Dard war der Sohn der Bauerstochter Joséphine-Anna Cadet und von Francisque Dard, der zunächst als Kesselbauer in der elsässischen Eisenbahnfabrik Dietrich arbeitet, um dann mit seiner Ehefrau in einen Heizungsbaubetrieb in Bourgoin-Jallieu zu gründen. Nach der Firmenpleite am Schwarzen Donnerstag 1929 musste die Familie in das nahe Lyon zur Schwiegermutter ziehen, in deren Haus sie ein kleines Apartment einrichteten. Frédéric hat von Geburt an einen verkrüppelten linken Arm und konnte so an Spiel und Sport seiner Schulkameraden an der Écoles La Martinière senig teilnehmen. Das Handicap kompensierte er durch eine intensive Leselust. Dazu gehörten die immer wieder abgedruckten Feuilletonromane von Eugène Sue und Victor Hugo[1], besonders gerne aber die sehr unterschiedlichen Kriminal-, Detektiv- und Abenteuerromane[2] der seit 1927 von Albert Pigasse erscheinende kostengünstigen Buchreihe Le Masque, die englische und amerikanische Krimi-Klassiker in erstmalig französischen Übersetzungen anbot.[3]
Im November 1942 heiratete Dard Odette Damaisin und hatte mit ihr zwei Kinder: Patrice (* 1944) und Élizabeth (1948–2011). Zwischen Juli 1944 und März 1949 lebte die Familie in Lyon (La Croix-Rousse). Die Ehe verlief unglücklich und das Paar trennte sich. Am 14. Juli 1968 heiratete Dard in zweiter Ehe Françoise de Caro, eine Tochter des Verlegers Armand de Caro. Mit ihr hatte er eine Tochter: Joséphine (* 1970).
Frédéric Dard starb zwei Wochen vor seinem 79. Geburtstag am 6. Juni 2000 in Bonnefontaine im Kanton Freiburg. Sein Grab ist auf dem Cimetière de Saint-Chef.
Frédéric Dard schreibt zunächst Kinderbücher und 'Heftchenromane', um seine Familie zu ernähren. Im Verlagshaus trifft er Schriftsteller wie Georges Simenon, der ihm ein Vorwort zu seinem Buch 'Au Massacre mondain' schrieb. Nach einigen mageren Jahren erlebte er seine ersten schriftstellerischen Erfolge im Theater. Insbesondere 'La Neige etait-', eine Adaption von Simenons Roman, inszeniert von Raymond Rouleau am Théâtre de l'Œuvre im Dezember 1950, ist ein Erfolg. Es entstehen noch ein Dutzend weiterer Theaterstück und Bühnenbearbeitungen. Um in der „ernste“ Theaterkritik keine Irritationen auszulösen wegen seiner zunehmend entstehenden eher trivialen Detektiv- und Abenteuerromane verfasst er diese unter zahlreichen malerischen Pseudonymen wie Maxell Beeting, Verne Goody, Wel Norton, Cornel Milk usw.
Dard verfasste seine ersten Kriminalerzählungen nach den beliebten und gerade von der französischen Jugend vielgelesen Vorbildern erfolgreicher Autoren, wie dem Briten Peter Cheyney und dessen umtriebigen FBI-Agenten Lemmy Caution und dem eher bedächtigen Kommissar Maigret des Belgiers Georges Simenon.[4]
Ebenso inspirierte ihn der Erfolg des umgangssprachlichen Erzählens bei John Steinbeck.[5]
Daraus entwickelte er seine erfolgreichste Figur, den Pariser Superintendent Antoine San-Antonio. Die Namenswahl erfolgte 1949 bewusst mit einem auch für den englischen und spanischen Markt der Abenteuerheftchen-Romane aussprechbaren Helden nach der texanischen Stadt San Antonio. In 175 Romanen und rund um die Welt klärt San-Antonio Verbrechen an oder durch Franzosen auf, indem er insbesondere auch Kontakte zur Halbwelt pflegte. Daraus ergab sich ein Faible für die französische Umgangssprache, Argot u. a. Slang-Ausdrücken entwickelte für das ein Nachschlagwerk entstand, das auch die Dutzenden realen und fiktiven Orte aufführt, wie das Emirat 'Le Kelsaltan' (in 'Bérurier au sérail', 1964), das russische 'Bradévostock' (in 'En avant la moujik' 1969) oder das österreichische 'Verredekirsch' (in 'Baisse la pression, tu me les gonfles!', 1988). Der Erfolg der Serie und das Liebesleben seines Helden hat auch ein 'Kâmasûtra san-antonien' entstehen lassen, das u. a. ein 'nénuphar hindou' (Ballet der Hindus), den 'papillon soudanais' (sudanesischen Schmetterling) oder den 'Typhon sur la Jamaïque' (Wirbelsturm über Jamaika) aufführt.[6]
Nach seinem Tod hat sein Sohn Patrice Dard im Auftrag des Verlages Casterman aus den bis dahin unveröffentlichten Recherchen unter dem Markennamen „San-Antonio“ noch sieben Comic-Alben zusammen mit dem Zeichner Henri Desclez veröffentlicht.[7]
Pierre Creet, Thierry Gautier: Frédéric Dard dit San-Antonio. Éditions Cheminements, Le-Coudray-Macouard 2001, ISBN 2-914474-20-2.
