Großer Preis von Italien 1935

Das Autodromo di Milano in seiner befahrenen Version
Maserati V8-RI
Der nur im Training gefahrene Monaco-Trossi mit luftgekühltem Zweitakt-16-Zylinder-Sternmotor

Der XII. Große Preis von Italien fand am 8. September 1935 auf dem Autodromo di Milano in Monza statt. Als Grande Épreuve zählte er zur Grand-Prix-Europameisterschaft 1935 und wurde nach den Bestimmungen der Internationalen Grand-Prix-Formel (Rennwagen bis maximal 750 kg Leergewicht; 85 cm Mindestbreite; Renndistanz mindestens 500 km) über 73 Runden à 6,890 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 502,97 km entsprach.

Sieger wurde Hans Stuck auf Auto Union Typ B[1], der damit den ersten Saisonerfolg seines Teams erringen konnte.

Der Große Preis von Italien war seit Anbeginn stets einer der Saisonhöhepunkte und obwohl 1935 nur Werksmannschaften zugelassen wurden, waren dennoch 18 Meldungen eingegangen. Nachdem Alfa Romeo trotz des Erfolgs beim Großen Preis von Deutschland gegenüber den deutschen Silberpfeilen in der Regel im Hintertreffen war, stand die Scuderia Ferrari, als offizielles Werksteam des Mailänder Unternehmens, vor heimischer Kulisse unter Erfolgsdruck. Erstmals in der Saison wurde hier das neue Grand-Prix-Modell Tipo C (später auch als Alfa Romeo 8C-35 bekannt) präsentiert. Obwohl eigentlich für die Aufnahme eines neuen V12-Motors vorgesehen, konnte in das jetzt rundum mit Einzelradaufhängung ausgestattete Chassis aus Gewichtsgründen zunächst nur der bekannte Reihenachtzylinder eingebaut werden, der in seiner letzten Entwicklungsstufe bei 3,8 Liter Hubraum ca. 350 PS leistete. Als Fahrer des neuen Modells waren die beiden Mannschaftsführer Tazio Nuvolari und Louis Chiron vorgesehen, während einer der altbewährten Alfa Romeo Tipo B für Chef-Testpilot Attilio Marinoni eingesetzt wurde. Während des Trainings stellte sich jedoch heraus, dass Chiron durch seine beim vorangegangenen Großen Preis der Schweiz erlittenen Verletzungen noch sehr beeinträchtigt war, so dass sein Auto von René Dreyfus als Ersatzfahrer des Teams übernommen wurde.

Auch das zweite italienische Team von Maserati konnte das Debüt des bereits mehrfach angekündigten neuen Grand-Prix-Typs Maserati V8-RI hier nicht mehr länger hinauszögern, obwohl das Modell bei weitem noch nicht ausgereift war und die Möglichkeiten des relativ kleinen Werks deutlich überforderte. Ähnlich wie bei Alfa Romeo hatte auch hier mit der Scuderia Subalpina ein nominell unabhängiger Rennstall den Einsatz der beiden Wagen übernommen, die von dem jungen, talentierten Italiener Giuseppe Farina und dem erfahrenen Franzosen Philippe Étancelin gesteuert wurden. Außerdem traten mit Goffredo Zehender und Pietro Ghersi zwei weitere Fahrer mit älteren Wagen vom Typ Maserati 6C-34 an, die zu dieser Zeit bereits veraltet waren.

Hauptgegner der Italiener waren die deutschen Teams, allen voran Mercedes-Benz, das bereits vier der bislang fünf offiziellen Grands Prix der Saison gewonnen hatte. Dementsprechend hatten die beiden teaminternen Rivalen Rudolf Caracciola und Luigi Fagioli schon einen deutlichen Vorsprung in der Europameisterschaftswertung herausgefahren, während Manfred von Brauchitsch als sprichwörtlicher Pechvogel nicht ganz an die Ergebnisse seiner zwei Mannschaftsführer herangekommen war. Ein viertes Auto bekam Hermann Lang als sogenannter Juniorfahrer des Teams.

