John-Paul Himka (* 18. Mai 1949 in Detroit, Michigan) ist ein amerikanisch-kanadischer Historiker und emeritierter Professor für Geschichte an der Universität von Alberta in Edmonton.[1]
Himka hat einen gemischten ethnischen Hintergrund, ukrainisch (väterlicherseits) und italienisch (mütterlicherseits). Ursprünglich wollte er griechisch-katholischer Priester werden und studierte am St. Basil Seminar in Stamford, Connecticut. Aufgrund Politisierung Ende der 1960er Jahre verfolgte er diesen Weg nicht weiter.[2]
Himka machte 1971 seinen BA in Byzantinisch-Slawische Studien und 1977 den Ph.D. in Geschichte an der Universität von Michigan.[1] Titel seiner Dissertation war Polish and Ukrainian Socialism: Austria, 1867–1890. Als Historiker war Himka Marxist der 1970er und 80er Jahre, beschäftigte sich dann mit Postmodernismus in den 1990er Jahren. 2012 bezeichnete er seine Methodologie in Geschichte als „eklezistisch“.[2]
Ab 1977 lehrte Himka an der Universität von Alberta, Abteilung für Geschichte und Klassik.[1] Department of History and Classics, University of Alberta. 1992 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt und verließ die Universität im Jahr 2014.[1] Himka ist Träger mehrerer Auszeichnungen und Stipendien. Er war Mitherausgeber der „Enzyklopädie der Ukraine“ für drei Geschichtsbände.[3]
Himka reiste 1976 zu Forschungszwecken in die Ukraine und arbeitete mit Wissenschaftlern der Lwiwer Universität Fachbereich Geschichte zusammen. Anfangs konzentrierte sich Himka auf Sozialgeschichte in Galizien im 19. und 20. Jahrhundert. Der 1000. Jahrestag der Christianisierung der Rus weckte sein Interesse an der Geschichte der Griechisch-katholische Kirche und den Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des ukrainischen Nationalismus.[4]
2002 untersuchte er Sozialismus in Habsburgs Galizien, eine ehemals autonome Region in der Westukraine, religiöse Kultur der Ostslawen (Ikonografie) und insbesondere den Holocaust in der Ukraine.[5]
Seit den späten 1990er Jahren wurde seine Auseinandersetzung mit dem, was er als ukrainische „nationalistische Geschichtsmythen“ bezeichnet, Gegenstand zunehmender Debatten sowohl in der Ukraine als auch in der in Nordamerika. Himka hinterfragte die Interpretation des Holodomor als Genozid und die Ansicht, Ukrainischer Nationalismus und die Nationalisten hätten keine oder fast keine Rolle beim Holocaust in der Ukraine gespielt. Himka wandte sich auch gegen die offizielle Verherrlichung von Roman Schuchewytsch und Stepan Bandera zu nationalen Helden während der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko.[2][6]
„The fundamental point of contention between the adherents of the national myth and me is whether or not the Organization of Ukrainian Nationalists (hereafter OUN) and its armed force, the Ukrainian Insurgent Army (hereafter UPA, from its Ukrainian initials) participated in the Holocaust. They deny this entirely. My research indicates, however, as does the research of scholars around the world, that the participation was significant.“
„Der grundlegende Streitpunkt zwischen den Anhängern des nationalen Mythos und mir ist die Frage, ob die Organisation Ukrainischer Nationalisten und ihre bewaffnete Kraft, die Ukrainische Aufständische Armee, am Holocaust beteiligt waren oder nicht. Sie leugnen dies vollständig. Meine Nachforschungen zeigen jedoch, wie auch die Nachforschungen von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, dass die Beteiligung erheblich war.“
In seinem 1996 auf früheren Arbeiten basierenden Artikel „Krakivski visti and the Jews, 1943: Ein Beitrag zur Geschichte der ukrainisch-jüdischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs“, erschienen im Journal of Ukrainian Studies, schrieb Himka, dass die Geschichte der ukrainisch-jüdischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs erstaunlich wenig erforscht wurde. Himka zitiert Raul Hilbergs „monumentale Studie“, „Die Vernichtung der europäischen Juden“, als die von Historikern verwendete Quelle.[8]
