Ionatana Ionatana

Ionatana Ionatana (2000)

Ionatana Ionatana CVO OBE CPM (* 15. November 1938 auf Funafuti; † 8. Dezember 2000 ebenda) war ein tuvaluischer Politiker, der von April 1999 bis zu seinem Tod Premierminister seines Landes war.

Ionatana wurde 1937[1] oder 1938 auf dem Atoll Funafuti, dem Hauptatoll der damaligen britischen Kronkolonie der Gilbert- und Elliceinseln, geboren. Zu seinen Vorfahren gehörte ein irischer Händler. 1956 trat er in den öffentlichen Dienst der Kolonialbehörden ein und wurde Mitglied der lokalen Polizeibehörden, wo er sich nach oben arbeitete. 1976, zwei Jahre vor der Unabhängigkeit der Inseln unter dem neuen Namen Tuvalu, wurde er zum Polizeichef befördert.[1] 1977 erhielt er den Posten des government secretary der ersten eigenen Regierung unter Toaripi Lauti und fungierte als ranghöchster Berater von Lautis Kabinett. 1979 wurde er erster Botschafter Tuvalus in den Vereinigten Staaten.[2] Ernannt am 26. April 1979,[3] übergab er seine Akkreditierung am 10. Mai 1979 im Oval Office dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter.[4] Während seiner Amtszeit war er ein sogenannter non-resident ambassador, der nicht dauerhaft in den Vereinigten Staaten lebte, sondern nur anlassbezogen nach Washington D. C. reiste.[5] Seinen Lebensmittelpunkt hatte er auch als Botschafter nach wie vor auf Funafuti.[6]

Ionatana blieb bis mindestens 1988 Botschafter in den USA; zu diesem Zeitpunkt war er hinter Maiava Iulai Toma als Botschafter Samoas jener Botschafter in den USA mit der längsten Amtszeit.[6] Ende der 1980er kehrte er dauerhaft nach Tuvalu zurück.[2] Dort war er Mitglied des tuvaluischen Parlamentes, des Fale i Fono.[1] Im ersten Kabinett von Bikenibeu Paeniu war er von 1989 bis 1993 Arbeits- und Kommunikationsminister, im zweiten Kabinett Paenius von 1996 bis 1999 Minister für Gesundheit, Frauen und Gemeindeangelegenheiten, Bildung und Kultur.[2] Ab 1998 war die Regierung allerdings mehr oder weniger zerrüttet; Ionatana baute sich zusehends als interner Konkurrent Paenius auf.[1] Paeniu geriet unter anderem wegen Anschaffungen neuer Dienstwagen in die Kritik. Im April 1999 beantragte Oppositionsführer Koloa Talake ein Misstrauensvotum gegen Paeniu, woraufhin Ionatana und vier Hinterbänkler defektierten und Paeniu ebenfalls ihr Misstrauen aussprachen. Daraufhin verlor die Regierung das Misstrauensvotum mit 4:8-Stimmen und Paeniu musste zurücktreten. Neuer Premierminister wurde Ionatana,[7] der am 27. April 1999 in sein neues Amt eingeschworen wurde.[8]

Ionatana überstand in den nächsten selbst zwei Misstrauensvoten. Eine Erweiterung des Fale i Fono von zwölf auf fünfzehn Sitzen gab seiner Regierung eine etwas breitere Basis zum Regieren, da sich alle drei neuen Abgeordneten der Regierungsfraktion anschlossen. Ionatana festigte seine Machtbasis daraufhin zudem zusätzlich durch eine Umbildung seines Kabinetts ab. Im neuen Kabinett achtete Ionatana besonders auf eine ausgeglichene regionale Verteilung; sieben der acht wichtigen Atolle waren mit einem Minister vertreten.[7] Innenpolitisch gesehen war Ionatanas Amtszeit vor allem durch den Verkauf der Nutzungsrechte der nationalen Internetdomain .tv an ein kanadisches Unternehmen geprägt.[9] Damit verdreifachte der Inselstaat seine Einnahmen beinahe,[10] wodurch das Land einen Schritt in Richtung finanzielle Unabhängigkeit machte.[1] Das ermöglichte der Regierung, die Vergabe tuvaluischer Telefonvorwahlen an Telefonsex-Anbieter zu stoppen. Diese Praxis war in dem christlich geprägten Inselstaat umstritten, aber als eine wichtige Einnahme für den Staatshaushalt bis dahin als notwendiges Übel gesehen worden.[11] Auch für Infrastruktur und Bildung wurden zusätzliche Ausgaben getätigt.[10] Inländisch musste Ionatanas Regierung vor allem Kritik für ihre Reaktion nach einem Brand in einem High-School-Schlafsaal mit 19 Toten einstecken; Regierungsvertreter bekundeten zwar öffentlich ihr Beileid, blieben aber letztlich den Gedenkveranstaltungen fern.[9][12]

