Kanji Nishio (japanisch 西尾 幹二, Nishio Kanji; geboren am 20. Juli 1935 in der Präfektur Tokio; † 1. November 2024 ebendort[1]) war ein japanischer Germanist. Er war Universitätsprofessor für Literatur in Tokio und ist bekannt für seine Nietzsche-Übersetzungen, für seine Beiträge zur Literatur und Philosophie und für seine Beiträge zu Fragen der japanischen und westlichen Gesellschaft.
Nishio graduierte 1958 an der Universität Tokio mit einer Arbeit zur Deutschen Literatur zum Bachelor. 1961 absolvierte er an derselben Universität den Master. 1964 übernahm er eine Assistentenstelle an der Denki Tsūshin Daigaku und ging dann von 1965 bis 1967 zu einem Forschungsaufenthalt an die Universität München. 1975 wurde er an der Universität Tokio zum Professor ernannt und 1979 mit einer Arbeit über den frühen Nietzsche promoviert. 1999 beendete er seine Universitätslaufbahn.
Nishios Publikationen umfassen mehr als 70 Bücher. Darüber hinaus gehen mehr als 30 Übersetzungen auf ihn – gelegentlich mit Koautoren – zurück. So war er an der Übersetzung der Gesamtausgabe Friedrich Nietzsches des Verlags Walter de Gruyter beteiligt, und er übersetzte Werke weiterer deutscher Philosophen, u. a. Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung.
Im November 2024 starb er im Alter von 89 Jahren.
Nishio beschäftigte sich während seines Aufenthaltes in Deutschland 1965 bis 1967 vor allem mit Schopenhauer und Nietzsche. Er reiste aber auch durchs Land und publizierte seine Beobachtungen.[2]
1978 wurde ein Vortrag von ihm im 2. Bayerischen Rundfunk gesendet mit dem Titel Die Exklusivität Europas.[3] Der japanische Titel Yōroppa no heisa-sei (ヨーロッパの閉鎖性), „Das sich ausgrenzende Europa“, zeigt früh eine Linie seiner Europa-Kritik.
1980 war Nishio auf Einladung des DAAD in Deutschland. Im Herbst 1982 folgte, vom japanischen Außenministerium unterstützt, eine Vortragsreihe mit dem Titel Was ist das moderne Japan?[4]. In diesem Vortrag, der zwischen dem 29. September und 11. Oktober in Kiel, Lüneburg, Hamburg, Köln, Bonn, Düsseldorf, München und Stuttgart gehalten wurde, führte Nishio aus, dass man in Japan die europäische Geistesgeschichte gerade deshalb so schnell rezipieren konnte, weil man dafür eine gute eigene geistesgeschichtliche Basis hatte, dass die derzeitige wirtschaftliche Rezession in Deutschland darauf zurückzuführen sei, dass man hier versäumt habe, in z. B. in die Elektronikindustrie zu investieren, dass sich nun etwas wiederhole, was dem Aufstieg Deutschlands innerhalb Europas vor hundert Jahren ähnele: dass nun Japan argwöhnisch betrachtet werde, wie damals Deutschland.
1988 publizierte das literarisch-intellektuelle Monatsmagazin Chūōkōron einen Beitrag Nishios unter dem Titel Einige Fragen an Helmut Schmidt: Der Eurozentrismus der Deutschen und ihre „Vergangenheitsbewältigung“.[5], in dem er sich mit Helmut Schmidts in verschiedenen Zeitschriften wiederholt geäußerter Japan-Sicht kritisch auseinandersetzt. Nishio schreibt unter anderem, Schmidts Bemerkung, Japan habe keine Freunde in seiner Nachbarschaft, beherrsche im Unterschied zu Deutschland nicht die Sprache seiner Nachbarländer, sei zwar nicht falsch, verkenne aber, dass sich Deutschland innerhalb des sprachlich verwandten Europas befinde und daher nicht mit Japan am Rande eines heterogenen Ostasiens auf diese Weise zu vergleichen sei. Nishio legte in dem Beitrag Schmidt nahe, „endlich Abstand von der in Europa üblichen traditionellen Gewohnheit zu nehmen, Japan mit pädagogisch gemünzten Ratschlägen zu überschütten“. – Unbestritten hätte auch Japan Kriegsgräuel begangen, aber eben nicht etwas, was mit der fabrikmäßigen Auslöschung von vielen Millionen Juden vergleichbar wäre. Es sei daher verständlich, dass es einen Unterschied in der japanischen Haltung zum Pazifikkrieg gäbe, verglichen mit der deutschen Haltung zu zwei Weltkriegen, die Deutschland angefangen habe.[A 1]
Personendaten | |
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NAME | Nishio, Kanji |
ALTERNATIVNAMEN | 西尾幹二 (japanisch) |
KURZBESCHREIBUNG | japanischer Germanist |
GEBURTSDATUM | 20. Juli 1935 |
GEBURTSORT | Präfektur Tokio |
STERBEDATUM | 1. November 2024 |
STERBEORT | Präfektur Tokio |