Die Erzschwebfliegen (Cheilosia) sind eine mit bislang etwa 445 beschriebenen Arten umfangreiche Gattung der Fliegen aus der Familie der Schwebfliegen (Syrphidae).
Im Jahr 2010 waren 439 Cheilosia-Arten weltweit bekannt[1], 2015 kamen sechs Arten neu hinzu,[2][3] was die Gesamtzahl bislang beschriebener Arten auf 445 erhöhte.[4]
Die Erzschwebfliegen gelten als die artenreichste paläarktische Gattung der Schwebfliegen.[5]
Allerdings ist die paläarktische Liste der Erzschwebfliegen-Arten mit Synonymen und verwirrenden Beschreibungen durchsetzt,[6] allein im Jahre 2007 wurden 40 Namen entweder als Synonyme oder als Nomina dubia erkannt, sodass die Artenzahl je nach Erkenntnisstand schwankt.[7][8] Auch sind deswegen bei Feldbestimmungen Änderungen von Namen gegenüber früheren Checklisten nötig.[9] Cheilosia gelten in diesem Kontext als „kleine unauffällige Tiere“, als „sich unter häufigeren Doppelgängern „versteckende“ Arten“.[10] So ist C. impudens „unter Freiland-Bedingungen nicht von C. grisella zu unterscheiden“. Solche Arten entgehen unter eudominanten Arten wie C. grisella leicht dem Nachweis.[11]
Darüber hinaus haben sich in Europa und in Ostasien unterschiedliche Systematiken entwickelt.[12][13][14] Auch werden in Einzelfällen Fehlbestimmungen erwiesen oder vermutet.[15]
Auch zur Ökologie der Erzschwebfliegen-Arten – und hier insbesondere der Larven – gibt es noch deutliche Kenntnisdefizite. So ist zum Beispiel unklar, wovon die Larven von Cheilosia laticornis leben. Auch etwa von Cheilosia nebulosa ist kaum etwas zur Larvennahrung bekannt; einzig die Eiablage an der Schwarzen Flockenblume (Centaurea nigra) wurde bisher beobachtet.[17]Cheilosia latifrons wurde auf dem 1565 m hohen Gipfel des Hohen Häderich (Bayern, Allgäuer Alpen) bei der Eiablage am Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnalis) beobachtet. Aus dem Ei entwickelte sich jedoch an ausgegrabenen und kultivierten Pflanzen bei der Präparation im späten Herbst keine Larve, sodass zwar ein Hinweis auf die Wirtspflanze vorliegt, zumal sich das Verbreitungsgebiet von C. latifrons sich weitgehend mit der Verbreitung des Herbst-Löwenzahns deckt, jedoch kein definitiver Nachweis der Nahrungspflanze dieser Art gemacht werden kann. So sind nur für wenige der Cheilosia-Arten die Pflanzen bekannt, in denen sich ihre Larven entwickeln.[18]
Die meisten Arten der Gattung Cheilosia sind in der Regel als erwachsenen Tiere (Imagines) „schwarz gefärbt“, „wirken eher unauffällig“ und sind daher „im Gelände nur schwer anzusprechen“.[19][20][21] Jedoch sind einige Arten abweichend gefärbt wie zum Beispiel die Pelzige Erzschwebfliege (Cheilosia chrysocoma), deren Hinterleib dicht und auffallend fuchsrot behaart ist,[22] oder sie ahmen, wie beispielsweise die Bunte Erzschwebfliege (Cheilosia illustrata), manche wehrhafte Hymenoptera nach (Mimikry). Dadurch täuschen diese Arten eine nicht vorhandene Gefährlichkeit vor. Die Bunte Erzschwebfliege wirkt wie eine kleine Hummel (Hummelmimikry).
