Illegale Fischerei

Als illegale Fischerei bzw. Piratenfischerei (amtlicher Terminus in der EU (englisch): illegal, unreported and unregulated fishing, ‚illegale, undokumentierte und unregulierte Fischerei‘, kurz IUU-Fischerei) wird in der Fischerei der Fischfang durch diejenigen Schiffe und Mannschaften bezeichnet, der gewerblich ohne die erforderliche Lizenz betrieben wird, die in der Lizenz zugestandene Fangquote überschreitet oder bei dem Fangmengen nicht oder falsch angegeben werden.

Die Mannschaften und ihre Boote werden in den Medien oft als Piratenfischer bezeichnet, ein Begriff, der insbesondere von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace als Schlagwort verwendet wird. Im Gegensatz zur Hochseefischerei ist die illegale Fischerei in der Binnenfischerei deutlich geringer ausgeprägt. Beim Hobbyfischfang spricht der Volksmund von Schwarzangeln oder -fischen.

Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation stammen bis zu 20 Prozent des international gehandelten Fisches aus illegaler Fischerei.[1]

Um die Überfischung ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszonen (200-Meilen-Zone) zu vermeiden, legen die meisten Staaten mit Küstengewässern Fangquoten fest und weisen einzelnen Bewerbern einen Anteil dieser Quote mittels einer Lizenz zu. Der Fischfang außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen ist durch internationale Abkommen geregelt.[2]

Die Piratenfischer umgehen internationale Fischereiabkommen, indem sie ihre Fangschiffe in Billigflaggen-Ländern registrieren lassen oder ganz ohne Flagge, Länderkennzeichen und Namenszug fahren. Sie besitzen industrielle Fangschiffe und fischen bevorzugt dort, wo Kontrollen die Ausnahme sind, etwa im Südpolarmeer oder vor Westafrika, wo die Regierungen nicht über die Mittel verfügen, ihre Küstengewässer ausreichend zu kontrollieren.

Die Schiffseigner sitzen vor allem in Europa, Japan, der Volksrepublik China[3] und den USA. Greenpeace schätzt, dass rund 1200 industrielle Fangfahrzeuge illegalen Fischfang betreiben.

Eine im Jahr 2020 im Science Advances veröffentlichte Studie, die sich auf Sea Around Us (eine Datenbank und gleichnamige Organisation der University of British Columbia) beruft, kam zu dem Ergebnis das jährlich weltweit zwischen 7,7 und 14 Millionen Tonnen Fisch aus dem Meer entnommen wird, ohne dies zu melden. Besonders betroffen sind demnach Asien, Afrika und Südamerika. Bei der legalen Fischerei entsteht dadurch laut Studie ein Schaden von jährlich 26 bis 50 Milliarden Dollar. Die an landesüblichen Preisen bemessenen wirtschaftlichen Verluste betragen dadurch für Afrika schätzungsweise zwischen 7,6 und 13,9 Milliarden Dollar pro Jahr; für Asien zwischen 10,3 und 20,3 Milliarden Dollar. Für Deutschland entstehe durch die illegale Fischerei ein jährlicher Verlust an Bruttoeinnahmen von 4,5 bis 7,3 Millionen Dollar.[4]

Laut einer Greenpeace-Recherche gab es in den Jahren von 2017 bis 2020 weltweit 416 Schiffe, die bei Umladeaktionen auf hoher See, dem sogenannten Transshipment, illegale gefangenen Fisch mit legalem Gefangenem vermengen ließen.[1] Transshipment erspart Fischern lange Fahrten in den Hafen und ist laut der Meeresschutzorganisationen eine beliebte Methode, um illegale Fischfänge unter legale zu mischen.[1] Insgesamt wurden laut der Recherche vor allem 94 Betreiberfirmen ausgemacht, deren Schiffe solche illegalen Praktiken anwenden, die Greenpeace wiederum durch das Automatic Identification System zu erkennen glaubt.[1] Die Betreiberfirmen der verdächtigten Schiffe haben ihren Sitz überwiegend in Ländern aus Russland, China, Japan, Südkorea, Taiwan, Hongkong, Norwegen, Griechenland und den Niederlanden. Die Schiffe selbst fahren meist unter der Flagge Panamas.[1]