Auch bei der Auto Union zeichnete sich nach dem schwierigen Saisonbeginn seit dem Rennen auf dem Nürburgring ein deutlicher Aufwärtstrend für die Wagen mit dem Mittelmotor ab. Fahrer waren das bewährte Trio Hans Stuck, Achille Varzi und Bernd Rosemeyer, dazu Reservefahrer Paul Pietsch mit einem vierten Auto des Teams. Nach längerer Abstinenz war außerdem Bugatti wieder mit zwei Rennwagen für Piero Taruffi und Jean-Pierre Wimille dabei, der Bugatti Type 59 war allerdings schon lange nicht mehr konkurrenzfähig.

Schließlich tauchte mit dem Monaco-Trossi im Training noch ein extrem ungewöhnliches Fahrzeug auf. Mit seinem ganz vorn im Wagenbug eingebauten luftgekühlten 16-Zylinder-Doppelsternmotor von 4 Litern Hubraum ähnelte das Auto zur damaligen Zeit einem Flugzeug ohne Flügel, wie auch die Gitterrohr-Bauweise des Chassis vom Flugzeugbau inspiriert worden war. Finanziert wurde das Projekt von Carlo Felice Trossi, der das frontgetriebene Auto zusammen mit Giulio Aymini im Training bewegte. Dabei traten jedoch schnell die Unzulänglichkeiten der Konstruktion in Form von extremem Untersteuern, zu geringer Motorleistung und verschiedenen anderen technischen Problemen und Kinderkrankheiten zutage, so dass es umgehend vom Rennen wieder zurückgezogen wurde.

Nachdem die Streckenführung von 1934 als nicht wirklich Grand-Prix-würdig eingeschätzt worden war, wurde für 1935 die schon 1930 verwendete, nach Rennleiter Vincenzo Florio benannte Streckenvariante in Form einer Kombination aus Straßenkurs mit Teilen des Hochgeschwindigkeitsovals gewählt. Insgesamt fünf Schikanen sollten allzu große Geschwindigkeiten verhindern, was vor allem für die Bremsen eine erhebliche Belastung bedeutete. Die Startaufstellung wurde wie im Vorjahr weiterhin ausgelost.

Farina hatte allerdings keine allzu lange Freude an seiner besten Startposition, weil am neuen Maserati wenige Minuten vor dem Start noch ein Kolbendefekt auftrat. Dagegen konnte Caracciola mit seinem Mercedes wie erwartet direkt beim Start die Führung übernehmen, gefolgt von den beiden Auto-Union-Fahrern Stuck und Varzi mit Caraccciolas Teamkollegen Fagioli unmittelbar dahinter. Bei der Auto Union hatte man sich eine besondere Rennstrategie zurechtgelegt, in der Varzi den „Hasen“ spielen und von Anfang an ein hohes Tempo vorlegen sollte, um die Gegner auf diese Weise unter Druck zu setzen. Stuck sollte sich dagegen zunächst zurückhalten, um von möglichen Problemen der Gegner zu profitieren. Er stellte jedoch schnell fest, dass die Mercedes-Silberpfeile das Tempo gar nicht mitgehen konnten, und so lagen die beiden Auto Union ab der dritten Runde gemeinsam in Front.

Die Doppelführung hielt allerdings nicht allzu lange an, denn zum Ende der 14. Runde musste Varzi sein Auto mit einem Motorschaden abstellen. Der Materialbeanspruchung fielen nun immer mehr weitere Teilnehmer zum Opfer, kurz nach Varzi traf es bei Auto Union ebenso Rosemeyer und wenig später war auch Fagioli wegen zunehmender Bremsprobleme an seinem Mercedes aus dem Rennen. Étancelins Fahrt mit dem einzigen verbliebenen neuen Maserati endete an einem Baum, nachdem das Gaspedal hängen geblieben war, der Fahrer trug jedoch glücklicherweise nur relativ leichte Verletzungen davon.

In der Zwischenzeit konnte sich Stuck langsam von Caracciola absetzen, der seinerseits nun zunehmend von Nuvolari im neuen Alfa Romeo unter Druck gesetzt wurde. Zwar wurde der Italiener durch einen Fahrfehler zwischendurch nochmals einige Sekunden zurückgeworfen, doch dann schlug bei Mercedes der planmäßige Tank- und Reifenstopp komplett fehl, in dessen Rahmen Caracciola das Steuer an den an den Boxen wartenden Lokalmatador Fagioli übergab. Da kurz darauf auch Stuck zum Wechsel kam, lag Nuvolari bis zu seinem eigenen Stopp sogar kurzzeitig in Führung und konnte das Rennen anschließend mit einer Minute Rückstand auf Rang zwei fortsetzen.

