Dansgaard-Oeschger-Ereignisse (kurz: DO-Ereignisse) sind abrupte Klimaschwankungen während der letzten Kaltzeit, die zuerst in Eisbohrkernen aus dem Grönländischen Eisschild identifiziert wurden.[3] In der nördlichen Hemisphäre, vor allem auf Grönland und im Nordatlantikraum, stellen sie sich als Temperaturspitzen dar: als rapide Erwärmung, gefolgt von einer langsameren Abkühlung. Insgesamt 25 solcher Ereignisse zwischen 115.000 und 14.000 BP wurden gefunden.[4][5] Dansgaard-Oeschger-Ereignisse sind nach Willi Dansgaard und Hans Oeschger benannt.
Die rasche Erwärmung im Norden ging mit Änderungen der Atlantischen Umwälzzirkulation einher und war mit einer Abkühlung in der Antarktis verbunden.[6][7] Der Vorgang spielt sich über einen Zeitraum ab, der typischerweise auf Skalen von Jahrhunderten beschrieben wird.
Der zugrundeliegende Prozess für das Auftreten und die Amplitude des Ereignisses sind noch immer ungeklärt. Die Wirkung des Ereignisses in der südlichen Hemisphäre mit einer Abkühlung und viel kleineren Temperaturfluktuationen unterscheidet sich von jener der nördlichen Hemisphäre signifikant. Die Existenz der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse fand daher erst nach Auswertung der grönländischen Eisbohrprojekte GRIP und Greenland Ice Sheet Project (GISP) breite Anerkennung, obwohl Hinweise auf das Phänomen bereits im Eisbohrkern, der in der Wostok-Station entnommen wurde, gefunden wurden.
Dansgaard-Oeschger-Ereignisse stehen in Beziehung zu Heinrich-Ereignissen. Heinrich-Ereignisse sind Unterbrechungen der thermohalinen Zirkulation, die eine Abkühlung in der nördlichen Hemisphäre verursachen. Ein kühleres Klima hat eine Vergrößerung der Eisflächen und damit eine höhere Albedo der Erdoberfläche zur Folge, die die Abkühlung noch verstärkt. Es gibt Hinweise darauf, dass Dansgaard-Oeschger-Ereignisse global synchronisiert auftreten.[8]
Im Jahr 2003 identifizierte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf einen 1470-Jahre-Zyklus, in welchem das Phänomen auftrat.[9] Als Erklärung für die Ereignisse schlug man im Jahr 2004 Ozeanzirkulationsmodi vor.[10] In einer Folgestudie, die 2005 durchgeführt wurde, konnte die Periodizität auf eine Überlagerung zweier bekannter Aktivitätszyklen der Sonne zurückgeführt werden.[11] Nach 1470 Jahren ist demnach der 210er-Zyklus der Sonnenaktivität (Suess-de Vries-Zyklus) siebenmal und der 86,5er-Zyklus (Gleißberg-Zyklus) siebzehnmal abgelaufen.
Die Abweichungen von diesem Zyklus betrugen in den letzten 50.000 Jahren nach den Messungen des GISP2 etwa ±12 % (±2 % in den fünf jüngsten Ereignissen, deren Daten besonders präzise erfasst werden können). Dagegen zeigen weder ältere Teile des GISP2-Kerns noch vergleichbare Ereignisse im GRIP-Kern solche Regelmäßigkeit, was mit unterschiedlicher Zuverlässigkeit, insbesondere genaueren Schichtzählung für die ersten 50.000 Jahre des GISP2-Kerns erklärbar wäre.
Die Dansgaard-Oeschger-Anomalien sind im Rückblick auch in anderen Kernen (Camp Century, DYE-3, Renland, GISP) zu finden.[12]
Dansgaard et al. bemerkten die Existenz im GRIP-Kern als heftige Schwankungen im δ18O-Signal, die mit früheren Camp-Century-Kernen 1400 km entfernt zu korrelieren schienen. Dansgaard et al. spekulierten, dass diese mit quasistationären Moden des Systems Atmosphäre-Ozean zusammenhängen könnten.
