Ich kann mich sehr genau erinnern, daß, als ich seinerzeit in dem Kompositionskurs in Kranichstein ein großes Klavierwerk von Goeyvaerts, das ich für reinen Galimathias halte, im einzelnen analysierte, unter den Zuhörern sich einige der wichtigsten gegenwärtigen Exponenten der seriellen Musik befanden, die damals doch sehr energisch Partei für jenes Werk ergriffen haben.[3]
Goeyvaerts schrieb 1952:
Im vorigen Jahr hatte ich die Gelegenheit, die Darmstädter Ferienkurse und Konzerte als Teilnehmer kennenzulernen. Ich glaube, daß in unserer kollektivistischen Zeit, in der das künstlerische Schaffen fast unpersönlich aus der Totalität des Geistigen heraustritt und kaum mehr Ausdruck einer individuellen Empfindung ist, dieses jährliche Zusammentreffen, dieser Austausch von Gedanken einer dringenden Notwendigkeit entspricht.[4]
In der Folge gehörte Goeyvaerts zu den ersten Komponisten, die im Studio für elektronische Musik des Westdeutschen RundfunksKöln experimentieren konnten; allerdings war er mit den Resultaten nicht sehr glücklich. 1958–1970 unterbrach er seine musikalische Karriere und arbeitete als Übersetzer und Redakteur für die belgische Fluggesellschaft Sabena; nebenher komponierte er einzelne Orchesterwerke und einzelne Versuche für Instrumente und Tonband,[5] schloss sich der Genter Komponistengruppe Spectra an und unterrichtete (ab 1967) am Konservatorium in Antwerpen.
Vorübergehend interessierten Goeyvaerts an das Improvisationstheater angelehnte Konzepte, so in den Werken Van uit de kern und Catch à quatre. Ab 1970 unterrichtete er am Institut für Psychoakustik und elektronische Musik in Gent. 1975–1988 war er Redakteur für zeitgenössische Musik bei Radio 3 in Brüssel; Kompositionen aus dieser Zeit zeigen minimalistische Tendenzen. An seinem letzten Werk, der groß angelegten Oper Aquarius, arbeitete er ein volles Jahrzehnt. 1992 wurde er als Professor für Neue Musik an die musikwissenschaftliche Abteilung der Katholischen UniversitätLöwen berufen, 1993 starb er überraschend.
Internationales Musikinstitut Darmstadt (Hrsg.): Von Kranichstein zur Gegenwart. 50 Jahre Darmstädter Ferienkurse. DACO Verlag (Stuttgart 1996), ISBN 3-87135-028-1.
Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte. Sonderband. Darmstadt-Dokumente I. Edition Text + Kritik (München 1999), ISBN 3-88377-487-1.
Mark Delaere: Auf der Suche nach serieller Stimmigkeit: Goeyvearts' Weg zur Komposition Nr.2 in kontexte, Beiträge zur zeitgenössischen Musik 01, Institut für neue Musik, (Berlin 1999), ISBN 3-923997-76-0.
Karel Goeyvaerts: Selbstlose Musik. Texte – Briefe – Gespräche. Eingeleitet und herausgegeben von Mark Delaere. Edition MusikTexte (Köln 2010), ISBN 978-3-9813319-1-2.
↑Documentatie- en Onderzoekscentrum voor Religie, Cultuur en Samenleving (KADOC): Goeyvaerts gespiegeld (Memento vom 17. Februar 2018 im Internet Archive), abgerufen am 9. April 2020.
↑„Impressed by Messiaen’s teaching and by his organization of basic musical elements in the Mode des valeurs et d’intensités, and also influenced by his own analysis of Webern’s Piano Variations, Goeyvaerts composed the Sonata for Two Pianos, which was completed in spring 1951.“ Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Macmillan Publishers (London 1980), Stichwort „Goeyvaerts, Karel“.
↑Internationales Musikinstitut Darmstadt (Hrsg.): Von Kranichstein zur Gegenwart. 50 Jahre Darmstädter Ferienkurse. DACO Verlag (Stuttgart 1996), ISBN 3-87135-028-1, S. 149.
↑Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte. Sonderband. Darmstadt-Dokumente I. Edition Text + Kritik (München 1999), ISBN 3-88377-487-1, S. 65.
↑„Dissatisfied with the results of pure electronic music, he set about finding means of transforming instrumental sound electronically in such works as Opus 6.“ Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Macmillan Publishers (London 1980), Stichwort „Goeyvaerts, Karel“.