Hermann Ritter war der älteste Sohn des Bahnbeamten Georg Karl Ritter (1820–1909) und der Maria Caroline Benditte (1821–1876). Der Hamburger Oberlandesgerichts-Vizepräsident Carl Rudolf Ritter (1870–1941) war sein jüngster Bruder.
Er studierte von 1865 bis 1870 Violine bei Joseph Joachim in Berlin. Danach war er Geiger in der Schweriner Hofkapelle. Es erfolgte die Berufung zum Musikdirektor der Stadt Heidelberg. An der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg setzte er sein Studium, ergänzt durch Kunstgeschichte und Philosophie, fort. Während dieser Zeit wandte sich sein musikalisches Interesse mehr und mehr der Bratsche zu. Sein Ziel war eine Verbesserung des Bratscherstatus durch eine Hebung der Spiel- und Aufführungsstandards[1] sowie die Entwicklung eines Streichinstruments, welches tonlich der Violine und dem Violoncello ebenbürtig sein sollte („Ritter-Bratsche“ bzw. „Viola alta“).
Nach erfolgreichen Konzertreisen durch zahlreiche Länder Europas, erhielt Ritter eine Professur für Viola an der königlichen Musikschule in Würzburg. Das besondere Verdienst Ritters ist, als Pädagoge die Grundlage für das moderne Bratschenspiel gelegt zu haben. Sein Lehrbuch, „Das Studium der Viola-alta“, ist die erste Methode, die das Erlernen des Bratschenspiels ohne den Umweg über die Violine, von den Anfängen bis zu einem hohen spielerischen Niveau ermöglichte.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren zumeist klein mensurierte Bratschen im Orchestergebrauch üblich. Unzufrieden mit dem Klangergebnis, ließ er sich 1875 nach eigenen Plänen durch den Würzburger Geigenbauer Karl Hörlein ein großes Viola-Modell mit einer Korpuslänge von 48 cm anfertigen. Die Vorgaben entstammten der 1786 von Antonio Bagatella verfassten „Regole par la construzione di violini, viole violoncelli e violoni“. Richard Wagner zeigte sich in einem Brief an Ritter begeistert von dem durch seine Korpusgröße und sein Klangvolumen gekennzeichneten[2] Instrument und bezeichnete es als eine „bedeutende und vorteilhafte Veränderung“, die sich jedoch nach anfänglicher Begeisterung nicht allgemein durchsetzen konnte.[3]
Ritter hatte 1884 Justine Anna Bibiana Barbara Ludovika Haecker aus Würzburg geheiratet die ihm zwei Söhne schenkte: Karl Herrmann Joseph Ritter (1888–1977) und Rudolf Ritter (1889–1945).
Neben seinen vielen Kompositionen und Transkriptionen ist Ritter vor allem durch eine Vielzahl an wissenschaftlichen Büchern und Aufsätzen, darunter mehrere Bände über die Musikgeschichte Europas, bekannt.
Durch Nacht zum Licht!, Schauspiel in 4 Akten (1895)
Ein Stein des Anstoßes, Abenteuer in 1 Akt (1895)
Im Alpenglühen, Gebirgsstück mit Gesang und Tanz in 1 Akt (1903)
Lieder
Altschottische Volksweisen mit Beibehaltung der Originalmelodien für Gesang und Klavier (veröffentlicht um 1890); Texte von Robert Burns
Fortgeflogen, fortgezogen für Sopran oder Tenor und Klavier, Op. 20 (veröffentlicht um 1900)
Schneeflöckchen für Gesang und Klavier, Op. 30 (veröffentlicht um 1893); Text von Fritz Holthey
Leb' wohl! für Gesang und Klavier, Op. 59 (veröffentlicht um 1893)
Ich fühle deinen Odem für Gesang und Klavier, Op. 60 (veröffentlicht um 1900)
Lieder-Grüße aus Natur und Leben, 10 leichte und ansprechende Gesänge für Gesang und Klavier, Op. 62 (veröffentlicht um 1893)
Werke für Klavier
Deutscher Sieges-Hymnus, Op. 23
Trauergesang auf den Tod eines Kriegers, Op. 24
Pädagogische Werke
Viola-Schule oder das Studium der Viola-alta für den Schul- und Selbstunterricht (1884)
Elementartechnik der Viola alta (veröffentlicht um 1894)
Solobuch für Viola (Viola alta, Altgeige), Heft I-II: Enthaltend die wichtigsten Soli der orchestralen Litteratur dieses Instrumentes (veröffentlicht um 1910)
Werke für Viola oder Viola alta
Zwei Stücke für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 7 (veröffentlicht 1883)
Idylle
Elfengesang
