Jablonec nad Nisou (deutschGablonz an der Neiße) ist eine tschechische Stadt mit 45.830 Einwohnern (1. Januar 2023) im Bezirk Gablonz in der nordböhmischen Region Reichenberg. Ihr Name leitet sich aus dem tschechischen Wort jabloň (Apfelbaum) und der Neiße (tschechisch: Lužická Nisa) her.
Panorama der Stadt und ihrer Umgebung vom Isergebirge aus gesehen
Die Stadt liegt im historischen nördlichen Böhmen im Tal der Lausitzer Neiße, in die im Stadtzentrum der Mšenský potok (Grünwalder Wasser) und am westlichen Stadtrand die Weiße Neiße einmünden. Das Katastralgebiet der Stadt beträgt 3139 ha.
Die Stadt Jablonec nad Nisou besteht aus den Ortsteilen[3] und Katastralbezirken[4] Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße), Jablonecké Paseky (Bad Schlag), Kokonín (Kukan), Lukášov (Luxdorf),Mšeno nad Nisou(Grünwald an der Neiße), Proseč nad Nisou (Proschwitz an der Neiße), Rýnovice (Reinowitz) und Vrkoslavice (Seidenschwanz). Grundsiedlungseinheiten sind Dobrá Voda (Gutbrunn), Dolina, Dolina-jih, Dolní Kokonín (Unterkukan), Horní Kokonín (Oberkukan), Horní Proseč (Oberproschwitz), Jablonec nad Nisou-střed, Jablonecká přehrada, Jablonecké Paseky, K Černé Studnici (nach Schwarzbrunn), K Jindřichovu-jih, K Jindřichovu-sever, Lukášov, Máchův park, Mánesova-Podzimní, Mšeno nad Nisou-Podlesí, Mšeno nad Nisou-U Jelena, Mšeno nad Nisou-U kapličky, Mšeno nad Nisou-U Navety, Mšeno nad Nisou-U Perly, Na hutích, Na roli, Na Smetance, Na Střelnici, Na Východě, Nad poštou, Nad střelnicí, Novoveská, Pražská (Pragergasse), Proseč nad Nisou, Proseč nad Nisou-Domovina, Prosečský hřeben (Proschwitzkammhäuser), Rýnovice-Janovská, Rýnovice-Nová Osada, Rýnovice-průmyslový obvod, Rýnovice-Stará Osada, Sadová-Pasířská (Parkgasse-Guertlergasse), Srnčí důl, Střední Kokonín (Mittelkukan), Šumava, U Jabloneckých Pasek, U nemocnice, U Nisy (bei Neisse), U pily, U učiliště, V Břízkách, Větrný vrch, Vrkoslavice (Seidenschwanz), Vrkoslavice-Petřín (Nickelkoppenhäuser), Vysoká (Hochgasse), Za hrází, Zelené údolí und Žižkův vrch (Porschberg).[5]
Die erste schriftliche Erwähnung erfolgte im Jahr 1356. Nach der Zerstörung durch Gegner des böhmischen Königs Georg von Podiebrad im August 1469 verschwand die Siedlung völlig.
Am 28. Oktober 1918 wurde die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei ausgerufen. Gablonz wurde am frühen Morgen des 11. Dezember von tschechischen Einheiten aus Mladá Boleslav besetzt. Die deutsche Volkswehr leistete keinen Widerstand. Bei der Volkszählung 1930 gaben 79,5 % der Gablonzer an deutscher und 16,5 % tschechischer Nationalität zu sein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich viele Neubürger aus Mittelböhmen, der Slowakei, Repatrianten und Roma, in Jablonec an.
Jablonec ist die zweitgrößte Stadt der Region Liberec, die größte Stadt und Sitz des Bezirks Jablonec nad Nisou und ein Industriestandort. Sie bildet das Verwaltungs-, Kultur- und Sportzentrum des Isergebirges (Jizerské Hory).
