Mit dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, gestiftet von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen, werden seit 1995 Personen geehrt, die nach Auffassung einer international besetzten Jury in der Tradition der politischen Theoretikerin Hannah Arendt zu öffentlichem politischen Denken und Handeln beitragen.[1] Zoltán Szankay war Initiator und, zusammen mit anderen, Mitbegründer des Preises.
Mitglieder des Vorstandes:
- Bastian Hermisson
- Anke Kujawski
- Prof. Dr. Waltraud Meints-Stender
- Prof. Dr. Lothar Probst
Mitglieder der Jury:
- Prof. Thomas Brudholm (Kopenhagen)
- Alexander Estis (Schweiz)
- Dr. Ulrike Huhn (Bremen/Göttingen)
- Prof. Dr. Waltraud Meints-Stender (Osnabrück)
- Prof. Dr. Cristina Sanchez (Madrid)
- Prof. Dr. Andrew Schaap (Edinburgh)
- Klaus Wolschner (Wien, Bremen)
ehemalige Mitglieder:
- Monika Tokarzewska (bis August 2024, Toruń, Polen)
- Grit Straßenberger (bis Juli 2024, Berlin/Bonn)
- Michael Daxner (bis April 2024, Potsdam)
- Claudia Hilb (bis März 2024, Buenos Aires)
- Antonia Grunenberg (bis Februar 2024, Oldenburg/Berlin)
- Thomas Alkemeyer (bis 2022, Berlin/Oldenburg)
- Christian Volk (bis 2022, Berlin)
- Catherine Colliot-Thélène (bis 2022, Rennes, Frankreich)
Über die jährliche Vergabe des Preises entscheidet eine unabhängige internationale Jury, die vom Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken e. V. eingesetzt wird. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro (Stand 2023) wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen gestiftet. Der rechtliche und politische Träger des Preises ist der Verein Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, der auch Konferenzen ausrichtet und Publikationen herausgibt.
Der Hannah-Arendt-Preis wurde 1994 mit der Absicht gestiftet, die öffentliche Diskussion über strittige politische Fragen zu stimulieren – ganz im Sinne von Arendts Diktum: „Der Sinn von Politik ist Freiheit.“ Eine besondere Rolle spielt dabei Arendts theoretisches wie praktisches Engagement gegen totalitäre Regime, ein Engagement, das nach Ende des Kalten Krieges nicht Geschichte geworden, sondern vor dem Hintergrund der Bemühungen um weltweite Demokratisierung und Gerechtigkeit nach wie vor aktuell ist.
Die Stifter wollen mit dem Preis nicht allein akademische Leistungen, sondern auch ein Wirken in der Öffentlichkeit auszeichnen. Zum Selbstverständnis heißt es: „Geehrt werden Personen, die das Wagnis Öffentlichkeit angenommen haben und das Neuartige in einer scheinbar sich linear fortschreibenden Welt denkend und handelnd erkennen und mitteilen.“
Im Jahr 2007 äußerte das Präsidium der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen Irritation über die Verleihung des Preises an Tony Judt, dem sie antizionistische Propaganda vorwarf, welche die Jury in ihrer Begründung verschweige. Zudem bemängelte die Gemeinde, dass die Preisverleihung an einem Freitagabend und die anschließende Diskussionsveranstaltung an einem Samstagmorgen stattfänden. Dadurch würden Juden, die den Schabbat begehen wollten, von einer Teilnahme ausgeschlossen.[2][3]
Im Dezember 2023 erklärte der Bremer Senat, dass er die Obere Rathaushalle für eine rein feierliche Preisverleihung an Masha Gessen nicht zur Verfügung stelle. Gessen hatte in einem Essay im New Yorker während des Krieges in Israel und Gaza am 9. Dezember 2023, mehr als zwei Monate nach Beginn der Kämpfe, hatte Gessen die Situation im Gazastreifen mit den osteuropäischen jüdischen Ghettos verglichen.[4][5] Der Vorstand hielt an der Preisverleihung fest. Die Jury erklärte dazu, Gessen habe den Preis für ihre Analyse des Putinschen Russland erhalten. Ihr politisches Denken zu Gaza seien nicht preiswürdig. In der Dankesrede bei der späteren Preisverleihung in kleinem Kreis rechtfertigte Gessen ihren Vergleich und erklärte, sie wolle die Öffentlichkeit aufrütteln und hoffe, dass es nicht zu einer Liquidierung der Gaza-Bevölkerung komme.[6]
- 1995 Agnes Heller, ungarische Philosophin
- 1996 François Furet, französischer Historiker
- 1997 Freimut Duve, deutscher Publizist, Herausgeber und Politiker und Joachim Gauck, deutscher Bürgerrechtler
- 1998 Antje Vollmer, deutsche Publizistin und Politikerin und Claude Lefort, französischer Philosoph
- 1999 Massimo Cacciari, italienischer Philosoph und Politiker
- 2000 Jelena Bonner, russische Bürgerrechtlerin
- 2001 Ernst Vollrath, deutscher politischer Philosoph und Daniel Cohn-Bendit, deutsch-französischer Politiker
- 2002 Gianni Vattimo, italienischer Philosoph und Politiker
- 2003 Michael Ignatieff, kanadischer Journalist, Wissenschaftler, Essayist und politischer Denker
- 2004 Ernst-Wolfgang Böckenförde, deutscher Rechtsphilosoph und Bundesverfassungsrichter a. D.
