Halmfliegen | ||||||||||||
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Chlorops sp. | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Chloropidae | ||||||||||||
Rondani, 1856 |
Die Halmfliegen (Chloropidae) sind eine Familie der Zweiflügler (Diptera) und gehören zu den Fliegen (Brachycera). Weltweit leben etwa 2000 Arten dieser Tiergruppe, davon sind 178 Arten aus Deutschland bekannt. Es handelt sich um meist kleine Fliegen mit einer Körperlänge von etwa zwei Millimetern.
Bei den Halmfliegen sind die Mundwerkzeuge stark verkümmert, auch die Vorderflügel und die wie bei allen Zweiflüglern zu Schwingkölbchen (Halteren) ausgebildeten Hinterflügel können stark zurückgebildet sein. Bei vielen Arten gibt es einen deutlichen Sexualdimorphismus, wobei die Männchen über stark verdickte Fußglieder (Tarsen) der Vorderbeine sowie stark behaarte Unterschenkel (Tibien) der Vorder- und Mittelbeine verfügen. Diese Unterschiede haben vermutlich eine Bedeutung bei der Paarung, Genaueres ist allerdings nicht bekannt.
Halmfliegen sind vor allem auf Wiesen zu finden, wobei einige Arten besonders im Herbst in Massen auftreten. Da sie nicht fliegen, wandern sie umher und dringen auf diese Weise auch in Häuser ein, wo sie lästig werden können,[1] beispielsweise die schwarz-gelbe Art Thaumatomyia notata, die etwa 2 mm lang wird. Sie ernähren sich vor allem von Nektar und Honigtau sowie von anderen süßen Flüssigkeiten.
Die Larven leben meist im Innern von lebenden Pflanzen, vor allem in Gräsern, aber auch an Blüten oder Früchten und Pilzen, einige Arten können auch Gallen bilden. Daneben gibt es Arten, die in abgestorbenen Pflanzenresten oder koprophag an Exkrementen leben. Einige Arten sind auch Jäger, wie etwa Thaumatomyia notata, welche sich von gallenbewohnenden Blattläusen ernährt oder Arten der Gattung Siphorella, die in Gelegen von Spinnen jagen sowie Goniopsita in Gelegen von Heuschrecken. Viele Arten sind sehr unspezifisch bei der Nahrungswahl, andere sind Nahrungsspezialisten (etwa Lipara-Arten in Schilf). Besonders an Getreide können einige Arten sehr schädlich sein.
Die Schilfgallenfliege (Lipara lucens), auch als Zigarrenfliege bezeichnet, wird etwa sieben Millimeter lang. Die ausgewachsenen Tiere findet man in den Monaten Mai bis Juni an Schilfblättern (Phragmites australis). Hier erzeugen sie Vibrationen, die über das Schilfblatt weiter getragen werden und der Partnerfindung dienen. Die ersten Vibrationen werden durch Weibchen erzeugt, wobei diese innerhalb von zehn Minuten jeweils ein- bis zweimal für acht Sekunden Vibrationsstöße abgeben. Auf diese Vibrationen reagieren auf demselben Blatt sitzende Männchen ebenfalls mit Vibrationsstößen, worauf das Weibchen antwortet. Auf diese Weise sucht das Männchen das Weibchen und findet es schließlich. Dabei sind die Rufvibrationen der Weibchen denen anderer Arten sehr ähnlich, die der Männchen unterscheiden sich deutlich. Der Mechanismus der Vibrationserzeugung ist bislang nicht aufgeklärt.
Das Ei wird an die Sproßspitze des Schilfrohres gelegt und die Made frisst sich dort in die Sprossungszone ein. Sie zerstört dadurch den Vegetationskegel der Pflanze, wodurch das Längenwachstum des Schilfrohres gestoppt wird. Es kommt zur Stauchung und Verdickung mehrerer (10 bis 15) Bereiche (Internodien) des Schilfes und einer starken Entwicklung der Blattscheiden. Die so entstehende Galle ähnelt einer Zigarre (daher der Name Zigarrenfliege) und ist etwa 15 Millimeter dick und bis zu 25 Millimeter lang. Die Verpuppung der Larven findet in der Galle statt, die im Frühjahr verlassen wird. In den verlassenen Gallen leben häufig andere Halmfliegenarten als Kotfresser oder auch andere Insekten wie Grabwespen oder Bienen.