Im Stadtviertel Rýnovice gibt es ein Haus der tschechisch-deutschen Verständigung (Rieger-Haus). Eine Reihe bedeutender Bauten und Stadtviertel beweisen den früheren Reichtum der Stadt. Zu den interessantesten gehören Jugendstilbauten und private Villen an der jetzigen Podhorská ulice (Gebirgsstraße) und der 28. října (Josef-Pfeifer-Straße). Prächtige Bauten des Funktionalismus der 1930er Jahre sind die Villa Schmelowsky, die Villa Hásek (Architekt Heinrich Lauterbach), die Villa Kantor (Adolf-Loos-Schüler Architekt Heinrich Kulka), das Rathaus (Architekt Karl Winter) und die katholische Kirche am Gewerbeplatz (Architekt Josef Zasche).
Neues Rathaus, 1931–1933 im funktionalistischen Stil nach Entwurf des Reichenberger Architekten Karl Winter erbaut.
Altes Rathaus, ein dreistöckiges Gebäude mit vierkantigem Turm, wurde 1867–1869 vom Reichenberger Baumeister Gustav Sachers erbaut.
Glas- und Bijouterie Museum im Jugendstil, gehörte ursprünglich der Exportfirma „Zimmer & Schmidt“. Heute ist es Sitz des Museums für Glas und Bijouterie und Standort der Internationalen Triennale für Glas und Schmuck.[20] Die Sammlungen enthalten Objekte zur Dokumentation der Geschichte der Glasmacherei, der Herstellung von Schmuck und Bijouterie und der Medaillenkunst und Münzenprägerei; alles in besonderer Hinsicht zur Entwicklung in Nordböhmen.
Römisch-katholisch Annenkirche, einschiffiger rechteckiger Barockbau mit polygonalem Presbyterium, 1685–1687 erbaut
Ehemaliges Pfarramt, Gebäude vom Anfang des 18. Jahrhunderts mit einer Neo-Renaissance-Fassade vom Ende des 19. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind die Statue der hl. Maria vor der Kirche und ein etwa einen Meter hohes Versöhnungskreuz an der Kirchwand von 1666.
Römisch-katholische Herz-Jesu-Kirche, ein dreischiffiger, rechteckiger Ziegelbau mit Querschiff und vierkantigem Turm, 1930–1931 nach Entwurf des in Gablonz geborenen Architekten Josef Zasche (1871–1957) errichtet
Altkatholische Kreuzkirche, 1900–1902 im Jugendstil erbaut, der Entwurf stammt ebenfalls vom Architekten Josef Zasche.
Talsperre Mšeno, 1906–1909 im Gebiet der Gewässer der Lausitzer Neiße erbaut. Sie soll den regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen vorbeugen. Die Talsperre liegt 513 m über dem Meeresspiegel und fasst drei Millionen Kubikmeter Wasser. Dieses technische Baudenkmal ist gleichzeitig ein attraktives Erholungsgebiet für die Stadt.
Schützenhaus, war Sitz des örtlichen Schützenvereins, der im Jahr 1761 gegründet wurde. Das spätere Zentrum des Gablonzer Sport- und Kulturlebens wurde in den Jahren 1870–1871 erbaut.
Petřín (Nickelkoppe), Ausflugsrestaurant mit einem zwanzig Meter hohen Aussichtsturm am Südrand der Stadt, 1906 erbaut
Galerie Belvedere, ein spätbarockes zweistöckiges Haus mit einem Mansarddach, gehört zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Die erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1773.
Nad Prosečí (Proschwitzer Kamm), beliebtes Ziel für Spaziergänge zwischen Jablonec und Liberec mit Baude und Aussichtsturm
Schwarzbrunnwarte, Aussichtsturm aus Granit mit Baude, 1905 nach Entwürfen des Gablonzer Architekten Hemmrich auf dem Schwarzbrunnberg (Černá studnice) errichtet
Zunächst waren als Industriebetriebe im Ort Glashütten angesiedelt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Glasindustrie sehr schnell. Weiterer Aufstieg kam für die Stadt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Bijouterie-Manufakturen.