Die Arten der Gattung Cheilosia haben ein Gesicht mit deutlichem Mundhöcker und mit Augenwülsten, das sind flache Wülste, die am Augenrand entlang bis in die Gegend des Mundhöckers hinaufziehen.[22] Der Hinterleib ist meist ganz schwarz, jedoch niemals mattschwarz mit glänzendem Rand, aber manchmal mit glänzenden und matten Teilen.[22] Die Färbung ist manchmal auch olivgrün oder mit bläulichem Widerschein. Der Körper ist manchmal ziemlich stark behaart. Die Größe beträgt bis 15 mm.[22]
Die Imagines der Cheilosia werden zum Beispiel in Bayern an Hecken, in montanen Magerrasen in Kalkregionen, in Wiesen, Weiden, alpinen Hochstaudenfluren, Almwiesen, Sümpfen, Feuchtlaubwäldern, an Waldrändern und im Ödland vorgefunden.[23] Sie ernähren sich von Nektar der Blüten von Korbblütlern, von Doldenblütlern und von Hahnenfußgewächsen.[24] Die Imagines von Cheilosia latifrons besuchen „nach de Buck (1990) zahlreiche verschiedene Blüten; von den dort genannten elf Pflanzenarten sind alleine fünf gelb-blühende Cichoriaceen“.[25][26]
Die Imagines der Cheilosia bevorzugen feuchte Böden und sind zwischen März und September aktiv. Mit einer Körperlänge von 12–14 mm gilt die Korbblütler-Erzschwebfliege (Cheilosia canicularis (Panzer, 1801)) als die größte der in Deutschland beobachteten 60 – teilweise sehr schwer zu unterscheidenden – Cheilosia-Arten.[27]
Die Larven der Erzschwebfliegen sind in der Regel Phytophagen und ernähren sich von Stängeln und Blättern, in die sie sich minierend hineinfressen.[28] So minieren die Larven der Gänsedistel-Erzschwebfliege (Cheilosia caerulescens) Blätter von Hauswurzen.[29][30] Die Larven von Cheilosia semifasciata minieren in den Blättern der Großen Fetthenne (Sedum telephium).[31]
Wieder andere Larven ernähren sich phytosaprophag in Wurzelstöcken, so minieren die Larven von Cheilosia subpictipennis in den Wurzelstöcken der Bärwurz (Meum athamanticum)[32] und die Larven der Kletten-Erzschwebfliege (Cheilosia impressa) am Wurzelstock der Großen Klette (Arctium lappa).[33][34] Haben zwei Schwebfliegen-Arten dieselbe Wirtspflanze, so kann beobachtet werden, dass unterschiedliche Bereiche miniert werden. So entwickeln sich die Larven von Portevinia maculata minierend im Blattstiel und in der Zwiebel des Bärlauchs, während sich die Larven der Bärlauch-Erzschwebfliege (Cheilosia fasciata) in dessen Blättern entwickeln.[35] Während sich die Bärlauch-Erzschwebfliege in den Alpen in Blättern des Allermannsharnischs (Allium victorialis) entwickelt, so nutzt Portevinia maculata (Fallen, 1817) dessen Zwiebeln als Larvennahrung.[36]
Einige Larven sind mycetophag, wie zum Beispiel die der Pilz-Erzschwebfliege (Cheilosia scutellata).[37] Es kommt vor, dass die Larven parasitiert werden, so gilt die SchlupfwespePhygadeuon ursini als ein Parasitoid der Bärlauch-Erzschwebfliege.[38]
Viele Arten sind charakteristisch für die nördlichen und alpinen Regionen der borealen Zone und allgemein für die Bergregionen der nördlichen Hemisphäre.[40]
↑Thompson FC, Rotheray GE, Zimbado MA (2010): Syrphidae (flower flies). In: Brown BV, Borkent A, Cumming JM, Wood DM, Woodley Norman E, Zumbado MA (Eds): Manual of Central American Diptera. NRC Research Press, Ottawa, 763–792.
↑Barkalov AV, Ståhls G (2015): Descriptions of three new species of the genus Cheilosia Meigen from China (Diptera, Syrphidae). Zootaxa 3972(2): 280–290. doi:10.11646/zootaxa.3972.2.8
↑Gunilla Stahls et Anatolij V. Barkalov: Taxonomic review of the Palaearctic species of the Cheilosia caerulescens-group (Diptera, Syrphidae), (ISSN 1313-2970, PMID 28769614, PMC 5539700 (freier Volltext), DOI:10.3897/zookeys.662.11267), S. 137–171
↑Martin C. D. Speight: Species accounts of european Syrphidae (Diptera), Syrph the Net: the database of European Syrphidae (Diptera), Dept. of Zoology, Trinity College,University Dublin 2, Ireland, vol. 78, 2014
↑Claus Claußen und F. Christian Thompson: Zur Identitat und Synonymie der von Camillo Rondani beschriebenen Cheilosia-Arten (Diptera,Syrphidae). Studiadipterologica 3 (1996) Heft 2 (online).
↑Claus Claußen, Martin C. D. Speight: Names of uncertain application and some previously unpublished ynonyms in the European Cheilosia fauna (Diptera, Syrphidae). In: Volucella 8, 2007, S. 74, 79 (zobodat.at [PDF]).
