Johann Karl Wezel war der Sohn eines höfisch beamteten Kochs bäuerlicher Herkunft. Früh zeigte Wezel musikalische und dichterische Begabung und wurde durch Nikolaus Dietrich Giseke gefördert, in dessen Haus er auch übersiedelte, als er 1764 in Leipzig ein Studium der Theologie begann. Bald ergänzte er seine Fächer um Jura, Philosophie und Philologie.
Christian Fürchtegott Gellert vermittelte Wezel, der ohne Studienabschluss sich dem Studium von Locke, Voltaire und La Mettrie zuwandte, eine Stelle als Hofmeister beim Freiherrn von Schönberg in Bautzen/Trattlau, wo er bis 1775 blieb. Nach 1776 war er als Kritiker ein Mitarbeiter an der „Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste“. Wezel erfuhr starke Unterstützung durch Christoph Martin Wieland, mit dem er sich später zerstritt.
Wezel bereiste Sankt Petersburg, Paris und London, er war von 1782 bis 1784 Theaterdichter in Wien und kehrte wahrscheinlich 1793 an seinen Geburtsort Sondershausen zurück. Während der letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens befand er sich wohl in einer Lebenskrise, ausgelöst von gesellschaftlicher Isolierung, finanziellen Schwierigkeiten und schriftstellerischen Kontroversen. Er wurde mehrfach psychiatrischen Behandlungen unterzogen, im Juni 1800 bei Samuel Hahnemann in Altona. Ob und in welchem Umfang er in dieser Zeit noch schrieb, ist unbekannt; seine Manuskripte wurden mehrfach gestohlen. Bücher, die in dieser Zeit unter seinem Namen erschienen, sind zumeist untergeschoben; ob sie auch Anteile der gestohlenen Manuskripte enthalten, ist unerforscht.
Das „Wezel-Haus“ in Sondershausen, in dem Wezel seine letzten acht Lebensjahre verbrachte, wurde 1986 abgerissen. Heute befindet sich dort eine Metallstele und die Straße führt seinen Namen.
Wezel war einer der ersten Autoren, die allein von ihrem Schreiben leben konnten. Einige seiner Bücher waren große Erfolge, so vor allem Hermann und Ulrike. Trotzdem war er schon zu Lebzeiten fast vollkommen vergessen. Hermann Marggraff widmete 1837 in seiner Sammlung Bücher und Menschen dem „Sonderling von Sondershausen“ einen längeren Essay. Wiederentdeckt wurde Wezel zu Beginn der 1920er Jahre von Carl Georg von Maassen, der in seiner Zeitschrift „Der grundgescheute Antiquarius“ einen großen Wezel-Essay veröffentlichte und „Hermann und Ulrike“ im Georg Müller Verlag neu edierte.
Arno Schmidt, dessen „Entdeckungen“ Maassen allgemein viel verdanken (auf etliche der „haidnischen Alterthümer“ hatte dieser schon Jahrzehnte vor Schmidt hingewiesen), brachte Wezel 1959 mit dem Funkessay Belphegor oder Wie ich euch hasse erneut in Erinnerung.
Wezel schrieb anfangs Gedichte, aber auch Romane, Lustspiele und Satiren. Seine Arbeiten sind unter anderem beeinflusst von Henry Fielding, Tobias G. Smollett und Laurence Sterne. Wezels satirischer Roman Belphegor gilt als Gegenstück zu VoltairesCandide und Jonathan SwiftsGullivers Reisen. Der Idealist Belphegor reist zusammen mit seinen Freunden Medardus und Fromal und ihrer ehemaligen Mätresse Akante durch die von Schrecken und Grausamkeit geprägte Welt und zieht sich desillusioniert in ein kleines von der Außenwelt abgeschlossenes Utopia in Virginia zurück.
Wezel verfasste neben seinen literarischen Arbeiten auch einen eigenständigen Beitrag zur neuen Wissenschaft Anthropologie, was ihn unter seinen Zeitgenossen einzigartig macht. Er kritisiert Ernst Platners philosophische Medizin, die sich noch auf metaphysische Auffassungen der Seele beruft. Wezel selbst plädiert für ein neues, empirisch-psychologisches Verständnis der Seele. Mit Platner führte er darüber eine öffentliche Polemik. Selbst betreibt er jedoch eine schriftstellerische Beschreibung der Affekte und Leidenschaften in Anlehnung an die Experimentalseelenlehre (1756) Johann Gottlob Krügers. Für Wezel ist der „Nervensaft“ das Mittelglied zwischen Seele und Leib. In seiner Pädagogik steht Wezel den Erziehungsideen des Dessauer Philanthropins nahe, wo die Erziehung des Menschen nicht nach der Vorstellung eines normierten, perfekten Ideals, sondern nach pragmatischen Gesichtspunkten zur Ausbildung einer individuellen Persönlichkeit verstanden wurde.
Kritische Schriften: Hrsg. von Albert R. Schmitt, Phillip McKnight, 3 Bde. Stuttgart 1971–1975.
Pädagogische Schriften. Hrsg. von Phillip McKnight. Frankfurt am Main 1996.
Gesamtausgabe in acht Bänden. Hrsg. von Klaus Manger, Jutta Heinz u.a. Mattes Verlag, Heidelberg 1997 ff. (bis 2022 sechs Bände erschienen).
Bekenntnisse eines glücklichen Skeptikers. Ein Johann-Karl-Wezel-Lesebuch. Zusammengestellt und mit einer Einleitung herausgegeben von Jutta Heinz. Heidelberg 2019.
H[endrik] B[ärnighausen]: Wezel, Johann Karl. In: Lebenswege in Thüringen. Vierte Sammlung. Jena 2011, ISBN 978-3-939718-57-4, S. 353–362.
Pascal Bizard: „Welche Seite der Welt soll man jungen Leuten zeigen?“ Die literarische Reflexion pädagogischer Konzepte in Prosatexten Johann Karl Wezels. Diss. phil. Universität Freiburg i. Br. 2007 (Volltext).
Irene Boose (Hrsg.): Warum Wezel? Zum 250. Geburtstag eines Aufklärers. Heidelberg 1997.
Jutta Heinz: Johann Karl Wezel (= Meteore, 4.) Hgg. Alexander Košenina, Nikola Roßbach, Franziska Schößler. Wehrhahn, Hannover 2010.
Jutta Heinz (unter Mitarbeit von Helmut Köhler): Eine große Persönlichkeit in Sondershausen: Johann Karl Wezel (1747 – 1819) Sondershausen 2019.
Cornelia Ilbrig: Aufklärung im Zeichen eines „glücklichen Skepticismus“. Johann Karl Wezels Werk als Modellfall für literarische Skepsis in der späten Aufklärung. Wehrhahn, Hannover 2007, ISBN 3-86525-046-7.
Hans-Peter Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit. Walter de Gruyter, Berlin 2003 (interdisziplinär angelegte Dissertation zu den philosophisch-anthropologischen Anschauungen Wezels).
Arno Schmidt: Belphegor oder Wie ich Euch hasse. Funkessay, 1959. In: Das essayistische Werk zur deutschen Literatur, 1. Haffmans, Bargfeld 1988, S. 191–222.
Martin-Andreas Schulz: Johann Karl Wezel. Literarische Öffentlichkeit und Erzählen. Untersuchungen zu seinem literarischen Programm und dessen Umsetzung in seinen Romanen. Wehrhahn, Hannover 2000, ISBN 3-932324-90-0.
André Thiele: Von der Kraft kleiner Gaben. In: Konkret, 8, 1998.