Verstöße gegen Fangquoten führen zu

  • Überfischung (Hauptproblem)[5]
  • einem Preisverfall durch Überangebot auf dem Fischmarkt und damit zu wirtschaftlichen Einbußen für die lizenzierten Fischer, die ihre Quoten einhalten
  • langfristig zu einem Ruin der Fischereiindustrie in einem Gebiet oder weltweit
  • lokal zur Ausbildung von Piraterie in den betroffenen Gebieten
  • Es fehlt an Transparenz und Kontrolle gegen häufig transnationale kriminelle Netzwerke. Internationale Instanzen müssen effektiver werden – und Subventionen fallen. Illegale, ungemeldete und unregulierte (IUU-)Fischerei ist eine der größten Bedrohungen für die Ozeane der Erde.

Illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (sog. „IUU-Fischerei“) gilt als globales Problem, das vor allem Fanggebiete mit schwachen nationalen oder internationalen Kontrollen betrifft. Dazu zählen insbesondere westafrikanische Staaten, wo nach Schätzungen von Natur- und Umweltschützern jeder dritte Fisch illegaler Herkunft ist.[6] Illegale Fischerei wird als Bedrohung für die Ernährungssicherheit und die maritimen Ökosysteme eingestuft.[7] Internationale Gremien wie Gruppe der Acht, Interpol und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen haben illegale Fischerei als Umweltkriminalität anerkannt.[8] Die Europäische Union hat eine Verordnung zur Bekämpfung illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei erlassen.[7][9]

2011 vereinbarten EU und USA ein Abkommen zur Bekämpfung illegaler Fischerei.[10]

Eine Untersuchung von mit Sendern ausgestatteten Albatrossen ergab, dass sich 37 Prozent aller Schiffe in internationalen Gewässern unsichtbar machten. In Zonen, in welchen für die Fischerei eine Lizenz notwendig ist, ließen Schiffe ihr Automatic Identification System mitunter wochenlang ausgeschaltet.[11][12]

Maßnahmen vor den afrikanischen Küsten

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Seit dem Sturz der somalischen Regierung 1991 wurden die Hoheitsgewässer vor Somalia nicht mehr überwacht. Seither betrieben ausländische Fischtrawler, insbesondere aus der EU, Russland und Asien illegalen Fischfang in diesen Gewässern. Die Eindringlinge vertrieben die Boote einheimischer Fischer, beschossen deren Insassen mit Wasserkanonen, kappten ihre Netze und nahmen dabei selbst den Verlust von Menschenleben in Kauf. Wie die Organisation East African Seafarers’ Assistance Programme (SAP) berichtet, welche in den meisten der Schiffsentführungen vor der somalischen Küste vermittelt, ist das illegale Fischen die Wurzel für die Piraterie vor der Küste Somalias, da sich die einheimischen Fischer anfangs bewaffneten und versuchten, die ausländischen Piratenfischer zu vertreiben. Nachdem maritime Milizen zunächst illegal fischende Trawler aufgebracht und „Lizenz-Zahlungen“ für deren Schwarzfischerei erhoben hatten, wurden später auch Handelsschiffe gekapert.[13] Zwischenzeitlich profitierten die illegalen Fischer vor Somalia von der EU-Operation Atalanta zum Schutz der Seefahrt vor Somalia.[14]

Illegale Fischerei und Piraterie haben sich seitdem an die westafrikanische Küste in den Golf von Guinea verlagert.[15][16] Am Konzept der koordinierten maritimen Präsenzen (CMP) zur Gewährleistung maritimer Sicherheit beteiligen sich die Europäische Union und die west- und zentralafrikanischen Staaten.[17][18]

Dokumentationen

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  • Ian Urbina: Raubfang in fremden Gewässern. Chinas gigantische Fischereiflotte geht rücksichtslos gegen Konkurrenten vor. In: Le Monde diplomatique. Deutsche Ausgabe. Ausgabe: 12.11.2020. taz Entwicklungs GmbH & Co.Medien KG, November 2020, ISSN 1434-2561 (monde-diplomatique.de).