Die Fritfliegen (Oscinella frit) sind schwarz mit gelblichen Fußgliedern und roten Augen. In Mitteleuropa sind sie in drei Generationen anzutreffen. Die Frühjahrsform sitzt dabei meist auf den Blüten des Löwenzahn oder des Winterraps. Die Weibchen fliegen, auf die Entfernung optisch orientiert und in der Nähe olfaktorisch, große sprießende Gräser wie Mais, Hafer oder Gerste zur Eiablage an. Hier legt es entlang der Blattscheiden mehrere Eier ab, die ausschlüpfenden Larven dringen in das Herz vor, wodurch das Herzblatt welkt. Die Verpuppung findet ebenfalls am Fraßplatz statt. Die zweite Generation fliegt ab Juni und nutzt vor allem Hafer als Eiablageplatz, wobei die Eier lose in die Rispen gelegt werden. Durch den Fraß der Larven wird die Ähre bleich (Weißährigkeit) und die Körner verkümmern. Die dritte Jahresgeneration fliegt im August bis September und legt die Eier an verschiedene Wintergräser ab. Dabei sind etwa 60 Wirtsgräser für diese Art bekannt.
Die Gelbe Weizenhalmfliege Chlorops pumilionis findet sich an verschiedenen Gräsern, besonders an Weizen und Gerste. In Mitteleuropa bringt sie zwei Generationen hervor. Die erste Generation kommt im Mai heraus und legt die Eier auf die oberen Pflanzenteile der Wirtsgräser, die Larven fressen sich abwärts zur Ähre und danach weiter bis zum Halmknoten. Hier findet die Verpuppung statt. Die zweite Jahresgeneration fliegt im August bis Oktober und legt die Eier in die Wintersaat der Getreidearten sowie in verschiedene Wildgräser, vor allem die Quecke. Die Überwinterung erfolgt als Larve im Bereich des Wurzelhalses.
Die Russische Halmfliege (Meromyza saltatrix), auch bekannt als Schenkelfliege, zeichnet sich durch die besonders stark verdickten Hinterschenkel aus, deren Muskulatur ein Hüpfen ermöglicht. Die Lebensweise sowie die Wirtsgräser entsprechen weitgehend der Gelben Weizenhalmfliege. Die Puppe ist allerdings mit Spinnfäden in den Blattscheiden eingehängt.
Fossile Belege dieser Familie sind äußerst rar. Der älteste Vertreter der Halmfliegen wurde im unterkreidezeitlichen Libanon-Bernstein gefunden. Dieses Fossil gilt damit auch als ältester Beleg der zu den Schizophora zusammengefassten Familien der Cyclorrhapha (Deckelschlüpfer). Alle anderen Belege stammen aus tertiären Bernsteinvorkommen, insbesondere dem eozänen Baltischen Bernstein.[2][3]
Halmfliegen gehören zu den sogenannten Lästlingen und nicht zur Gruppe der Schädlinge, auch wenn sie großen Schaden anrichten können.[1] Die Biologin Marion Kotrba beschrieb 2010 unter Beigabe einigen Bildmaterials das „punktuelle Auftreten extrem individuenreicher Schwärme kleiner Fliegen an einzelnen Gebäuden im Herbst“, das „eindeutig der Gemeinen Rasenhalmfliege Thaumatomyia notata zuzuschreiben“ sei.[4] Dieses Phänomen sei „seit Jahrhunderten bekannt“. In der Literatur sind laut Kotrba jedoch nur „einzelne oder einige wenige Fälle pro Jahr“ beschrieben. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts habe es eine „sehr starke“ Zunahme des Massenauftretens gegeben. Sie bezifferte die Zahl der Individuen auf der Dachterrasse eines Hochhauses in München, auf der sie fünf Eimer toter Fliegen einsammelte, auf etwa 17 Millionen. Im Herbst umschwärmen die auf Grashalmen lebenden Fliegen Gebäude – bevorzugt die oberen Etagen von Hochhäusern –, um hinter der Fassade zu überwintern; im Frühjahr geschieht dasselbe, bis es warm genug ist, dass sie das Haus verlassen.[4]
Kotrba erwähnt tatsächlich entstandene und zu befürchtende Schäden durch den Befall von Häusern. Der Miet- und Immobilienwert könne sinken und für Häuser mit Publikumsverkehr wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Schulen ebenso wie für Unternehmen der Tourismus- wie der Lebensmittelbranche ist neben wirtschaftlichen Einbußen eine rufschädigende Wirkung zu erwarten. Hoffnungen auf einen Rückgang des Massenauftretens hätten sich zerschlagen, wobei im Zuge der Klimaerwärmung eher mit einer Zunahme zu rechnen sei. Spezifische Bekämpfungsmaßnahmen seien nicht bekannt und könnten erst entwickelt werden, wenn die Ursachen des Massenauftretens verstanden seien.[4]