- 2005 Vaira Vike-Freiberga, Präsidentin der Republik Lettland
- 2006 Julia Kristeva, französische Psychoanalytikerin, Philosophin und Schriftstellerin
- 2007 Tony Judt, britischer Historiker
- 2008 Victor Zaslavsky, russischer Soziologe und Schriftsteller
- 2009 Kurt Flasch, deutscher Philosophiehistoriker
- 2010 François Jullien, französischer Philosoph und Sinologe
- 2011 Navid Kermani, deutsch-persischer Orientalist
- 2012 Yfaat Weiss, israelische Historikerin[7]
- 2013 Timothy Snyder, US-amerikanischer Historiker
- 2014 Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, Mitglieder von Pussy Riot, sowie Jurij Andruchowytsch, ukrainischer Schriftsteller[8]
- 2016 Christian Teichmann, deutscher Osteuropahistoriker[9]
- 2017 Étienne Balibar, französischer Philosoph
- 2018 Ann Pettifor, südafrikanisch-britische Ökonomin[10]
- 2019 Jerome Kohn, Freund und Mitarbeiter Arendts, und Roger Berkowitz, Politikwissenschaftler und Direktor des Hannah Arendt Center[11]
- 2020 nicht vergeben
- 2021 Jill Lepore, US-amerikanische Historikerin
- 2022 Serhij Schadan, ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Musiker (Buchveröffentlichungen unter der englischen Schreibweise Serhiy Zhadan)
- 2023 Masha Gessen, russisch-amerikanischer Nationalität, journalistisch und schriftstellerisch tätig.
- ↑ Website des Preises
- ↑ Elvira Noa, Grigori Pantijelew: Offener Brief, 29. November 2007
- ↑ Jacques Schuster: Empörung über Arendt-Preis für Tony Judt, Die Welt, 30. November 2007
- ↑ Benno Schirrmeister: Keine Feier für Masha Gessen, taz, 13. Dezember 2023
- ↑ Dirk Peitz: Masha Gessen: Wir müssen reden. In: Die Zeit. 14. Dezember 2023, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 15. Dezember 2023]). (paywall)
- ↑ Masha Gessen: Hannah-Arendt-Preis: "Über Vergleiche erschließen wir uns die Welt". In: zeit.de. 18. Dezember 2023, abgerufen am 27. Januar 2024.
- ↑ Historikerin Yfaat Weiss erhält den Hannah-Arendt-Preis Jury würdigt Erforschung der israelisch-palästinensischen Geschichte, Deutschlandfunk vom 7. Dezember 2012
- ↑ Wider die Relativierung der Tatsachen, Ralf Fücks, Rede zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises 2014, 14. Dezember 2014
- ↑ Christian Teichmann. Arendt-Preis 2016 für Historiker in FAZ vom 17. September 2016, Seite 16
- ↑ Hannah-Arendt-Preis für Ökonomin Pettifor (Memento des Originals vom 21. Oktober 2020 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunkkultur.de, deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 19. Juli 2018
- ↑ Carolin Henkenberens: Arendt-Preis verliehen in: Weser Kurier, 6. Dezember 2019