Doch auch die neue Reihenfolge hatte nicht allzu lange Bestand, denn während Stuck an der Spitze offenbar völlig unbeeindruckt fuhr, ging dahinter das Ausscheidungsrennen weiter. Nacheinander traf es zunächst die beiden Mercedes-Fahrer von Brauchitsch in der 41. und Fagioli in der 45. Runde – Letzteren zum zweiten Mal in diesem Rennen – die mit defekten Bremsen aufgeben mussten, und als einige Zeit später auch Langs Auto mit Motorschaden liegen blieb, war Mercedes-Benz am Ende sogar ganz aus dem Rennen. Nur zwei Runden nach Fagioli stand schließlich Nuvolari ebenfalls mit qualmendem Motor an der Box, so dass Dreyfus mit dem zweiten der neuen Alfa Romeo von ihm die Position im Rennen übernahm, wenn auch mit noch einmal deutlich größerem Rückstand auf den Führenden. Als der Dreyfus zum Tankstopp hereinkam, musste er das Auto an seinen Teamkapitän und Lokalhelden Nuvolari abtreten, der noch einmal alles versuchte, um Stuck und der Auto Union den Sieg noch zu entreißen. Doch schließlich waren auch für den Alfa Romeo die Belastungen zu hoch und Nuvolari musste sich mit nachlassenden Bremsen und einem nur noch auf sieben Zylindern laufenden Motor mit dem zweiten Platz begnügen. Dritter wurde mit mehreren Umläufen Rückstand Rosemeyer, der Pietschs Auto übernommen und die letzten Runden hindurch ganz ohne Bremsen um den Kurs gebracht hatte.

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Italien 1861 Scuderia Subalpina 02 Italien 1861 Giuseppe Farina DNS a Maserati V8-RI Maserati 4.8L V8 Kompressor P
14 Dritte Französische Republik Philippe Étancelin
24 Italien 1861 Goffredo Zehender Maserati 6C-34 Maserati 3.7L V6 Kompressor
32 Italien 1861 Pietro Ghersi
32 Italien 1861 Eugenio Siena DNS b
Dritte Französische Republik Automobiles Ettore Bugatti 04 Italien 1861 Piero Taruffi Bugatti T59 Bugatti 3.3L I8 Kompressor M
16 Dritte Französische Republik Jean-Pierre Wimille
Dritte Französische Republik Robert Benoist RES
NS-Staat Daimler-Benz AG 06 NS-Staat Rudolf Caracciola c Mercedes-Benz W 25B Mercedes-Benz M 25 B 4.0L I8 Kompressor C
18 Italien 1861 Luigi Fagioli
26 NS-Staat Manfred von Brauchitsch
34 NS-Staat Hermann Lang Mercedes-Benz W 25 Mercedes-Benz M 25 3.4L I8 Kompressor
Italien 1861 Count Carlo Felice Trossi 08 Italien 1861 Carlo Felice Trossi d DNS e Monaco-Trossi Monaco-Trossi 4.0L S16 Kompressor M
Italien 1861 Scuderia Ferrari 10 Italien 1861 Tazio Nuvolari Alfa Romeo 8C-35 Alfa Romeo 3.8L I8 Kompressor E
20 Dritte Französische Republik René Dreyfus f
20 Monaco Louis Chiron DNS g
28 Italien 1861 Attilio Marinoni Alfa Romeo Tipo B/P3 Alfa Romeo 3.2L I8 Kompressor
Italien 1861 Gianfranco Comotti RES
NS-Staat Auto Union AG 12 NS-Staat Hans Stuck Auto Union B Auto Union 5.6L V16 Kompressor C
22 Italien 1861 Achille Varzi
30 NS-Staat Bernd Rosemeyer
36 NS-Staat Paul Pietsch h
a 
Kolbenschaden im Warm-Up zum Rennen.
b 
Siena war ursprünglich gemeldet, an seiner Stelle trat aber Reservefahrer Ghersi zum Rennen an. Siena diente dem Team dann seinerseits als Reservefahrer.
c 
Auto während des Rennens an Fagioli übergeben. Wie schon zuvor beim Großen Preis der Schweiz stand Caracciola im Training für Testzwecke auch der Prototyp des Nachfolgemodells für 1936 zur Verfügung.
d 
Das Auto wurde im Training auch von Giulio Aymini getestet; aus den Quellen geht nicht eindeutig hervor, wer für das Rennen als Fahrer vorgesehen war.
e 
Das Auto erwies sich im Training als zu unausgereift für eine Teilnahme am Rennen.
f 
Dreyfus war ursprünglich als Reservefahrer des Teams gemeldet, durfte aber aufgrund der Trainingsleistungen anstelle von Chiron an den Start gehen. Während des Rennens musste er das Auto an Nuvolari übergeben.
g 
Chiron litt noch zu sehr unter den Folgen seines Unfalls im Großen Preis der Schweiz und musste zugunsten von Dreyfus auf die Teilnahme am Rennen verzichten. Stattdessen wurde er vom Team als Reservefahrer nominiert.
h 
Während des Rennens musste Pietsch das Auto an Rosemeyer übergeben.

