Georg Albert von und zu Franckenstein

Porträtskizze von Philip Alexius de Laszlo (1925)

Georg Albert Freiherr von und zu Franckenstein, seit 1919 Georg Franckenstein, später auch Sir George Franckenstein GCVO (* 18. März 1878 in Dresden;[1][2][3]14. Oktober 1953 in Kelsterbach) war ein österreichischer Diplomat und Botschafter in London (1920–1938).

Georg Albert Freiherr von und zu Franckenstein war ein Sohn von Karl von und zu Franckenstein (1831–1898), der 1889 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit in der Gruppe der Rechten wurde, und der Elma, geborene Gräfin von Schönborn-Wiesentheid (1841–1884). Sein Bruder war der Komponist Clemens von Franckenstein (1875–1942).[4] Beide waren Jugendfreunde Hugo von Hofmannsthals, mit dem sie eine rege Briefkorrespondenz verband. Seine Schwester Leopoldine Freiin von und zu Franckenstein (1874–1918)[5] heiratete 1913 den deutschen Großindustriellen Gustav Hermann von Passavant. Ein Onkel väterlicherseits war Georg Arbogast von und zu Franckenstein.[4]

Von und zu Franckenstein verbrachte seine Kindheit in Franken und Wien. Nach Besuch des Schottengymnasiums und Studium an der Universität Wien trat er in den diplomatischen Dienst des Kaiserreichs Österreich ein. Seine diplomatische Laufbahn führte ihn nach Washington, St. Petersburg und nach Rom. Nach kurzer Verwendung im Ministerium des Äußeren in Wien, wurde er an den japanischen Kaiserhof, nach Indien und nach Brüssel beordert, bis er zum „Kommerzdirektor“ der k.u.k.-Botschaft in London ernannt wurde. Der Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 zwang ihn zum Verlassen Großbritanniens. Während des Ersten Weltkrieges amtierte Von und zu Franckenstein von 1915 bis 1918 als diplomatischer Repräsentant der Habsburgermonarchie im deutsch besetzten Belgien und 1918 im von den Mittelmächten besetzten Georgien, wo er gemeinsam mit dem deutschen General Kress von Kressenstein den verfolgten armenischen Flüchtlingen Hilfe zu leisten versuchte.

Aufgrund des Adelsaufhebungsgesetzes von April 1919 änderte sich sein Name in Georg Franckenstein.[1][2][3] Nach der Kriegsniederlage der Mittelmächte und dem Zerfall der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörte Franckenstein, zwischenzeitlich Legationsrat, im Mai 1919 der österreichische Delegation unter der Leitung von Karl Renner an, die zu den Vertragsverhandlungen in Saint-Germain reiste.[6]

Am 13. Oktober 1920 kehrte Franckenstein als diplomatischer Repräsentant der Republik Österreich nach London zurück.[3][7] Dort arbeitete er 18 Jahre lang als Austrian Minister to the Court of St. James, also als Gesandter der (Ersten) Republik Österreich (1920–1934) bzw. des diktatorisch regierten Bundesstaates Österreich (1934–1938).

In den frühen 1920er Jahren konnte er durch seine Kontakte in London die gravierende finanzielle Schieflage seines Landes durch Vermittlung internationaler Finanzanleihen ausgleichen. Durch seinen aufwendigen und repräsentativen Lebensstil, insbesondere durch die auch kulturpolitisch motivierte Veranstaltung von Musikabenden und Maskenbällen, genoss er hohes gesellschaftliches Ansehen in London, wo er ungeachtet des Adelsaufhebungsgesetzes von 1919 sich weiterhin als „Baron Franckenstein“ ansprechen ließ. Im Dezember 1937 wurde er von König Georg VI. als Knight Grand Cross des Royal Victorian Order ausgezeichnet.[8] Als Nicht-Brite erfolgte diese Verleihung ehrenhalber und war nicht mit einer Erhebung in den britischen Adelsstand verbunden.

Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich verlor Franckenstein im März 1938 seine diplomatische Funktion. Er kehrte nicht in seine nunmehr nationalsozialistisch beherrschte Heimat zurück, sondern blieb in London und wurde am 14. Juli 1938 als britischer Staatsbürger naturalisiert.[9] Als nun britischer Untertan stieg er als Knight Grand Cross des Royal Victorian Order in den britischen Adel auf, wurde am 26. Juli 1938 von König Georg VI. zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan Sir George Franckenstein nennen.[10][11] Franckenstein heiratete am 31. Juli 1939 die junge Engländerin Editha King.[12] Am 28. Mai 1944 wurde sein Sohn Clement George geboren,[13] der später unter dem Namen Clement von Franckenstein Schauspieler wurde.[12]

George Franckenstein und seine Frau starben am 14. Oktober 1953 als Passagiere einer Convair CV-240 beim Flugunfall der Sabena bei Kelsterbach.[13]

