Iulius Paulus

Iulius Paulus war ein römischer spätklassischer Jurist und möglicherweise auch Prätorianerpräfekt unter Kaiser Severus Alexander im frühen 3. Jahrhundert.

Leben und Wirken

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Ebenso wie Papinian war Paulus Schüler des Quintus Cervidius Scaevola. Er begann seine Ämterlaufbahn als adsessor des praefectus praetorio (und früheren Studienkollegen) Papinians. In dieser Eigenschaft war auch Ulpian tätig, mit dem er gemeinsam dem Consilium des Kaisers Septimius Severus angehörte.[1] Unter Severus Alexander wurde er der spätantiken Historia Augusta zufolge schließlich selbst ins höchste kaiserliche Amt berufen und Prätorianerpräfekt (praefectus praetorio).[2] Da dieses Geschichtswerk jedoch äußerst unzuverlässig ist, ist die Prätorianerpräfektur des Paulus, die in keiner anderen Quelle erwähnt wird, nicht sicher belegt.[3] Auch war Paulus unter Kaiser Caracalla tätig.

Möglicherweise war er der Vater von Elagabals erster Frau Iulia Paula. Jedenfalls wurde er nach der Scheidung des Kaisers von diesem des Landes verwiesen. Elagabals Nachfolger Severus Alexander holte Paulus jedoch aus dem Exil zurück und nahm ihn in seinen Beraterstab auf. Über seine Lebensdaten ist nur bekannt, dass er vermutlich aus einer hellenistisch geprägten Region stammte[4] und seinen Zeitgenossen Ulpian überlebt haben muss.

Paulus veröffentlichte viele und umfangreiche Werke zu sehr verschiedenen juristischen Themenbereichen. Im „Florentiner Index“ werden Paulus 24 mehrbändige und darüber hinaus 47 einbändige Werke zugeschrieben (darunter notae zu Julian, Marcellus, Scaevola und Neraz, 26 Bücher quaestiones und nahezu ebenso viele responsa). Von diesen sind nicht alle erhalten, auf sie wurde jedoch in späteren Veröffentlichungen anderer Autoren sowie in zusammenfassenden Veröffentlichungen Bezug genommen.

Unter den mehrbändigen Werken gilt sein Ediktskommentar (Ad Edictum) als seine umfangreichste Veröffentlichung, ein Monumentalwerk, das über 80 Bücher reicht. Enthalten ist eine Vielzahl von einzelnen Rechtsentscheidungen aus der klassischen Literatur. Paulus würdigte die Fälle kritisch und ordnete sie nach einem von ihm entworfenen System in die Bücher ein.[1] Bedeutsam ist aber auch sein Kommentar zum Zivilrechtslehrbuch des Rechtslehrers Sabinus. Da Paulus eine sehr eigene und ihn typisierende prägnante Formulierungsweise pflegte, können ihm – über die im „Florentiner Index“ hinaus – weitere Werke zugeordnet werden.[5] Während der Antike ging man davon aus, dass Paulus auch die fünf Bücher der Sententiae Receptae verfasst habe, vornehmlich sind diese im Breviarium Alaricianum erhalten geblieben. Die Schriften werden nach heutigen Erkenntnissen als „pseudopaulinische Sentenzen“ bezeichnet, da sie kaum von Paulus stammen dürften. Vermutet wird hinter dem Werk ein unbekannter Autor, der um 295 in der Provinz Africa wirkte.[6] Erwähnenswert ist noch, dass Paulus Verfasser einer Sammlung von Dekreten der Kaiser Septimus Severus und Caracallas war,[7] die in der Zeit häufig in Ediktskommentaren wiederkehrten und zu regelhaften Aussagen verwertet wurden.[8]

Noch Jahrhunderte später hatten Paulus’ Schriften so großes Gewicht, dass die beiden Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. ihn im Jahr 426 in die Galerie der unumstößlichen Zitiergrößen aufnahmen. Er befand sich dabei in der Gesellschaft weiterer Autoritäten, nämlich Gaius, Papinian, Ulpian und Modestin. Die Meinungen der fünf Juristen war nicht nur zu beachten, der Justizbeamtenapparat hatte seine Entscheidungen grundsätzlich nach deren Meinungsbildern auszurichten. Paulus und die anderen gaben insoweit zumeist die Rechtsfolgen vor. Unter Konstantin war Paulus neben Ulpian zwischenzeitlich (nämlich 321 n. Chr.) allerdings zensiert und verboten worden, da beide kritische Noten zu Responsen des vom Kaiser höher geschätzten Papinian verfasst hatten und sich damit in Widerspruch zur kaiserlichen Auffassung setzten.[9]

Die nach Paulus benannte paulianische Anfechtungsklage ist bis heute im kontinentaleuropäischen Recht veranlagt, wenngleich nicht mehr unter dieser Bezeichnung.

  1. a b Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht, Böhlau, Wien 1981 (9. Aufl. 2001) (Böhlau-Studien-Bücher) ISBN 3-205-07171-9, S. 46.
  2. Historia Augusta, Pescennius Niger 7,3 f.; Historia Augusta, Severus Alexander 26,5.
  3. Christian Unfug: Die Prätorianerpräfektur im dritten Jahrhundert. Die Entstehung einer „Kaiserlichen Magistratur“. Dissertation, Universität Potsdam 2021, S. 323 (online).
  4. Detlef Liebs: Wenn Fachliteratur Gesetz wird - Inwieweit Wurden Römische Juristenschriften Im Lauf Der Jahrhunderte Überarbeitet?, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 135, Heft 1, 2018. S. 419.
  5. Wilhelm Kalb: Roms Juristen nach ihrer Sprache dargestellt. Leipzig 1890. S. 135–138.
  6. Detlev Liebs: Römische Jurisprudenz in Africa, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. (Romanistische Abteilung) Band 106, Heft 1, 1989. S. 230ff.
  7. Ulrike Babusiaux: Römische Rechtsschichten. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023. ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 114–192, hier S. 145 (Rn. 105).
  8. Mariagrazia Rizzi: Imperator cognoscens decrevit. Profili e contenuti dell’attività giudiziaria imperale in età classica, 2012.
  9. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 283–287 (Zusammenfassung/ S. 287).