Graßmann-Mannigfaltigkeiten (gelegentlich fälschlich auch Grassmann-Mannigfaltigkeiten geschrieben) sind in der Mathematik ein grundlegender Begriff sowohl der Differentialgeometrie als auch der algebraischen Geometrie. Sie parametrisieren die Unterräume eines Vektorraumes und stellen damit eine Verallgemeinerung des projektiven Raumes dar. Benannt sind sie nach Hermann Graßmann.
Sei ein Vektorraum über einem Körper . Dann bezeichnet
die Menge der -dimensionalen Untervektorräume von . Falls -dimensional ist, bezeichnet man auch mit
- .
Im Fall wirkt die orthogonale Gruppe
auf durch
- .
Die Wirkung ist transitiv, die Stabilisatoren sind konjugiert zu
- .
Man erhält also eine Bijektion zwischen und dem homogenen Raum
- .
Im Fall wirkt die unitäre Gruppe transitiv und liefert eine Bijektion der Graßmann-Mannigfaltigkeit mit
- .
Als reelle Graßmann-Mannigfaltigkeit (der -dimensionalen Unterräume im ) bezeichnet man mit der durch die Identifikation mit
gegebenen Topologie.
Als komplexe Graßmann-Mannigfaltigkeit bezeichnet man entsprechend
- .
Die kanonische Inklusion induziert eine Inklusion . Man definiert
als induktiven Limes der mit der Limes-Topologie.
Grassmann-Mannigfaltigkeiten sind projektive Varietäten mittels Plücker-Einbettung.
Sei der projektive Limes bezüglich der kanonischen Inklusionen und definiere
- .
Dann ist die Projektion auf den ersten Faktor ein Vektorbündel
- ,
welches als tautologisches oder universelles r-dimensionales Vektorbündel bezeichnet wird.
Zu jedem r-dimensionalen Vektorbündel gibt es eine stetige Abbildung
- ,
so dass das Pullback des tautologischen Bündels unter ist.
Im Fall des Tangentialbündels einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit hat man die folgende explizite Beschreibung der klassifizierenden Abbildung: Nach dem Einbettungssatz von Whitney kann man annehmen, dass eine Untermannigfaltigkeit eines ist. Die Tangentialebene in einem Punkt ist dann von der Form
für einen Untervektorraum . Die Zuordnung
definiert eine stetige Abbildung
und man kann zeigen, dass
ist.
Die Graßmann-Mannigfaltigkeit ist der klassifizierende Raum für Prinzipalbündel mit Strukturgruppen . Und damit auch für Prinzipalbündel mit Strukturgruppe , denn weil die Inklusion eine Homotopieäquivalenz ist, lässt sich jedes -Bündel auf die Strukturgruppe reduzieren. Es gilt also:
- .
Die kanonische Projektion von der Stiefel-Mannigfaltigkeit nach , welche Repere jeweils auf den von ihnen erzeugten Unterraum abbildet, ist das universelle -Bündel. (Das tautologische Bündel ergibt sich aus dem universellen -Bündel als assoziiertes Vektorbündel durch die kanonische Wirkung von auf dem Vektorraum .)
Der Kolimes der Folge von Inklusionen
wird als oder bezeichnet. Gebräuchlich sind auch die Bezeichnungen
- .
Mittels Bott-Periodizität kann man die Homotopiegruppen dieses Raumes berechnen.
Das Cup-Produkt im Kohomologiering der Graßmann-Mannigfaltigkeiten kann mittels Schubert-Kalkül bestimmt werden.