Die Zeit nach der Jahrhundertwende war insgesamt geprägt vom Verfall des parlamentarischen Antisemitismus, von Querelen und Streitigkeiten. „Die nicht-antisemitischen Parteien haben die Antisemiten geschlagen und verdrängt und die Wähler zurückgewonnen“, notierte Thomas Nipperdey. „Diese Tatsache soll man nicht, wie gewöhnlich, verdrängen oder herunterspielen. Der Antisemitismus war parlamentarisch geworden, darum ist seine Niederlage auf diesem Felde wichtig genug, eine wirkliche Niederlage.“[2]
Agrarprotektionismus und Forderungen nach einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik traten in Partei und Fraktion gegenüber dem Antisemitismus immer stärker in den Vordergrund. Mit dieser Strategie konnte der Niedergang in der Wählergunst zeitweilig aufgehalten werden, so dass die Partei 1907 wieder acht Reichstagsabgeordnete stellen konnte. Nach dem Tod Liebermanns 1911 und der Wahlniederlage von 1912 („Judenwahlen“) radikalisierte sich der Antisemitismus der DSP wieder. Im März 1914 schlossen sich die Deutschsozialen erneut mit den „Reformern“ zusammen und bildeten die Deutschvölkische Partei. Diese wiederum ging nach der Novemberrevolution 1918 teils in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), teils im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund auf.
Die DSP hatte fast drei Viertel ihrer Wählerschaft in ländlichen Regionen, wo sie vor allem von Bauern, Handwerkern, kleinen Gewerbetreibenden, Angestellten und Beamten unterstützt wurde. Der Schwerpunkt der Parteitätigkeit lag auf Nord- und Westdeutschland und Teilen Hessens. In der Regel war die DSP aber nur mit Unterstützung der Konservativen und des Bundes der Landwirte in der Lage, einen Wahlkreis zu gewinnen. Parteiorgane waren das Deutsche Blatt (Hamburg) und die Deutschsozialen Blätter (Leipzig, später Hamburg). Kandidaten der DSP konnten bei Reichstagswahlen im Kaiserreich folgende Wahlkreise gewinnen:
Werner Bergmann: Völkischer Antisemitismus im Kaiserreich. In: Uwe Puschner, Walter Schmitz, Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur Völkischen Bewegung 1871–1918. München u. a. 1996, S. 449–463.
Martin Broszat: Die antisemitische Bewegung im wilhelminischen Deutschland. Köln 1952.
Kurt Düwell: Zur Entstehung der deutschen Antisemitenparteien in Deutschland und Österreich. Christlich – sozial – National – Deutsch – sozialistisch. In: Günther B. Ginzel (Hrsg.): Antisemitismus Erscheinungsformen der Judenfeindschaft gestern und heute. Köln 1991, S. 170–180.
Dieter Fricke: Antisemitische Parteien 1879–1894. In: Dieter Fricke (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band 1, Leipzig 1968, S. 36–40.
Dieter Fricke: Deutschvölkische Partei (DvP) 1914–1918. In: Dieter Fricke (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band 1, Leipzig 1968, S. 771–773.
Dieter Fricke: Deutschsoziale Reformpartei (DSRP) 1894–1900. In: Dieter Fricke (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band 1, Leipzig 1968, S. 759–762.
Dieter Fricke: Deutschsoziale Partei 1900–1914. In: Fricke, Dieter (Hrsg.): Die .bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band 1, Leipzig 1968, S. 754–756.
Dieter Fricke: Deutsche Reformpartei 1900–1914. In: Dieter Fricke (Hrsg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band 1, Leipzig 1968, S. 429–431.
Hans-Christian Gerlach: Agitation und parlamentarische Wirksamkeit der deutschen Antisemitenparteien 1873–1895. Kiel 1956.
Thomas Gräfe: Deutschsoziale Partei. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen. Berlin 2012, S. 201–203.
Grundsätze und Forderungen der Antisemitischen Deutsch-sozialen Partei 1889. In: Wilhelm Mommsen (Hrsg.): Deutsche Parteiprogramme. München 1960, S. 73–78.
Daniela Kasischke: Die antisemitische Bewegung in Hamburg während des Kaiserreichs 1873–1918. In: Arno Herzig (Hrsg.): Die Juden in Hamburg 1590–1990. Hamburg 1991, S. 475–485.
Daniela Kasischke-Wurm: Antisemitismus im Spiegel der Hamburger Presse während des Kaiserreichs (1884–1914). Hamburg 1997.
Thomas Klein: Der preußisch-deutsche Konservatismus und die Entstehung des politischen Antisemitismus in Hessen-Kassel (1866–1893). Ein Beitrag zur hessischen Parteiengeschichte. Marburg 1995.
Erwin Knauß: Der politische Antisemitismus im Kaiserreich (1871–1900) unter besonderer Berücksichtigung des mittelhessischen Raumes. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins. 53./54. Jg., 1969, S. 43–68.
Gerald Kolditz: Zur Entwicklung des Antisemitismus in Dresden während des Kaiserreichs,. In: Dresdner Hefte. 45. Jg., 1996, S. 37–45.
Richard S. Levy: The downfall of the antisemitic parties in Imperial Germany. New Haven / London 1974.
Matthias Piefel: Antisemitismus und völkische Bewegung im Königreich Sachsen 1879–1914. Göttingen 2004.
Hansjörg Pötzsch: Antisemitismus in der Region Antisemitische Erscheinungsformen in Sachsen, Hessen, Hessen-Nassau und Braunschweig 1870–1914. Wiesbaden 2000.
Carl-Wilhelm Reibel: Handbuch der Reichstagswahlen 1890–1918. Bündnisse, Ergebnisse, Kandidaten (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 15). Droste, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-7700-5284-4.
James Retallack: Conservatives and Antisemites in Baden and Saxony. In: German History. 17. Jg., 1999, S. 507–526.
Kurt-Gerhard Riquarts: Der Antisemitismus als politische Partei in Schleswig-Holstein und Hamburg 1871–1914. Kiel 1975.
Stefan Scheil: Aktivitäten antisemitischer Parteien im Großherzogtum Baden zwischen 1890 und 1914. In: ZGO. 141, 1993, S. 304–335.
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Inge Schlotzhauer: Ideologie und Organisation des politischen Antisemitismus in Frankfurt am Main 1880–1914. (= Studien zur Frankfurter Geschichte. Band 28). Frankfurt am Main 1989.
Helmut Walser Smith: Alltag und politischer Antisemitismus in Baden 1890–1900. In: ZGO. 141, 1993, S. 280–303.
Peter Straßheim: Die Reichstagswahlen im 1. Kurhessischen Reichstagswahlkreis Rinteln–Hofgeismar–Wolfhagen von 1866 bis 1914. Eine Wahlanalyse. Frankfurt am Main 2001.
Kurt Wawrzinek: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien (1873–1890). Berlin 1927.
Thomas Weidemann: Politischer Antisemitismus im deutschen Kaiserreich Der Reichstagsabgeordnete Max Liebermann von Sonnenberg und der nordhessische Wahlkreis Fritzlar–Homberg–Ziegenhain. In: Hartwig Bambey (Hrsg.): Heimatvertriebene Nachbarn Beiträge zur Geschichte der Juden im Kreis Ziegenhain. Schwalmstadt 1993, S. 113–184.