Schlummerlied für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 9
Erinnerung an die Alpen für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 11
Jagdstück für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 17 (veröffentlicht 1883)
Auf den Wellen für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 27 (veröffentlicht 1878)
Spinnerlied für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 28
Zwei Stücke für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 32 (um 1885)
Pastorale und Gavotte in a-Moll
Im Traume in G-Dur
Nach slavischen Eindrücken für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 33 (um 1884)
Elegie in g-Moll
Introduktion und Mazurka in a-Moll / C-Dur
Erinnerung an Schottland: Phantasie mit Benutzung altschottischer Weisen für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 34
Concert-Phantasie No.1 in c-Moll für Viola (Viola alta) und Orchester oder Klavier, Op. 35 (1886)
Concert-Phantasie No.2 für Viola (Viola alta) und Orchester oder Klavier, Op. 36 (1886)
Italienische Suite für Viola (Viola alta) und Orchester oder Klavier, Op. 37 (um 1886)
Barcarole (Venezia)
Elegie (Roma) in a-Moll
Tarantella (Napoli)
Zwei Stücke für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 48 (veröffentlicht um 1930)
Valse caprice
Moto perpetuo
Zwei Stücke für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 65 (um 1898)
Andante
Allegretto Scherzando
Gesangsstück in D-Dur für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 66
Ständchen für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 70 (veröffentlicht 1905)
Rokoko: 2 Vortragsstücke für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 73 (veröffentlicht 1907)
Gavotte in C-Dur
Pastorale und Menuett
Dithyrambe für Viola (Viola alta) und Klavier, Op. 74 (veröffentlicht 1907)
Melodia religiosa für Viola (Viola alta) und Klavier
Anthologie für Bratsche (Altgeige) mit Begleitung des Klaviers, Band I: Werke von Ludwig van Beethoven (veröffentlicht in den 1880ern von Merseburger, Leipzig)
Romanze, Op. 40; im Original für Violine und Orchester
Adelaide, Op. 46; im Original für Gesang und Klavier
Romanze, Op. 50; im Original für Violine und Orchester
Anthologie für Bratsche (Altgeige) mit Begleitung des Pianoforte, Band II (veröffentlicht in den 1880ern von ca. Merseburger, Leipzig)
Larghetto aus der Sonate Concertante No. 4 in D-Dur, Op. 115 (1809) von Louis Spohr; im Original für Violine und Harfe
Recitativ und Andante aus dem Violinkonzert No. 6, Op. 28 (1808–1809) von Louis Spohr; im Original für Violine und Orchester
Barcarole aus 6 Salonstücke, Op. 135 No. 1 von Louis Spohr; im Original für Violine und Klavier
Die Viola ihre Geschichte, ihre Bedeutung und die Principien ihres Baues (1876)
Die Geschichte der Viola alta und die Grundsätze ihres Baues (1877)
Repetitorium der Musikgeschichte nach Epochen übersichtlich dargelegt, nebst einem Verzeichnisse der hauptsächlichsten wissenschaftlichen Musikliteratur (1880)
Über den Zweck des Studiums der Musikgeschichte (1880)
Das 19. Jahrhundert in seinen musikalischen Hauptvertretern in Deutschland (1902)
Allgemeines über Streichinstrumente sowie Ideen über ein neues Streichquartett: Soprangeige (Violine), Altgeige (Viola alta), Tenorgeige (Viola tenore), Bassgeige (Viola bassa oder Violoncello): nach den Intentionen und dem Modell von Hermann Ritter (1905)
Erkenne Dich selbst!: Das goldene Buch der Lebensweisheit, 2 Bände (1905)
Professor Hermann Ritter's Neues Streichquartett <Ritter-Quartett> (1910)
Mein neues oder Reform-Streichquartett
Die Quellen zu Richard Wagner's „Der Ring des Nibelungen“ (1911)
„Franz Liszt“ von James Huneker 1911 – Aufsatz von Hermann Ritter (1911)
↑Maurice W. Riley: 19th Century Violists. Hermann Ritter. In: ders.: The History of the Viola. Band I. Ann Arbor, Michigan: Braun-Brumfield 1980, Seite 210
↑Erich Valentin: Handbuch der Musikinstrumentenkunde. Gustav Bosse, Regensburg 1954, S. 139.