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 6, abgerufen am 11. Februar 2021
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 7, abgerufen am 11. Februar 2021.
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 26, abgerufen am 11. Februar 2021.
↑Stuke, J.-H. (2000): Phylogenetische Rekonstruktion der Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Gattung Cheilosia Meigen, 1822 anhand der Larvenstadien (Diptera: Syrphidae). Studia Dipterologica, Suppl., 8: 1–118.
↑Haarto Antti, Kerppola Sakari (2007a) Finnish hoverflies and some species in adjacent countries. Otavan, Kirjapaino Oy, Keuruu. 647pp.
↑Gunilla Stahls et Anatolij V. Barkalov, Taxonomic review of the Palaearctic species of the Cheilosia caerulescens-group (Diptera, Syrphidae), ZooKeys, 22. März 2017 (ISSN 1313-2970, PMID 28769614, PMC 5539700 (freier Volltext), DOI:10.3897/zookeys.662.11267), S. 137–171
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 5 und 27, abgerufen am 11. Februar 2021.
↑Bernhard Hoiß: Schwebfliegen – vergessene Helfer mit faszinierender Ökologie – ANLiegen Natur 4 2(1): 83, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen, abgerufen am 10. Februar 2021
↑Ulrich Schmid, Andreas Grossmann: Eiablage von Cheilosia latifrons (Zetterstedt, 1843) (Díptera, Syrphidae) an Leontodón autumnalis L. In: Volucella 2 (1/2), 1996, S. 86f. (zobodat.at [PDF]).
↑Stubbs, Alan E.; Falk, Steven J. (1983): British Hoverflies: An Illustrated Identification Guide. British Entomological & Natural History Society. pp. 253, xvpp.
↑Klaus von der Dunk (unter Mitarbeit von D. Doczkal, G. Merkel-Wallner, G. Röder und R. Ssymank): Syrphidae Bayerns - eine kommentierte Checkliste, in: Beiträge zur bayerischen Entomofaunistik 7, Bamberg (2005), ISSN 1430-015X, S. 99–102 (online)
↑Eugène Séguy: Diptères Syrphides de l’Europe occidentale, Muséum national d'histoire naturelle, Tome XXIII, 1961, p. 1–248
↑Ulrich Schmid, Andreas Grossmann: Eiablage von Cheilosia latifrons (Zetterstedt, 1843) (Díptera, Syrphidae) an Leontodón autumnalis L. In: Volucella 2 (1/2), 1996, S. 86f. (zobodat.at [PDF]).
↑N. de Buck (1990): Bloembezoek enbestuivingsecologie van zweefVliegen (Diptera, Syrphidae) in het bijzonder voor Belgie. - Koninklijk Belgisch Instituut voor Natuurwetenschappen, Studiedocumenten 60, 1–167. Brussel.
↑d'Aguilar Jacques & Coutin Rémi: Cheilosia caerulescens Meigen, ravageur des Joubarbes [Dipt. Syrphidae], Bulletin de la Société entomologique de France, vol. 92, nos 9–10, juin 1987, p. 307–309
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 16, abgerufen am 11. Februar 2021
↑Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (ed): Rote Liste der Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Baden-Württembergs, 2. Fassung, Stand 15. September 2000, S. 22, abgerufen am 11. Februar 2021
↑Gerd Röder: Schwebfliegen von Maria-Wörth (Diptera, Syrphidae. Austria). In: Galathea. Berichte des Kreises Nürnberger Entomologen. 17/1, 2001, S. 7 (zobodat.at [PDF]).
↑Ulrich Schmid (1999): Die Larve von Cheilosia impressa Loew, 1840 (Diptera, Syrphidae), Volucella 4: 113–119
↑Hans Henrik Bruun & Rune Bygebjerg: Cheilosia fasciata (Diptera: Syrphidae) new to Denmark. Entomologisk Tidskrift 137(3): 131–135. Uppsala, Sweden 2016. ISSN 0013-886x.
↑Ulrich Schmid, Andreas Grossmann: Larven der Schwebfliege Cheilosia fasciata Schiner & Egger, 1853 (Diptera, Syrphidae) in Allermannsharnisch (Allium victorialis L.). / Larvae of the hoverfly Cheilosia fasciata Schiner & Egger, 1853 (Diptera, Syrphidae) in Allium victorialis L. In: Volucella. Die Schwebfliegen-Zeitschrift 3, 1998, S. 157–160 (zobodat.at [PDF]).