Heute ist neben diesem Industriezweig Jablonec ein Ausgangspunkt für touristische Aktivitäten im Isergebirge und Riesengebirge. Die Lage an der deutschen und polnischen Grenze begünstigt Handelsaktivitäten mit diesen Ländern.
In der Bijouterie- und Glasherstellung sollen in Jablonec und Umgebung auch heute noch 11.000 Menschen beschäftigt sein, wobei die Produktion zu großen Teilen exportorientiert ist. Die wichtigsten Firmen der Glasherstellung – Ecoglass, Preciosa, Ornela, Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus), Glass Tomeš – haben sich zum Verband Bijou Terra zusammengeschlossen, der die Exportgesellschaft Jablonex betreibt.
Das Münzhaus Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus) produziert tschechische Kronen für das ganze Land. Es wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei gegründet, weil das tschechoslowakische Münzhaus im slowakischenKremnica lag.
Außer der Bijouterie- und Glasherstellung sind auch Maschinenbau, Möbelproduktion und holzverarbeitende Industrie vertreten.
Die Firma Soliter produziert Metallschmuck.
Die 1991 gegründete Gesellschaft Jablotron produziert Alarmanlagen, Gartentechnik, Mobiltelefone etc. Sie hat großes Aufsehen mit ihrem „größten Handy der Welt“ erregt. Das Gerät „JABLOTRON GDP 02 Grand“ war ursprünglich für ältere Menschen gedacht, großes Interesse zeigten aber auch Bewohner von Regionen mit schlechter Festnetzversorgung. 2010 beschäftigte Jablotron 450 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 1,36 Mrd. Kronen (ca. 57 Mio. €).[21]
Die Firma LucasVarity produziert Autobremsen in Jablonec und Umgebung unter dem Namen TRW Automotive Aftermarket CZ LUCAS Autobrzdy; sie nutzt hierbei Anlagen der früheren Autobrzdy, später Ateso. Einer der wichtigsten Automobilzulieferer ist A. Raymond Jablonec sro, ein Tochterunternehmen der weltweit operierenden A Raymond.
Adolf Benda: Geschichte der Stadt Gablonz und ihrer Umgebung, Gablonz an der Neisse, 1877, 607 S. als Digitalisat
Carl Joseph Czoernig: Topographisch-historisch-statistische Beschreibung von Reichenberg. Nebst einem Anhange, die Beschreibung von Gablonz enthaltend. Wien 1829, S. 199–216.
↑Helga Raschke: Vertrieben: In Gotha fingen die Gablonzer neu an. Aufbruchstimmung und endgültiger Niedergang der sudetendeutschen Glas- und Schmuckindustrie. In: Thüringer Allgemeine. Gotha 1999.
↑Carl Joseph Czoernig: Topographisch-historisch-statistische Beschreibung von Reichenberg. Nebst einem Anhange, die Beschreibung von Gablonz enthaltend. Wien 1829, S. 207.
↑Adolf Benda: Geschichte der Stadt Gablonz und ihrer Umgebung. Gablonz an der Neisse 1877, S. 81.
↑Jahrbücher des böhmischen Museums für Natur- und Länderkunde, Geschichte, Kunst und Literatur. Band 2, Prag 1831, S. 196, Ziffer 1).
↑ abAdolf Benda: Geschichte der Stadt Gablonz und ihrer Umgebung. Gablonz an der Neisse 1877, S. 84.
↑ abAdolf Benda: Geschichte der Stadt Gablonz und ihrer Umgebung. Gablonz an der Neisse 1877, S. 103.
↑Adolf Benda: Geschichte der Stadt Gablonz und ihrer Umgebung. Gablonz an der Neisse 1877, S. 105.
↑Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 7, Leipzig und Wien 1907, S. 250.
↑ abMichael Rademacher: Landkreis Gablonz an der Neiße. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900