Als Antwort auf diese Lücke präsentierte Himka seine detaillierte Studie über antisemitische Artikeln im Jahr 1943 im „Flaggschiff des ukrainischen Journalismus unter der Nazi-Besatzung“, der Tageszeitung Krakiwski Wisti. Leiter war Mychajlo Chomjak der in Kanada sich in Michael Chomiak umbenannte und Schwiegervater von Himka war. Nach Chomiaks Tod übernahm das Provinzarchiv von Alberta 1985 dessen Unterlagen.[9]
Himka beschrieb, die „wichtige und im Allgemeinen positive Rolle im ukrainischen Leben“, die Krakiwski Wisti „als Puffer zwischen den deutschen Besatzungsbehörden und der Bevölkerung des Generalgouvernement“ hatte. Als Reaktion auf eine Anordnung des deutschen Pressechefs vom Mai 1943 veröffentlichte die Zeitung vom 25. Mai bis zum Juli antisemitische Artikel, die von der ukrainischen Intelligenz im Allgemeinen negativ aufgenommen worden seien.[10] Die zweite, „Galizische Dorfbewohner und die ukrainische Nationalbewegung im neunzehnten Jahrhundert“[11] wurde 1988 veröffentlicht. Die dritte, „Religion and Nationality in Western Ukraine: The Greek Catholic Church and the Ruthenian National Movement in Galicia, 1867–1900“, das „den Wechselbeziehungen zwischen Kirche und Staat“ gewidmet ist, wurde 1999 veröffentlicht.[12][13]
In seinem 2005 erschienenen Artikel „Kriegsverbrechen: Ein weißer Fleck im kollektiven Gedächtnis der ukrainischen Diaspora Kriegsverbrechen“[14] untersuchte er Material, das von einer ukrainisch-jüdischen Konferenz im Jahr 1983 stammte, die am 50. Jahrestag des Sowjetischen Hungersnot von 1932–1933 stattfand[15], sowie „aktuelle elektronische Medien und die letzten Jahre der The Ukrainian Weekly, ergänzt um eine retrospektive Auswahl von Artikeln der (Anm.: ukrainischen Zeitschrift) Svoboda.“[16] Auf der Konferenz von 1983 habe beispielsweise Professor Jaroslaw Bilinski einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Vorwurf angeblicher Kollaboration jüdischstämmiger Kommunisten bei der zur Großen Hungersnot führenden Kollektivierung der Landwirtschaft und jeder nachgewiesenen Kollaboration ukrainischstämmiger Extremisten beim Holocaust bestritten.[17]
Sein 2009 erschienenes Buch „Last Judgment Iconography in the Carpathians“ ist das Ergebnis einer zehnjährigen Forschungsarbeit „in der gesamten Region der Karpaten, wo er eine unverwechselbare und grenzüberschreitende Mischung aus gotischer, byzantinischer und novgorodianischer Kunst gefunden hat“.
In einem Buchtrag über Volksgruppenzugehörigkeit und die Berichterstattung über Massenmord[18] untersuchte Himka wie die Krakiwski Wisti über zwei Fälle von Massengewalt durch die Sowjets, die NKVD-Häftlingsmassaker 1941 und die Massaker von Winnyzja, berichtet hatte. Himka schrieb, dass Krakiwski Wisti „sowohl die Täter als auch die Opfer ethnisierte, indem er den Ersteren vor allem eine jüdische Identität zuschrieb und die Letzteren fast ausschließlich als Ukrainer darstellte.“[19]
2021 veröffentlichte John-Paul Himka als Abschluss und Zusammenfassung seiner Arbeiten als Historiker an der Universität seine Monographie über die Beteiligung der ukrainischen Nationalisten am Holocaust. Der für seine Stepan-Bandera-Monographie bekannte polnische Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe bezeichnet das Buch als „wichtige Publikation, die vor allem in der Ukraine zu einem Standardwerk über das Verhalten ukrainischer Nationalisten im Holocaust werden sollte“.[20]
John-Paul Himka ist verheiratet mit Chrystia Chomiak,[1] der Tochter von Michael Chomiak (1905–1984),[21][22] der Redakteur der antisemitischen neukrainsichen Zeitschrift Krakiwski Wisti war. Himka erfuhr davon erst, als Chomiak 1984 starb.[23][24] Das Paar hat zwei Kinder.[1]
John-Paul Himka unterstützt aktiv die gewerkschaftsnahe Ukraine-Solidaritätskampagne und wurde am 11. November 2022 vom Außenministerium der Russischen Föderation in Reaktion auf die Verschärfung von US-Sanktionen mit 200 anderen US-Bürgern mit einem Einreiseverbot belegt.[1]
Personendaten | |
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NAME | Himka, John-Paul |
KURZBESCHREIBUNG | amerikanisch-kanadischer Historiker |
GEBURTSDATUM | 18. Mai 1949 |
GEBURTSORT | Detroit, Michigan |