Dissens (von lateinisch dissensus = „Uneinigkeit“, lateinisch dissentio, „ich stimme nicht bei“, lateinisch dissentire, „uneins sein“) bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf bestimmte Sachverhalte, Streitfragen und Themen. Er ist damit das Gegenteil zum Konsens.
Im vertragsrechtlichen Kontext bedeutet Dissens Einigungsmangel. Unterschieden werden der offene Dissens nach § 154 BGB und der versteckte Dissens nach § 155 BGB. Rechtsmethodisch steht der Dissens in der Nachbarschaft der Regelungen zum Irrtums- und zum Auslegungsrecht.[1]
Der offene Dissens verlangt, dass ein gegenseitiger Vertrag angedacht ist. Eine der Vertragsparteien verspürt aber das Verlangen, noch mindestens einen Punkt zum Vertrag regeln zu wollen. Dieser Punkt muss nicht zwingend vertragsentscheidend sein. Jedoch ist über diesen Punkt noch keine Entscheidung gefallen und beide Vertragspartner wissen das.
Beim versteckten Dissens gehen beide Vertragspartner davon aus, dass ein Vertrag geschlossen wurde und sich über jeden Punkt des Vertrages geeinigt wurde (§ 155 BGB). Liegt nach (normativer) Auslegung nach dem sogenannten objektiven Empfängerhorizont jedoch ein (normativer) Konsens vor, dann scheidet der versteckte Dissens aus, sodass doch ein Vertragsschluss beziehungsweise eine gültige Willenserklärung vorliegt. Es ist danach zu fragen, was ein objektiver Empfänger, anstelle des tatsächlichen Empfängers, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen konnte. Es gilt daher das objektiv Gesagte und nicht das tatsächlich Gewollte; dies zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs. Der Vertrag wird aber durch das Erkennen des Fehlers beim versteckten Dissens nicht nichtig, sondern dem Vertragspartner wird die Möglichkeit der Anfechtung eingeräumt. Dieses Auseinanderfallen kann sich in verschiedenen Arten zeigen:
Beim versteckten Dissens gilt der Vertrag so weit, wie er auch ohne den nicht vereinbarten Punkt geschlossen worden wäre.
In der islamischen Jurisprudenz wird der Dissens zwischen den verschiedenen Rechtsgelehrten bzw. Rechtsschulen als Ichtilāf bezeichnet. Er wurde in vormoderner Zeit überwiegend positiv bewertet, weil es einen Hadith gibt, der besagt, dass er eine Gottesgnade darstellt.