Auf einer Darstellung seines Sohnes Clement Franckenstein beruht die Legende, dass George Franckenstein nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 angeboten wurde, „Österreichs erster Bundespräsident“ zu werden. Clement Franckenstein: „Als Diplomat alten Stils lehnte er das ehrenvolle Ansinnen höflich und nach reiflicher Überlegung ab, da er es als undankbar gegenüber den Briten empfunden hätte, die ihn vor Hitler geschützt und ihm ihre Staatsbürgerschaft und Titel verliehen und seiner Familie geholfen hatten.“[14][15]

Deutschsprachige Ausgabe der Erinnerungen (2005)
  • Sir George Franckenstein, G.C.V.O., D.C.L. (Hon.) Oxon: Facts and features of my life. Austrian Minister to the Court of St. James, 1920–1938. London, 1939.[16]
  • Otto Erich Deutsch, George Franckenstein (Hrsg.): The World of Music. London: Passish, 1950

Einzelnachweise

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  1. a b Das Botschaftsgebäude. Von Chandos Haus zum Belgrave Square. In: Website der Österreichischen Botschaft in London (unter Verweis auf: Rudolf Agstner: Von Chandos House zum Belgrave Square – Österreichs Botschaft in London 1815-1997. Sonderdruck. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs), ohne Datum, abgerufen am 17. Oktober 2022: „Die Gesandtschaft der Republik Österreich nahm am 18. August 1920 ihren Dienstbetrieb auf, erster Gesandter der Republik Österreich wurde Georg Franckenstein. …“
  2. a b Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Österreich und Großbritannien i.d.g.F.; Stammfassung BGBl. Nr. 80/1925 in der Präambel: „Der Bundespräsident der Republik Österreich und Seine Majestät der König des Vereinigten Königreiches […] haben beschlossen, zu diesem Zweck einen Handels- und Schiffahrtsvertrag abzuschließen und zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich: / Der Bundespräsident der Republik Österreich, den Herrn Georg Franckenstein, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Republik Österreich zu London; und Seine Majestät der König des Vereinigten Königreiches …“
  3. a b c Buckingham Palace, October 13, 1920. In: The London Gazette, Ausgabe 32090, 10. Oktober 1920, S. 10099 (PDF): “This day had Audience of The KING: / Herr Georg Franckenstein, to present his Letters of Credence as Envoy Extraordinary and Minister Plenipotentiary from the Republic of Austria”.
  4. a b Franckenstein, Karl Freiherr von auf der Website des österreichischen Parlaments. Über die bedeutenden nahen Familienmitglieder: „Sonstiges: Vater von Georg (Sir George) (1878-1953), 1920-1938 österr. Gesandter in London, und Clemens (1875-1942) Frh. v. Franckenstein, Dirigent und Komponist; Bruder von Georg Arbogast Frh. v. Franckenstein (1825-1890), 1871-1890 Mitglied des deutschen Reichstags (1879-1887 Vizepräsident), 1881-1890 Präsident des bayerischen Reichsrats“
  5. Kleine Chronik. (…) † Leopoldine v(on) Passavant-Franckenstein. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 19375/1918, 4. August 1918, S. 9, oben links. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  6. a b Otto Heinzl, 2013, S. 55.
  7. Sir George Franckenstein Internationales Biographisches Archiv 51/1953 vom 7. Dezember 1953, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  8. Otto Heinzl, 2013, S. 56. Hier unter Fußnote 298: „Franckenstein, Facts, IX.“
  9. Naturalization. In: The London Gazette, Ausgabe 34541, 12. August 1938, S. 5180ff, hier: S. 5182 (PDF): “Franckenstein, George, Austria, No Occupation, 46, Circus Road, NWS. 14 July, 1938”.
  10. Great Britain: New Subject. In: Time, 8. August 1938: “1) Home Secretary Sir Samuel Hoare waived formalities, turned into a British subject the jobless longtime (1920-38) Minister of Austria to the Court of St. James's, Baron Georg Franckenstein (who in spite of his beaked nose is an Aryan); 2) King George VI called his new subject to Buckingham Palace, dubbed him Sir George Franckenstein, Knight.
  11. Sylvia M. Patsch: Österreichische Schriftsteller im Exil in Großbritannien. Ein Kapitel vergessene österreichische Literatur. Romane, Autobiographien, Tatsachenberichte auf englisch und deutsch. Brandstätter, Wien 1985, ISBN 3-85447-076-2, S. 210 ff.
  12. a b Clement von Franckenstein. Internet Movie Database, abgerufen am 17. Oktober 2022 (englisch).
  13. a b Otto Heinzl, 2013, S. 56.
  14. Clement von Franckenstein im Vorwort zu den Erinnerungen (2005)
  15. a b Freiherr und Sir. Buchbesprechung zur erstmals erschienenen „deutschen Urfassung“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Juni 2005, S. 9 (Artikel online).
  16. Otto Heinzl, 2013, S. 132.