Loën wurde als Sohn des aus einer angesehenen niederländischen Kaufmannsfamilie stammenden Michael Loën und seiner Gattin Marie, geborene Passavant, in Frankfurt geboren. Er besuchte zunächst die öffentliche Schule in Frankfurt und kam 1707 auf das Internat Birstein bei Gelnhausen. 1711 begann er in Marburg ein Studium der Rechtswissenschaften sowie der Schönen Wissenschaften und Künste. 1712 wechselte er an die Universität Halle, wo er u. a. bei Christian Thomasius studierte. Nach kurzem Aufenthalt in Frankfurt ging er 1715 nach Wetzlar, um – in seinen Worten – „den Kammerschlender“ kennenzulernen, d. h. sich mit dem dortigen Reichskammergericht vertraut zu machen.
1716 begab sich Loën auf ausgiebige Reisen durch Deutschland und die Niederlande. Durch eine beträchtliche Erbschaft 1718 finanziell abgesichert, weitete er seine Reisen auf die Schweiz, Frankreich und Oberitalien aus. Sein Weg führte ihn unter anderem nach Augsburg, Regensburg, Nürnberg, Jena, Berlin (1717–1718), Dresden (1718), Wien, Straßburg, Paris, Prag und Breslau. 1724 kehrte er in seine Heimatstadt Frankfurt zurück. Hier lebte er, dank des von seinem Großvater mütterlicherseits geerbten Vermögens, unabhängig als Privatgelehrter und freier Schriftsteller. Der Aufklärer veröffentlichte in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche streitbare religiöse, staatspolitische und adelskritische Schriften, u. a. den Staatsroman Der Redliche Mann am Hofe. Er sammelte Bücher und Kunstwerke und wurde zum Mittelpunkt eines geselligen und gebildeten Freundeskreises. 1734 begann er das Bestandsverzeichnis seiner ansehnlichen Bibliothek (Bibliotheca Loeniana selecta realis systematica), das er jedoch nie zu Ende führte.
1729 heiratete Loën in Frankfurt Katharina Sibylla Lindheimer, die Schwester von Goethes Großmutter Textor (und war somit Großonkel des 1749 geborenen Goethe). Nach dem Tod seines Bruders 1729 wurde Loën alleiniger Besitzer des Merianschen Landhauses am Mainufer unterhalb der Stadt Frankfurt, in dem später die Trauung von Goethes Eltern stattfinden sollte. 1733 kaufte er das Gut Mörfelden.
1752 berief der preußische König Friedrich II. Loën als Regierungspräsidenten der Grafschaft Lingen und der Grafschaft Tecklenburg nach Lingen an der Ems. Obwohl er frühere Angebote der preußischen Regierung ausgeschlagen hatte, nahm Loen die Stelle an, womöglich aufgrund mangelnden Erfolgs als Schriftsteller. Goethe nennt im 2. Buch des ersten Teils von Dichtung und Wahrheit den religiösen Streit um Loëns Werk Die einzige und wahre Religion als Motiv für seinen Weggang aus Frankfurt.
Im Siebenjährigen Krieg geriet Loën 1757 in französische Gefangenschaft und wurde nach Wesel verschleppt, wo er vier Jahre lang in einem „allerelendsten und unanständigsten Zimmer“ als Geisel gehalten wurde. 1761 wurde er freigelassen, doch musste er bis zum Friedensschluss einen seiner Söhne an seine Stelle treten lassen. 1765 erbat er beim König seinen Abschied. In seinen letzten Lebensjahren war er beinahe vollständig erblindet; der Augenarzt Johann Heinrich Jung-Stilling operierte ihn ohne Erfolg. 1776 starb Loën in Lingen.
Loën beschäftigte sich in seinen Veröffentlichungen mit einer großen thematischen Bandbreite. Dabei verwendete er seine Überlegungen, oft sogar exakt gleiche Textpassagen mehrfach in verschiedenen Werken. Seine langfristige Wirkung blieb allerdings gering, wohl vor allem, weil er sich in religiösen Fragen strikt gegen Dogmatismus, Hierarchie und Zeremoniell wandte. Noch am meisten Beachtung fand sein Entwurf eines europäischen Staatenbunds, der den Frieden auf dem Kontinent sichern sollte. Zentrales Gremium des Staatenbunds sollte ein Rat aus bis zu 50 Juristen als Friedens-Richter sein. Diese sollten zwischenstaatliche Streitpunkte per Mehrheitsbeschluss entscheiden, den grenzüberschreitenden Handel regulieren und die Vollmacht zur vorherigen Genehmigung von geplanten Grenzveränderungen und der Heiratspolitik der europäischen Höfe erhalten.