Joséphine Dard: Frédéric Dard. Mon Père San-Antonio. Lafon, Paris 2010, ISBN 978-2-7499-1238-7.
Christian Dombret: Bibliographie illustrée Frédéric Dard, San-Antonio. „en long, en large, et en travers“. Action Communications, Embourg 1992, ISBN 2-87360-000-4.
Maxime Gillio, Laurent Turpin: San-Antonio. Boucq & Dard. Sangam, Bordeaux 2009, ISBN 978-2-9524293-5-1.
Pierre Grand-Dewyse: „Moi, vous me connaissez!“ Une biographie et une bibliographie de l'œuvre de San-Antonio. Rive Droite, Paris 1998, ISBN 2-84152-001-3.
Dominique Jeannerod: San-Antonio et son double. L'aventure littéraire de Frédéric Dard. PUF, Paris 2010, ISBN 978-2-13-057370-8.
Raymond Milési: San-Antonio. Premier flic de France. Éditions Milési, Pézilla-la-Rivière 1996, ISBN 2-87795-081-6.
Jean-Pierre Rémon: Sur les pas de Frédéric Dard. De Bourgoin-Jallieu, à Lyon, en passant pas Saint-Chef. Créations du Pélican, Lyon 1996.
François Rivière: Frédéric Dard ou la vie privée de San-AntonioFleuve Noir, Paris 1999, ISBN 2-265-06525-0 (Fleuve Noir Biographie).
Françoise Rullier-Theuret: Faut pas pisser sur les vieilles recettes. San-Antonio ou la fascination pour le genre romanesque Academia Bruyland, Louvain-la-Neuve 2008, ISBN 978-2-87209-903-0 (Au cœur des textes; 12).
Françoise Rullier-Theuret (Hrsg.): San-Antonio et la culture française. Actes du colloque international des 18, 19 et 20 mars 2010 en Sorbonne. UDS, Chambéry 2010, ISBN 978-2-915797-74-9.
Johannes Westenfelder: Nicht Sprachschöpfer sondern Sprachverwerter. San Antonio als Produkt der „crise du français“. Kovač, Hamburg 1991, ISBN 3-925630-99-6 (zugl. Dissertation, Universität Mainz 1991).
↑Peter Heidenreich: Textstrategien des französischen Sozialromans im 19. Jahrhundert am Beispiel von Eugene Sues „Les mystères de Paris“ und Victor Hugos „Les miserables“. Tuduv, München 1987
↑Zur beginnenden Abgrenzung siehe Jean-Paul Colin: La belle époque du roman policier français. Aux origines d’un genre romanesque. Delachaux et Niestlé, Lausanne 1999 und David Platten: 'The pleasures of crime. Reading modern French crime fiction'. Rodopi, Amsterdam 2011
↑Jacques Baudou, Jean-Jacques Schleret: Le Vrai Visage du Masque. Futuropolis, Paris 1984, hier bes. S. 13–16.
↑Nadia Doukar: Étude du pouvoir de fascination du personnage principal dans le roman policier, à partir des personnages d’Arsène Lupin de Maurice Leblanc, de Jules Maigret de Georges Simenon, de Nestor Burma de Léo Malet. Univ.Diss., Paris 2004.
↑François Rivière: Sur la route de San-Antonio. Vorwort zu F. Dard: San-Antonio. Werkausgabe, Band 1, S. XV. Robert Laffont, Paris 2010.
↑Serge Le Doran, Frédéric Pelloud, Philippe Rosé: Le Dictionnaire San-Antonio, quant à lui, compte quelque 15 000 entrées. Mots usuels, mots érotiques, positions, noms propres. Fleuve noir, Paris 1993.
Dard, Frédéric Charles Antoine (vollständiger Name); San Antonio (Pseudonym); Beeting, Maxell (Pseudonym); Goody, Verne (Pseudonym); Norton, Wel (Pseudonym); Milk, Cornel (Pseudonym)