Die Stadt Gräfenhainichen liegt jeweils ca. 20 km südwestlich von Wittenberg, südöstlich von Dessau und nordöstlich von Bitterfeld am Rande der Dübener Heide.
In der Nähe wurde im Zuge der Umgestaltung des ehemaligen Braunkohle-Tagebaus Golpa-Nord der Gremminer See geschaffen, an dessen Ufer sich das Industriedenkmal Ferropolis befindet. Am Südrand der Stadt findet sich außerdem der Gröberner See, der ebenfalls aus einem ehemaligen Tagebau entstanden ist.
Gräfenhainichen wurde 1285 erstmals urkundlich als Lehen des Grafen Albrecht II. von Anhalt erwähnt. Der Ort hieß anfangs zu dem Hayne, dann Gravenalbrechtshayn, woraus schließlich der heutige Name entstand. 1454 wurden die Stadtrechte bestätigt, nachdem alle Urkunden von einem Feuer vernichtet worden waren. 1607 wurde der bedeutendste Sohn der Stadt, der evangelisch-lutherische Pfarrer und Liederdichter Paul Gerhardt, geboren. 1637 erreichten die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auch Gräfenhainichen, das von schwedischen Truppen fast vollständig zerstört wurde. Der Ort war bis 1815 Hauptort des kursächsischenAmts Gräfenhainichen.[3] Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses kam er zu Preußen und wurde 1816 dem Kreis Bitterfeld im Regierungsbezirk Merseburg der Provinz Sachsen zugeteilt, zu dem er bis 1944 gehörte.[4]
Nachdem 1859 die Bahnstrecke Wittenberg–Bitterfeld eingeweiht worden war, siedelten sich wegen der verkehrsgünstigen Lage immer mehr Industriebetriebe an. 1874 wurde die erste Druckerei gegründet. Bis 1990 arbeiteten in Gräfenhainichen teilweise bis zu vier Druckereien. Seit 1890 wurde in der Nähe von Gräfenhainichen, zunächst im Tiefbau, später im Tagebau Braunkohle gefördert.
1952 wurde Gräfenhainichen Kreisstadt des damaligen Kreises Gräfenhainichen im Bezirk Halle für drei Städte und 27 Gemeinden (ab 1982 nur noch 26, da die Gemeinde Gremmin dem Braunkohlenabbau zum Opfer fiel).
Nach dem Ende der DDR, der Auflösung des Bezirkes Halle und der Wiedererrichtung des Landes Sachsen-Anhalt wurde der Kreis Gräfenhainichen bis zum 30. Juni 1994 erhalten. Im Zuge der Kreisgebietsreform 1994 verlor Gräfenhainichen den Status einer Kreisstadt. Bis 2010 war die Stadt der Sitz des Verwaltungsamtes der Verwaltungsgemeinschaft Tor zur Dübener Heide.[5]
Eingemeindungen
Am 20. Juli 1950 wurde Mescheide nach Gräfenhainichen eingemeindet.[6] Am 1. Januar 2007 kam die Gemeinde Jüdenberg hinzu.[7] Möhlau, Schköna, Tornau und Zschornewitz wurden 2011 durch das Gesetz über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt eingemeindet.[5]
Der Stadtrat von Gräfenhainichen besteht aus 23 Stadtverordneten und dem Bürgermeister. Die Kommunalwahl vom 9. Juni 2024 führte bei einer Wahlbeteiligung von 61,6 % zu folgendem Ergebnis:[9]
Entsprechend der Einwohnerzahl der Stadt sollte der Stadtrat aus 28 Mitgliedern bestehen (§ 37 Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt).[11]
Bei der Wahl 2019 entfielen auf die AfD fünf Sitze, von denen vier unbesetzt blieben (§ 47 Kommunalwahlgesetz Sachsen-Anhalt),[12] weil die Partei nur einen Kandidaten nominiert hatte.
Bei der Wahl 2024 entfielen auf die AfD acht Sitze, von denen fünf unbesetzt bleiben, weil die Partei nur drei Kandidaten nominiert hatte.[13]
Harry Rüßbült war von 2001 bis 2015 Bürgermeister von Gräfenhainichen. Enrico Schilling wurde in der Bürgermeisterwahl am 12. April 2015 mit 66,9 Prozent der gültigen Stimmen zu seinem Nachfolger gewählt.[14][15] Bei der Wahl am 27. März 2022 wurde Schilling ohne Gegenkandidat mit 100,0 Prozent der gültigen Stimmen für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt.[16]
Das Wappen wurde am 17. Dezember 1993 durch das Regierungspräsidium Dessau genehmigt.
Blasonierung: „In Silber zwei rote, durch eine Mauer verbundene, schwarz gefugte Türme mit schwarzen Dächern, wachsend aus einem goldenen Schild mit schwarzem Löwen, umrahmt von zwei grünen Lorbeerzweigen.“[17]
Die Türme symbolisieren in stilisierter Form die zwei Gräfenhainicher Stadttürme, die dazwischen liegende Mauer die Stadtmauer. Der meißnische Löwe als altes wettinisches Hoheitszeichen kennzeichnet die etwa 450-jährige Zugehörigkeit der Stadt zur markmeißnischen Landesherrschaft bzw. zu Kursachsen. Die Lorbeerranken gehen auf die ursprüngliche Damaszierung zurück.
