993[3] (World Development Report) von der Weltbank präsentiert. Mit diesem Konzept soll die Bedeutung verschiedener Krankheiten auf die Gesellschaft gemessen werden. Auch soll die Effizienz von Vorbeugung und Behandlung messbar werden.
Mit DALY soll nicht nur die Sterblichkeit (Mortalität), sondern auch die Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens durch eine Krankheit erfasst werden und in einer Maßzahl summiert werden.
Von den Originalautoren wurde die Zahl der verlorenen Lebensjahre durch vorzeitigen Tod kombiniert mit dem Verlust an Lebenszeit durch Behinderung. Letzterer wird auch als verlorene Lebensjahre berechnet, multipliziert mit einem bestimmten Faktor je nach Höhe der Behinderung.
Die Globale Krankheitslast-Studie (Global Burden of Disease – GBD) entwickelte für das Maß „Lebensqualität“ einen negativen Behinderungsindex, der bei hohen Werten eine niedrige Lebensqualität beschreibt: das behinderungsbereinigte Lebensjahr (Disability-Adjusted Life Year, DALY). Ein besonderer Vorteil des DALY ist der mögliche länder- und kulturübergreifende Einsatz. Es misst Gesundheitslücken und „beschreibt den Unterschied zwischen einer tatsächlichen Situation und einer idealen Situation, in der jede Person bei voller Gesundheit bis zu dem Alter lebt, das den Standardwerten der Lebenserwartung entspricht“.
Die WHO berechnet die DALY-Werte für alle Nationen, auch für die EU-Staaten.[4] Wegen unterschiedlicher Formeln bzw. Kriterien bei der Berechnung der DALY im Vergleich zur Gesundheitserwartung, wie sie von Eurostat berechnet wird, weichen die DALY-Werte für einzelne EU-Staaten von den Werten für Gesundheitserwartung laut Eurostat teilweise beträchtlich ab.
Im Rahmen des Projekts Burden 2020 wurden von April 2018 bis Juni 2021 unter Leitung des Robert-Koch-Instituts Studien zur Krankheitslast in Deutschland (DALY) durchgeführt, die gesundheitliche Einschränkungen (Years lived with disability, YLD) und Tod (Years of life lost, YLL) mit einschlossen. Kooperationspartner waren das Wissenschaftliche Institut der AOK, sowie das Umweltbundesamt.[2]
Eine global geltende Standard-Lebenserwartung ist mit 80 Jahren für Männer und 82,5 Jahren für Frauen festgelegt (basierend auf der Lebenserwartung von Japanern). Die mit einer Behinderung gelebte und die durch vorzeitigen Tod verlorene Lebenszeit wird im DALY kombiniert: durch vorzeitigen Tod verlorene Lebensjahre (YLL) entsprechen im Wesentlichen der Anzahl von Todesfällen multipliziert mit der verbliebenen Lebenserwartung in dem Alter, in dem der Tod vorzeitig eintritt. Doch wird nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens durch eine Krankheit durch das DALY erfasst und in einer Maßzahl zusammengerechnet:
wobei:
YLL: Years of Life lost (durch vorzeitigen Tod verlorene Lebensjahre) und
YLD: Years lived with Disease/Disability (mit Krankheit/Behinderung gelebte Lebensjahre).
Genauer ist:
mit:
N: Anzahl der Todesfälle
L: verbliebene Lebenserwartung im Sterbealter (in Jahren)
Und:
mit:
I: Anzahl der Fälle
DW: Schwere der Krankheit/Behinderung
L: durchschnittliche Dauer der Krankheit/Behinderung bis zur Heilung oder bis zum Tod (in Jahren)
Die komplette Krankheitslast der Menschheit nach dem DALY-Konzept beträgt 1,4 Milliarden verlorene Lebensjahre, das entspricht 259 verlorene Lebensjahre pro 1000 Einwohnerjahre.
Die Zahl ermöglicht einen Ländervergleich:
Die Zahl erlaubt auch einen Vergleich der sozialen Bedeutung bestimmter Krankheiten:
Charles H. King und Anne-Marie Bertino kritisierten 2008 eine Unterbewertung der globalen Krankheitslast durch vernachlässigte Tropenkrankheiten.[6] Im einzelnen:
Die DALYs gehen davon aus, dass die Belastung durch eine Krankheit oder einen Unfall überall auf der Welt dieselbe ist. Zum Beispiel wird eine Querschnittlähmung bei einem Deutschen gleich behandelt wie die Querschnittlähmung eines Dorfbewohners in der Sahelzone – obwohl für ersteren ein deutlich besseres Versorgungsangebot besteht, wie zum Beispiel Rollstühle, spitalexterne Pflege und schließlich spezialisierte Einrichtungen.
Die DALYs werden pro Krankheit berechnet. Dies führt zu zwei Problemen:
Je nach Berechnungsweise wird die Krankheitsbelastung von jungen und alten Menschen vernachlässigt, weil angenommen wird, dass Leute zwischen 20 und 40 Lebensjahren am produktivsten sind und für ihre jüngeren wie älteren Mitmenschen zu sorgen haben. Dies wird als eine westliche Sichtweise angeprangert, da in Entwicklungsländern viele Kinder Feld- und Hausarbeit erledigen müssen. Die Erkrankung eines Kindes kann also eine ähnlich große Belastung darstellen wie jene eines Erwachsenen.
Die Zahl, wie stark eine Krankheit den Patienten belastet (disability weight, DW) wird durch Experten festgelegt. Sie erfolgen nach einem prinzipiell objektiven Schema, nämlich mittels einer trade-off-Methode. Vereinfacht dargestellt wird ein Gremium vor ein Szenario gestellt:
Die DW-Zahlen besitzen zwei Schwachstellen, nämlich dass oft nicht ersichtlich ist, welche Personen diesen Gremien angehört hatten, und die mangelnde Aktualität dieser DW-Werte. Für bestimmte Krankheiten gibt es DWs, die in den 1990ern berechnet wurden und heute noch benutzt werden.
Es gibt aber auch Kritikpunkte, die DALYs und QALYs gleichermaßen betreffen:
Ein weiteres ethisches Problem besteht darin, dass man den Tod eines Menschen rein rechnerisch mit der Heilung eines oder mehrerer Menschen aufwiegen kann. Genauso wie die Belastung einer Einzelperson durch dieselbe Krankheit orts- und kulturspezifisch ist, muss die Frage, ob Lebensrettung oder Lebensverbesserung Vorrang hat, auch kulturbedingt unterschiedlich beantwortet werden.
Die Gesundheitserwartung wird von Eurostat für alle EU-Staaten sowie für Island, Norwegen, die Schweiz, Kroatien und das Vereinigte Königreich berechnet.[7]
In der Schweiz gibt es den zur Gesundheitserwartung laut Eurostat ähnlichen Begriff Lebenserwartung in guter Gesundheit, welcher vom Bundesamt für Statistik, Sektion Demografie und Migration in CH-2010 Neuchâtel berechnet wird.[8]