Mit seiner Frau Katharina Sibylla Lindheimer (1702–1776), die er 1729 geheiratete, hatte er 7 Kinder, darunter:
Johann Wolfgang (* 18. Oktober 1732; † 14. November 1783), Hofkammerrat des Grafen von Solms-Laubach ⚭ Louise Henriette Albertine von Clotz-Ostheim (* 18. Oktober 1757; † 17. November 1776)[1][2]
Rudolf Emanuel (* 12. März 1734; † 1813) ⚭ 30. Juni 1778 Jeanne Elisabeth Franziska Fleischbein (* 21. August 1756; † 5. Januar 1780)[3][4]
Das Geheimnuss der Verwesung und Verbrennung aller Dinge, 1729 (Digitalisat)
Der vernünftige Gottesdienst nach der leichten Lehrart des Heilandes, 1738
Der Redliche Mann am Hofe; Oder die Begebenheiten des Grafen von Rivera, Roman, 1740.
Kritische Edition der Erstausgabe: Der Redliche Mann am Hofe. Hrsg. von Christopher Meid/Philipp Redl. Hiersemann, Stuttgart 2019 (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 353) ISBN 978-3-7772-1917-2
Das Bild eines weisen Mannes und eines Christen am Hofe in dem Leben des Erzbischofs Fenelon, 1743
Des Herrn von Loen Freie Gedancken zur Verbesserung der Menschlichen Gesellschafft , 1746–1752 (Digitalisat)
Entwurf einer Staats-Kunst, worinn die natürlichste Mittel entdecket werden, ein Land mächtig, reich, und glücklich zu machen, 1747 (Digitalisat der 3. Auflage 1751)
Die einzige wahre Religion, allgemein in ihren Grundsätzen, verwirret durch die Zänkereyen der Schriftgelehrten, zertheilet in allerhand Seiten, vereiniget in Christo, 1750–1752, veränd. Aufl. 1756
Des Herrn Geheimden Rath von Loen Freye Gedanken von dem Hof, der Policey, gelehrten, bürgerlichen und Bauren-Stand, von der Religion und einem beständigen Frieden in Europa : samt einem Anhang dreyer Abhandlungen von den Besoldungen der Minister, der Kriegszucht und der Ausbreitung falscher Siege und Vortheile im Krieg. 2., verm. Aufl. Gaum, Ulm, Frankfurt & Leipzig 1761 (Digitalisat)
Andreas Anglet: Johann Michael von Loën. In: Europas vergessene Visionäre. Nomos, Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-8452-8835-2.
Christiane Büchel: Johann Michael von Loen im Wandel der Zeiten. Eine kleine Forschungsgeschichte. In: Das achtzehnte Jahrhundert, ISSN0722-740X, Jg. 16 (1992), H. 1, S. 13–37
Christiane Büchel: Der Offizier im Gesellschaftsbild der Frühaufklärung. Die Soldatenschriften des Johann Michael von Loen. In: Daniel Hohrath, Klaus Gerteis (Hrsg.): Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft. Militaer und Aufklaerung im 18. Jahrhundert. Teil 1. (= Aufklaerung, Jg. 11, Heft 2). Meiner, Hamburg 1999, ISBN 3-7873-1398-2, S. 5–23
Christopher Meid: Systementwurf und Aufklärungserzählung. Der politische Roman im 18. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin/New York: 2021 (spectrum Literaturwissenschaft, 73), ISBN 978-3-11-069914-2, S. 151–197
Christopher Meid: Der Roman als „Sitten-Lehre durch Exempel“. Johann Michael von Loens Redlicher Mann am Hofe (1740) im Kontext der Historia literaria. In: Oliver Bach/Michael Multhammer (Hrsg.): Historia pragmatica. Der Roman des 18. Jahrhunderts zwischen Gelehrsamkeitsgeschichte und Autonomieästhetik. Winter, Heidelberg 2020, S. 121–137
David G. John: Johann Michael von Loen's Ideal City. A Reflection of Eighteenth-Century Currents in Germany. In: Journal of Urban History, ISSN0096-1442, Vol. 6, No. 1, November 1979, S. 80–95 (über Loens’ Abhandlung Kurzer Entwurf, wie eine Stadt … könnte auferbauet werden in den „Freien Gedancken zur Verbesserung der Menschlichen Gesellschafft“)
Lieselotte E. Kurth-Voigt: Johann Michael von Loen und Christoph Heinrich Korn: „Die Redlichen am Hofe“. Zur Frauenliteratur des achtzehnten Jahrhunderts. In: MLN, ISSN0026-7910, Vol. 114, Number 3, April 1999 (German Issue), S. 590–593
Siegfried Sieber: Johann Michael von Loen, Goethes Großoheim (1694-1776), sein Leben, sein Wirken, und eine Auswahl aus seinen Schriften. Historia, Leipzig 1922
Johann Christoph Strodtmann: Geschichte Sr. Hochwohlgebornen des Hrn. Johann Michael von Loen. In: Das neue Gelehrte Europa. Zweyter Theil. Meißner, Wolfenbüttel 1753, S. 520–570 (Digitalisat)