Ferner diente der Verkauf auch zur Finanzierung des wichtigsten außenpolitischen Ziels Ionatanas: der Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen.[10] Seine Regierung stellte im Januar 2000 den Antrag auf Mitgliedschaft,[13] der im Laufe des Jahres bewilligt wurde. Der Inselstaat wurde damit im September 2000 noch unter Ionatana das 189. Mitglied der UN.[14] Ferner wurde Tuvalu unter Ionatana ein vollwertiges Mitglied des Commonwealth of Nations. Besondere Aufmerksamkeit erhielt er für seine Warnungen vor den Gefahren des steigenden Meeresspiegels durch die globale Erwärmung; er betonte die Gefahren, die der höhere Meeresspiegel für seinen Inselstaat bedeuten werde.[1] Mit der Regierung von Neuseeland diskutierte Ionatana die Möglichkeit, vor dem Hintergrund des steigenden Meeresspiegels Einwohner von bedrohten Inseln Tuvalus nach Neuseeland umzusiedeln.[2]

Im Dezember 2000 erlitt Ionatana nach einer öffentlichen Rede einen Herzinfarkt und brach zusammen. Er verstarb unmittelbar danach im Alter von 62 Jahren.[9] Ionatana soll laut einer Ankündigung in Funafuti im Beisein internationaler Gäste beerdigt worden sein, zudem soll in Suva auf Fidschi eine internationale Gedenkveranstaltung stattgefunden haben.[15] Nach seinem Tod wurde zunächst Lagitupu Tuilimu interimsweise neuer Premierminister,[8] sein offiziell gewählter Nachfolger wurde im Februar 2001 Faimalaga Luka.[16] Ionatanas Sohn Andrew Ionatana war um 2015 herum Regierungschef des Atolls Funafuti.[17]

Commons: Ionatana Ionatana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f Eintrag zu Ionatana, Ionatana, in: Robert D. Craig: Historical Dictionary of Polynesia. Rowman & Littlefield, Lanham 2011, ISBN 978-0-8108-6772-7, S. 130.
  2. a b c d Index I. In: rulers.org. B. Schemmel, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  3. Diplomatic Representation for Tuvalu. In: 2009-2017.state.gov. Außenministerium der Vereinigten Staaten, 11. Januar 2013, abgerufen am 22. November 2022 (englisch, Archiv der Website des US-Außenministeriums aus der Amtszeit von Barack Obama (2009–2017)).
  4. Jimmy Carter. 39th President of the United States: 1977–1981. Digest of Other White House Announcements Week Ending Friday, May 11, 1979. In: presidency.ucsb.edu, The American Presidency Project. University of California, Santa Barbara, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  5. Barbara Gamarekian: Washington Talk; Diplomatic Corps Dean? Spin the Revolving Door. In: nytimes.com. The New York Times, 3. Juli 1989, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  6. a b Sarah Booth Conroy: Diplomatic Departures. In: washingtonpost.com. Washington Post, 20. November 1988, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  7. a b Paulson Panapa, Jon Fraenkel: The Loneliness of the Pro-Government Backbencher and the Precariousness of Simple Majority in Tuvalu. In: SSGM Discussion Paper Series. Band 5, Nr. 2, 2008, ISSN 1328-7854 (edu.au [PDF]).
  8. a b 65. Tuvalu (1978-present). In: uca.edu. University of Central Arkansas, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  9. a b c Freedom in the World 2001 – Tuvalu. In: refworld.org. Freedom House, UNHCR, 2001, abgerufen am 23. November 2022 (englisch).
  10. a b c Faisal Islam: Island sells web address to buy UN membership. In: theguardian.com. The Guardian, 10. September 2000, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  11. Anna Biselli: Tuvalu: Der winzige Pazifikstaat, der mit der .tv-Domain Millionen verdient. In: vice.com. Vice, 6. Juni 2018, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  12. Robert Keith-Reid: Tuvalu School Fire Kills 19. In: apnews.com. Associated Press, 10. März 2000, abgerufen am 23. November 2022 (englisch).
  13. Pacific Region News. In: saipantribune.com. Saipan Tribune, 11. Januar 2000, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  14. Tiny Tuvalu joins UN. In: news.bbc.co.uk. BBC News, 6. September 2000, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  15. Death of Tuvalu Prime Minister Ionatana Ionatana. In: beehive.govt.nz. Regierung von Neuseeland, 9. Dezember 2000, abgerufen am 23. November 2022 (englisch).
  16. Tiny nation has new ruler. In: irishexaminer.com. Irish Examiner, 23. Februar 2001, abgerufen am 22. November 2022 (englisch).
  17. Amanda Witherell: Every Home Is A Grave. In: Capital. Nr. 31, Mai 2016, ISSN 2324-4836, S. 70–73, hier S. 73.
  18. Colonial Police Medal. In: London Gazette. Nr. 46310, 7. Juni 1974, ISSN 0374-3721, S. 6823 (thegazette.co.uk).
  19. Order of the British Empore (Civil Division). In: London Gazette. Nr. 47878, 15. Juni 1979, ISSN 0374-3721, S. 45 (thegazette.co.uk).
  20. Central Chancery of the Orders of the Knighthood. In: London Gazette. Nr. 49255, 4. Februar 1983, ISSN 0374-3721, S. 1697–1698, hier S. 1698 (thegazette.co.uk).