Willi Dansgaard, James W. C. White, Sigfus J. Johnson (1989): The abrupt termination of the Younger Dryas climate event, Nature. 339: 532-533 doi:10.1038/339532a0
Willi Dansgaard, Sigfus J. Johnsen, Henrik B. Clausen, Dorthe Dahl-Jensen, Niels S. Gundestrup, Claus U. Hammer, C. S. Hvidberg, J. P. Steffensen, Árny E. Sveinbjornsdottir, Jean Jouzel, Gerard C. Bond: Evidence for general instability of past climate from a 250-kyr ice-core record. Nature, 364, S. 218–220, 1993 doi:10.1038/364218a0
↑ abZu den im Plot verwendeten Daten aus grönländischen Eisbohrkernen siehe die folgenden Veröffentlichungen: Sigfus J. Johnsen, Dorthe Dahl-Jensen, Niels Gundestrup, Jørgen P. Steffensen, Henrik B. Clausen, Heinz Miller, Valerie Masson-Delmotte, Arny E. Sveinbjörnsdottir, James White: Oxygen isotope and palaeotemperature records from six Greenland ice-core stations: Camp Century, Dye-3, GRIP, GISP2, Renland and NorthGRIP. In: Journal of Quaternary Science. Mai 2001, doi:10.1002/jqs.622 (GRIP-Daten). Und: North Greenland Ice Core Project members: High-resolution record of Northern Hemisphere climate extending into the last interglacial period. In: Nature. September 2004, doi:10.1038/nature02805 (NGRIP-Daten).
↑Zu den im Plot verwendeten Daten aus antarktischen Eisbohrkernen siehe die folgenden Veröffentlichungen: Petit J.R., Jouzel J., Raynaud D., Barkov N.I., Barnola J.M., Basile I., Bender M., Chappellaz J., Davis J., Delaygue G., Delmotte M., Kotlyakov V.M., Legrand M., Lipenkov V., Lorius C., Pépin L., Ritz C., Saltzman E., Stievenard M.: Climate and Atmospheric History of the Past 420,000 years from the Vostok Ice Core, Antarctica. In: Nature. Band399, 1999, S.429–436, doi:10.1038/20859 (Vostok-Daten). Und: EPICA community members: Eight glacial cycles from an Antarctic ice core. In: Nature. Band429, Nr.6992, Juni 2004, S.623–628, doi:10.1038/nature02599 (EPICA Dome-C Daten).
↑J.B. Pedro, C. Andersson, G. Vettoretti, A.H.L. Voelker, f, C. Waelbroeck, T.M. Dokken, i, M.F. Jensen, S.O. Rasmussen, E.G. Sessford, M. Jochum, K.H. Nisancioglu: Dansgaard-Oeschger and Heinrich event temperature anomalies in the North Atlantic set by sea ice, frontal position and thermocline structure. In: Quaternary Science Reviews. 2022, doi:10.1016/j.quascirev.2022.107599.
↑North Greenland Ice Core Project members: High-resolution record of Northern Hemisphere climate extending into the last interglacial period. In: Nature. Oktober 2004, doi:10.1038/nature02805.
↑Annex VII – Glossary. In: Intergovernmental Panel on Climate Change (Hrsg.): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Dansgaard-Oeschger events (D-O events) (ipcc.ch [PDF; 2,0MB]).
↑Laurie C. Menviel, Luke C. Skinner, Lev Tarasov, Polychronis C. Tzedakis: An ice–climate oscillatory framework for Dansgaard–Oeschger cycles. In: Nature Review – Earth & Environment. November 2020, doi:10.1038/s43017-020-00106.
↑Bond et al.: The North Atlantic's 1–2 kyr climate rhythm: relation to Heinrich events, Dansgaard/Oeschger cycles and the little ice age. In: P. U. Clark, R. S. Webb, L. D. Keigwin (Hrsg.): Mechanisms of Global Change at Millennial Time Scales. Geophysical Monograph 112. 1999, S.59–76 (englisch, rivernet.ncsu.edu (Memento des Originals vom 29. Oktober 2008 im Internet Archive)).
↑Stefan Rahmstorf: Timing of abrupt climate change: A precise clock. In: Geophys. Res. Lett. 30. Jahrgang, Nr.10, 2003, S.1510, doi:10.1029/2003GL017115 (englisch).
↑Holger Braun, Marcus Christl, Stefan Rahmstorf et al. (2005): Possible solar origin of the 1,470-year glacial climate cycle demonstrated in a coupled model, in: Nature, Vol. 438, S. 208–211 doi:10.1038/nature04121(PDF; 472 kB)
↑E.W. Wolff, J. Chappellaz, T. Blunier, S. O. Rasmussen, A. Svensson: Millennial-scale variability during the last glacial: The ice core record. In: Quaternary Science Reviews. Oktober 2010, doi:10.1016/j.quascirev.2009.10.013.