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Stefan Schultz: Illegaler Fischfang: Datenanalyse zeigt umstrittene Umlademanöver auf hoher See. In: Der Spiegel. Abgerufen am 28. Februar 2020.
  2. Die Auswirkungen der industriellen Fischerei auf unseren Planeten – Regionale Organisationen für das Fischereimanagement. stiftung-meeresschutz.org (Ulrich Karlowski), 4. Januar 2024, abgerufen am 3. März 2024.
  3. Greenpeace-Warnung: Chinesen fischen illegal vor Afrika. In: Spiegel Online. 20. Mai 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
  4. Illegale Fischerei führt zu Milliardenverlusten. In: Der Spiegel. 27. Februar 2020, abgerufen am 10. Mai 2021.
  5. Weltmeere: Fischbestände haben sich binnen 40 Jahren halbiert. In: Spiegel Online. 16. September 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
  6. Illegale Fischerei. WWF Deutschland, 2. Februar 2016, abgerufen am 30. Juni 2016.
  7. a b Themenpapier: Der Fortschritt im Kampf gegen illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU). (PDF) 26. Mai 2016, S. 2, abgerufen am 30. Juni 2016.
  8. Banks, D., Davies, C., Gosling, J., Newman, J., Rice, M., Wadley, J., Walravens, F. (2008) Environmental Crime. A threat to our future. Environmental Investigation Agency (pdf).
  9. Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates vom 29. September 2008 über ein Gemeinschaftssystem zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei, zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1936/2001 und (EG) Nr. 601/2004 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 1093/94 und (EG) Nr. 1447/1999 in der konsolidierten Fassung vom 9. März 2011
  10. Abkommen: EU und USA schließen Pakt gegen illegale Fischerei. In: Spiegel Online. 7. September 2011, abgerufen am 30. Juni 2016.
  11. Henri Weimerskirch, Julien Collet, Alexandre Corbeau, Adrien Pajot, Floran Hoarau, Cédric Marteau, Dominique Filippi, Samantha C. Patrick: Ocean sentinel albatrosses locate illegal vessels and provide the first estimate of the extent of nondeclared fishing. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 117, Nr. 6, 2020, S. 3006–3014, doi:10.1073/pnas.1915499117.
  12. Veronika Simon: Albatrosse helfen beim Kampf gegen illegale Fischerei. SWR, 28. Januar 2020, abgerufen am 14. April 2022.
  13. Illegale Fischerei profitiert von EU-Einsatz am Horn von Afrika in der Tageszeitung Die Presse vom 21. November 2008.
  14. Annette Weber: Kriege ohne Grenzen und das »erfolgreiche Scheitern« der Staaten am Horn von Afrika (PDF; 472 kB), SWP-Studie 2008/S 26, September 2008, 25 Seiten.
  15. Illegale Fischerei und Piraterie im Golf von Guinea. ORF, 9. Mai 2022.
  16. Daniel Pelz: Warum die Piraterie vor Westafrika zunimmt. Deutsche Welle, 19. Februar 2021.
  17. Koordinierte maritime Präsenzen: Rat verlängert Umsetzung im Golf von Guinea um zwei Jahre und weist den nordwestlichen Indischen Ozean als neues Meeresgebiet von Interesse aus. Europäischer Rat, Pressemitteilung vom 21. Februar 2022.
  18. Der Golf von Guinea: Gegenwärtiges und zukünftiges Engagement der Europäischen Union. Marine-Forum, 24. November 2020.