Ferropolis, Freilichtmuseum und Veranstaltungsort, Bergbau- und Erlebnisbahn. Hier finden jährlich die Musikfestivals Full Force, Hive[18] und splash!, bis 2024 auch das Melt statt.
Stadtkirche St. Marien: Um 1300 entstand an der Stelle bereits eine Kirche, die 1637 im Dreißigjährigen Krieg zu großen Teilen zerstört wurde. Der Wiederaufbau erfolgte zwischen 1658 und 1666. Aus dieser Zeit stammen der Altaraufsatz und die hölzerne Kanzel. Aus der alten Kirche ist das steinerne Epitaph im Chorraum gegenüber der Kanzel erhalten geblieben, das aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt. St. Marien gehört zum Evangelischen Kirchenkreis Wittenberg.[19]
Paul-Gerhardt-Kapelle, klassizistisches Bauwerk, das zu Ehren von Paul Gerhardt errichtet wurde. Die Grundsteinlegung erfolgte am 9. Mai 1830, am 21. Oktober 1844 wurde die Gedächtnisstätte eingeweiht. Die Kapelle verfügt über hochgezogene Sprossenfenster an allen vier Gebäudeseiten. Sie beherbergt neben einer umfangreichen Dauerausstellung über das Leben und Wirken Paul Gerhardts die Paul-Gerhardt-Bibliothek. Zudem finden in der Kapelle kulturelle Veranstaltungen statt.[20]
Paul-Gerhardt-Haus (Karl-Liebknecht-Straße 17), 1907–1909 zum Gedenken an den 300. Geburtstag Paul Gerhardts erbaut, dient als Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde[21]
Paul-Gerhardt-Denkmal (am Paul-Gerhardt-Haus), 1911 vom Bildhauer Friedrich Pfannschmidt geschaffen
Schlossruine, heute Veranstaltungsareal
Kursächsische Postdistanzsäule, rekonstruiert mit dem Originalschriftblock von 1728, diente – bis heute gut sichtbar – jahrzehntelang als Treppenstufe einer Schule
Buchdruckmuseum: Die erste Druckerei wurde 1874 im Ort eröffnet und machte Gräfenhainichen zu einer bedeutenden Stadt des Buchdrucks. Das Museum wurde in Oranienbaum gegründet und 1992 vom dortigen Schloss nach Gräfenhainichen verlegt. Es befindet sich in den Räumen der Stadtbibliothek. Das Museum beschäftigt sich mit der Geschichte des Buchdrucks in der Stadt und zeigt eine Ausstellung verschiedener Druck- und Heftmaschinen.[23]
Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt mit vollständig eingerichteter Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt aus dem Jahr 1863[24]
Gedenktafel an der Grabstelle von zwei jüdischen Pogromopfern der jüdischen Landwirtschaftsschule im Gehöft Bomsdorf
Grabstätten auf dem Friedhof des Ortsteiles Strohwalde am Schleesener Weg für zwei namentlich bekannte sowjetische bzw. polnische Opfer von Zwangsarbeit aus dem Dorf Gremmin, das dem Braunkohletagebau weichen musste
Baumdenkmal für die Deutsche Einheit auf die Grünfläche am Vorstadtteich, Strohwalder Straße. In der Mitte stehen drei rustikale Bänke, ebenfalls im Dreieck.[25]
Köhlerei Eisenhammer, von der Stiftung Köhlerei Eisenhammer betrieben.[26] Die Köhlerei lieferte zu DDR-Zeiten mehrere hundert Tonnen Holzkohle pro Jahr an metallverarbeitende Betriebe. In den 1990er Jahren wurde der Betrieb privatisiert und stellt bis heute in Handarbeit Grillkohle her.
SteinbruchMöhlau: Am Ort des Steinbruchs existierte vor über 290 Millionen Jahren ein Vulkan, der Porphyr entstehen ließ, welcher mehrere Jahrhunderte lang im Steinbruch abgebaut wurde. 1935 wurde der Steinbruch mit drei Seen, steilen Felswänden, Pavillon und Brücke zum Park umgestaltet, später kamen noch weitere Wege und eine Freilichtbühne hinzu. Die 5 Hektar große Anlage ist zum „geschützten Park“ erklärt worden.[27]
Gräfenhainichen liegt an der Radroute KOHLE | DAMPF | LICHT | SEEN.[28]
Gräfenhainichen besitzt das Paul-Gerhardt-Gymnasium, die Sekundarschule „Ferropolis“, drei Grundschulen (je eine in der Stadt sowie in den Ortsteilen Schköna und Zschornewitz) und zwei Förderschulen („An der Lindenallee“ für Lernbehinderte und „Peter Petersen“ für geistig Behinderte).
In Gräfenhainichen befinden sich mehrere Arztpraxen. In der näheren Umgebung der Stadt liegen das Evangelische Krankenhaus Paul Gerhardt Stift (Wittenberg), das Städtische Klinikum Dessau sowie das Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen, dessen Medizinisches Versorgungszentrum in Gräfenhainichen eine Praxis für Innere Medizin und Kardiologie als Nebenbetriebsstätte unterhält.[29]