Gene Adam Brucker (* 15. Oktober 1924 in Cropsey, Illinois; † 9. Juli 2017 in Emeryville, Kalifornien[1]) war ein US-amerikanischer Kunsthistoriker. Er war „Shepard Professor of History Emeritus“ an der University of California, Berkeley.
Gene Brucker beendete 1946 seinen BA in Geschichte und zwei Jahre später seinen MA mit einer Arbeit über den französischen Astronomen Jean-Sylvain Bailly. Seine Masterarbeit wurde 1950 an der Universität von Illinois als Buch verlegt. 1954 erhielt er an der Princeton University den Doktortitel für eine Dissertation über Florenz im 14. Jahrhundert. Betreut wurde er durch Joseph Strayer und Theodor Ernst Mommsen. Zwischen 1969 und 1972 arbeitete er am Lehrstuhl für Geschichte und später als Akademischer Rat (1984–86) an der University of California, Berkeley. 1991 wurde er schließlich pensioniert und erhielt für seinen Arbeit die Berkeley Citation.[2]
Brucker ist als Autor über das Florenz der Renaissance in Erscheinung getreten. Er hat hier „Renaissance Florence“ (1983), „Florence: The Golden Age“ (1998) und „Living on the Edge in Leonardo's Florence: Selected Essays“ (2005) vorgelegt. Seine Arbeiten zur Florentiner Geschichte zeugen von einem hohen Detailwissen und waren für die Forschung wegweisend. Durch seine Arbeiten brachte Brucker eine neue Herangehensweise an die florentinische Renaissance in die Geschichtswissenschaft ein. Er fokussierte nicht wie bisherige Historiker auf Kunst und Dichtung, sondern vielmehr auf Gesellschaft und soziale Institutionen. In verschiedenen Werken über Florenz zeigte er die Entwicklung einer mittelalterlichen Handelsstadt zu einer Stadt, welche die treibende Kraft für Politik, Wirtschaft und Kultur in Europa und Geburtsstätte der Renaissance wurde. Im Fokus seiner Untersuchungen standen die zeitlichen Veränderungen von Klassenstrukturen, Bürokratie, Religion, Beziehungen zwischen den Geschlechtern, familiäre Strukturen und Sozialhilfe. Brucker vertrat die These, dass diese Veränderungen insbesondere in individuellen Erfahrungsgeschichten, welche in transkribierter Form archiviert wurden, erforscht und aufgedeckt werden können. Die Möglichkeit der Analyse individueller Narrative verdeutlichte Brucker in einem seiner bekanntesten Bücher „Giovanni und Lusanna: Die Geschichte einer Liebe im Florenz der Renaissance“.[3] Sein Werk zählt Brucker zu der Gattung der Mikrogeschichte.[4]
Von zahlreichen Autoren wird Brucker als führender Historiker im Bereich der italienischen Renaissance bezeichnet.[5] Ehemalige Mitarbeiter sprechen von ihm als florentinischer Historiker „par excellence“.[6] Auch Elizabeth Welles bewundert das breite Wissen von Brucker über die Geschichte von Florenz und die archivarischen Dokumente, welche er für das Werk „Giovanni und Lusanna“ verwendete.[7]
Brucker selbst definiert die Mikrogeschichte als narrative Form der Darstellung bisher unerforschter Individuen und Milieus. Da es sich hierbei meist um Personen aus tieferen Gesellschaftsschichten handelt, sind laut Brucker insbesondere Akten von weltlichen sowie kirchlichen Gerichten als Quellen geeignet. Durch die Rekonstruktion der damaligen Welt anhand archivarischer Akten kann dem Leser/der Leserin das Gefühl von Unmittelbarkeit und Nähe vermittelt werden.[8]
Guido Ruggiero lobt in einer Rezension des Buches „Giovanni und Lusanna“ die Herangehensweise Bruckers an Mikrogeschichte mittels narrativer Geschichtsschreibung nach dem Vorbild von Lawrence Stone. Er beschreibt sein Vorgehen als vorbildlich und vergleicht Bruckers Werk mit Klassikern der Mikrogeschichte wie Carlo Ginzburgs Der Käse und die Würmer und Natalie Zemon Davis’ Die wahrhaftige Geschichte von der Wiederkehr des Martin Guerre. Ruggiero anerkennt Bruckers Fähigkeiten im Umgang mit den Archiven und der Komplexität der politischen, sozialen und kulturellen Kontexte hinter der Geschichte von Giovanni und Lusanna. Gleichzeitig warnt Ruggiero jedoch auch vor den Gefahren der narrativen Geschichtsschreibung wie bei fehlender Recherche und archivarischen Fähigkeiten mangelhafter Ausarbeitung der Hintergründe einer Erzählung.[9]
Thomas Kuehn jedoch kritisiert Brucker in Bezug auf „Giovanni und Lusanna“ und spricht dem Werk die Einordnung als Mikrogeschichte ab. Im Vergleich zu anderen Mikrohistorikerinnen und Mikrohistorikern, wie beispielsweise Judith Cora Brown, Natalie Zemon Davis oder Carlo Ginzburg fehle bei Brucker eine theoretische Basis. Während sich beispielsweise Davis der Anthropologie und Literaturkritik bediene, scheine Brucker lediglich eine gute Geschichte erzählen zu wollen. Kuehn sieht in einer narrativen Mikrogeschichte zahlreiche methodische Probleme. Aufgrund der Akten eines Gerichtsprozesses allein könne keine Gesellschaftsgeschichte geschrieben werden. Dazu bedürfe es einer größeren Spannbreite an unterschiedlichen Quellen, die wiederum einer Kontextanalyse unterzogen werden müssten. Die Quellen, die Brucker verwendet habe, ließen es lediglich zu, Funktionsweise, Praktiken und Diskurse eines Gerichtsprozesses zu rekonstruieren, nicht aber, darüber hinaus gehende Schlüsse über die Gesellschaft zu ziehen.[10]
Gene Brucker erwarb 1954 an der Princeton University den Grad Ph.D. Er erhielt unter anderem ein Rhodes-Stipendium, ein Guggenheim-Stipendium, wurde vom Fulbright-Programm unterstützt und war Fellow bei National Endowment for the Humanities.[11] 1979 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. Im Jahr 2000 folgte der Paul Oskar Kristeller Lifetime Achievement Award für sein Lebenswerk.[12] 2004 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der British Academy gewählt.[13]
Personendaten | |
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NAME | Brucker, Gene |
ALTERNATIVNAMEN | Brucker, Gene Adam |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Kunsthistoriker |
GEBURTSDATUM | 15. Oktober 1924 |
GEBURTSORT | Cropsey, Illinois |
STERBEDATUM | 9. Juli 2017 |
STERBEORT | Emeryville, Kalifornien |