Startaufstellung

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Die Startpositionen wurden nicht anhand der Trainingszeiten vergeben, sondern ausgelost.

Italien 1861 (Farina) a Italien 1861 Taruffi NS-Staat Caracciola
Italien 1861 Nuvolari NS-Staat Stuck
Dritte Französische Republik Étancelin Dritte Französische Republik Wimille Italien 1861 Fagioli
Dritte Französische Republik Dreyfus Italien 1861 Varzi
Italien 1861 Zehender NS-Staat von Brauchitsch Italien 1861 Marinoni
NS-Staat Rosemeyer Italien 1861 Ghersi
NS-Staat Lang NS-Staat Pietsch
a 
Wegen Motordefekt nicht am Start.
Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund EM-Punkte
01 NS-Staat Hans Stuck NS-Staat Auto Union 73 3:40:09,0 h 5 2:50,8 min 1
02 Dritte Französische Republik René Dreyfus
Italien 1861 Tazio Nuvolari
Italien 1861 Alfa Romeo 73 + 1:41,0 min 9 2:53,0 min 2
03 NS-Staat Paul Pietsch
NS-Staat Bernd Rosemeyer
NS-Staat Auto Union 70 + 3 Runden 17 2:54,2 min 3 / –
04 Italien 1861 Attilio Marinoni Italien 1861 Alfa Romeo 68 + 5 Runden 13 3:07,0 min 4
05 Italien 1861 Piero Taruffi Dritte Französische Republik Bugatti 59 + 14 Runden 2 3:05,2 min 4
NS-Staat Hermann Lang NS-Staat Mercedes-Benz 55 DNF 16 2:54,2 min Leck im Öltank 4
Italien 1861 Tazio Nuvolari Italien 1861 Alfa Romeo 45 DNF 4 2:49,8 min Ventilschaden 5
NS-Staat Manfred von Brauchitsch NS-Staat Mercedes-Benz 42 DNF 12 2:52,0 min Unfall nach Bremsdefekt 5
NS-Staat Rudolf Caracciola
Italien 1861 Luigi Fagioli
NS-Staat Mercedes-Benz 42 DNF 3 2:53,2 min Kraftübertragung nach Bremsdefekt 5 / –
Dritte Französische Republik Jean-Pierre Wimille Dritte Französische Republik Bugatti 27 DNF 7 2:59,2 min Motorbrand nach Fehlzündungen 6
NS-Staat Bernd Rosemeyer NS-Staat Mercedes-Benz 19 DNF 14 2:54,2 min Kraftübertragung nach Bremsdefekt 6
Italien 1861 Goffredo Zehender Italien 1861 Maserati 15 DNF 11 3:19,0 min Bremsdefekt 7
Dritte Französische Republik Philippe Étancelin Italien 1861 Maserati 14 DNF 6 3:02,6 min Unfall 7
Italien 1861 Achille Varzi NS-Staat Auto Union 14 DNF 10 2:53,6 min Motorbrand nach Ventilschaden 7
Italien 1861 Luigi Fagioli NS-Staat Mercedes-Benz 11 DNF 8 2:53,8 min Bremsdefekt 7
Italien 1861 Pietro Ghersi Italien 1861 Maserati 4 DNF 15 3:40,2 min defekte Ölpumpe 7
Italien 1861 Giuseppe Farina Italien 1861 Maserati DNS 1 Motorschaden vor Rennstart 8
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  1. die Typenbezeichnung der Auto-Union-Rennwagen wurde von Fachautoren erst nachträglich zur Unterscheidung der einzelnen Modelle eingeführt