Gottlieb von Jagow

Gottlieb von Jagow, ca. 1915

Günther Gottlieb Karl Eugen von Jagow (* 22. Juni 1863 in Berlin; † 11. Januar 1935 in Potsdam) war ein deutscher Diplomat und Politiker.

Gottlieb von Jagow entstammte dem alten märkischen Adelsgeschlecht von Jagow, das 1268 erstmals urkundlich erwähnt und seit dem 14. Jahrhundert in der Altmark schlossgesessen ist. Sowohl sein Vater Karl von Jagow wie sein älterer Bruder Günther waren Reichstagsabgeordnete der Deutschkonservativen Partei. Von 1878 bis 1883 besuchte Jagow die traditionsreiche Ritterakademie Brandenburg, die er mit dem Abitur abschloss.[1] Zu seinen Mitschülern zählte der spätere Diplomat Hans von Flotow und u. a. der Forstfachmann Friedrich von Kalitsch. Während seines Studiums an der Universität Bonn war Jagow Mitglied der schlagenden Verbindung Corps Borussia Bonn, der auch Mitglieder des Kaiserhauses angehörten.[2] 1914 heiratete er Luitgard zu Solms-Laubach (1873–1954), die Tochter des Grafen Friedrich zu Solms-Laubach (1833–1900) und Marianne zu Stolberg-Wernigerode (1836–1910). Die Ehe blieb kinderlos.

Jagow schlug eine diplomatische Laufbahn ein und wurde 1895 Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Rom. Dort blieb er bis 1906, wobei er 1897 einige Monate als preußischer Legationsrat in Hamburg wirkte. 1906/07 war er Vortragender Rat im Auswärtigen Amt in Berlin und danach von 1907 bis 1909 Gesandter in Luxemburg sowie von 1909 bis 1913 Botschafter in Italien. Während des Italienisch-Türkischen Kriegs hielt Jagow am Dreibund zwischen dem Deutschen Kaiserreich, Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien fest.[3]

Am 11. Januar 1913 wurde er von Kaiser Wilhelm II. als Nachfolger des im Vorjahr verstorbenen Alfred von Kiderlen-Waechter zum Staatssekretär im Auswärtigen Amt ernannt. Jagow war ein vorsichtiger Berater des Kaisers und ihm lag an guten deutsch-britischen Beziehungen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg warnte er vor einem möglichen Kriegseintritt Großbritanniens auf Seiten Frankreichs. Obwohl er kein Kriegstreiber war, nahm er in der Julikrise 1914 eine zwiespältige Rolle ein und unterstützte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg. Dieser befürwortete ein deutsches Eintreten in den Krieg auf Seiten Österreich-Ungarns gegen Serbien, obgleich dann das Russische Reich dem Deutschen Reich den Krieg erklären konnte.

Schon vor Kriegsausbruch stand Jagow dem Schlieffen-Plan skeptisch gegenüber und war gegen einen deutschen Einmarsch in das neutrale Belgien, da dies den britischen Kriegsbeitritt zur Folge haben musste. Doch Generalstabschef Helmuth von Moltke lehnte eine Revision des Planes ab. Als nach dem Rückzug während der Ersten Schlacht an der Marne Moltke als Generalstabschef entlassen wurde, schlug er den Ententemächten Frieden vor; diese lehnten jedoch ab. Jagow sprach sich gegen die Pläne von Tirpitz' aus, einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu führen, da dies einen Eintritt der USA in den Krieg auf Seiten der Entente bedeuten würde. Daraufhin wurde er am 22. November 1916 aus seinem Amt entlassen und durch Arthur Zimmermann ersetzt.

Nach dem Krieg veröffentlichte Jagow 1919 eine Studie unter dem Titel Ursachen und Ausbruch des Weltkriegs mit einigen autobiographischen Passagen und zog sich aus der Politik zurück. Er wirkte, nicht mehr in den diplomatischen Dienst der Weimarer Republik übernommen, vor allem in enger Kooperation mit dem Kriegsschuldreferat des Auswärtigen Amts an der Revision der im Versailler Vertrag postulierten Kriegsschuld Deutschlands mit.

  • Hellmut Seier: Jagow, Gottlieb. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 299 f. (Digitalisat).
  • Reinhold Zilch (Hrsg.): Gottlieb von Jagow (1863–1935) und sein Umfeld. Ein kaiserlicher Spitzendiplomat zwischen Erstem Weltkrieg und Kriegs(un)schuldforschung. Workshop am 6./7. Juni 2019 in München, Historisches Kolleg. Veranstalter: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin; Finanziert von der DFG. Mit Beiträgen von Hans-Werner Hahn, Reinhold Zilch, Gerd Fesser, Hartwin Spenkuch, Gerd Krumeich, Jakob Müller, Piotr Szlanta, Christian Lüdtke, Martin Kröger. Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, Band 142, Jahrgang 2020. trafo Wissenschaftsverlag Dr. Wolfgang Weist, Berlin 2020, ISBN 978-3-86464-179-4.
  • Gottlieb von Jagow (1863–1935) und die Kriegsschuldfrage 1918 bis 1935. Zur Rolle des ehemaligen Chefs des Auswärtigen Amts in den geschichtswissenschaftlichen Debatten der Weimarer Zeit., hrsg. und bearbeitet von Reinhold Zilch (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 80.), Duncker & Humblot, Berlin 2023, X, 658 S. ISBN 978-3-428-18923-6.

Einzelnachweise

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  1. Walter von Leers: Die Zöglinge der Ritterakademie zu Brandenburg a. H. 1705–1913. Hrsg. Verein der ehemaligen Zöglinge der Ritterakademie zu Brandenburg a. H. (Alumnats- und Zöglingsverzeichnis, Band I von IV, Zöglings-RA-No. 1423), Gedruckt im Selbstverlag bei der Buchdruckerei P. Riemann Ludwigslust, Brandenburg a. H., Belzig 1913, S. 324–325.
  2. Kösener Corpslisten 1930. Eine Zusammenstellung der Mitglieder der bestehenden und der nach dem Jahre 1867 suspendierten Corps mit Angabe von Jahrgang, Chargen und Personalien, Hrsg. Otto Gerlach, Im Verlag der Deutschen Corpszeitung, Frankfurt am Main 1930, (Corps) 11 / 678 (lfd. Nr. dort). Siehe auch: Liste Bonner Preußen#Diplomaten
  3. „Jagow wechselt ins Außenministerium.“ In: Norbert Fischer (Hrsg.): Chronik 1913. Chronik Verlag, Dortmund 1987, S. 12. ISBN 3-611-00001-9.