Karim Asad Ahmad Khan KC (* 30. März 1970 in Edinburgh, Schottland, Vereinigtes Königreich) ist ein britischer Anwalt und seit Juni 2021 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.
Khan schloss das King’s College der University of London mit einem Bachelor of Laws ab. Er studierte und lehrte auch islamisches Recht.[1] Er ist Ehrendoktor der Europäischen Universität von Tirana und des University College FAMA in Pristina.
Von 1997 bis 2000 war Khan Ankläger bei den UN-Tribunalen, die sich mit den Kriegsverbrechen in Ruanda und Ex-Jugoslawien beschäftigen. Er war zudem in verschiedenen Verfahren vor internationalen Strafgerichtshöfen sowohl als Opfervertreter oder Nebenkläger als auch als Strafverteidiger tätig.[2]
Bis 2021 leitete Khan die Untersuchungen nach Kriegsverbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak (Investigative Team to Promote Accountability for Da’esh / ISIL crimes – UNITAD).[3][4]
Khan wurde am 12. Februar 2021 von den Vertretern der 123 Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zum Nachfolger der Gambierin Fatou Bensouda bestimmt. In der ersten Wahl, in der sich die Vertragsstaaten nicht auf einen Kandidaten einigen konnten, erhielt er in der Stichwahl 72 von 122 abgegebenen Stimmen, der zweitplatzierte irische Jurist Fergal Gaynor 42.[5][6] Zuvor führte der Versuch, unter den Vertragsstaaten einen Konsens über einen der vier Kandidaten der Shortlist, Morris A. Anyah (Nigeria), Fergal Gaynor (Irland), Susan Okalany (Uganda) und Richard Roy (Kanada), zu finden, zu keinem Ergebnis. Deshalb leitete das Komitee die Bewerbungen von fünf weiteren Kandidaten, die in die engere Wahl für die Shortlist gekommen waren und nach Rücksprache ihre Bewerbung aufrechterhielten, mit den Bewertungen an die Vertragsstaaten weiter. Diese weiteren Kandidaten waren neben Khan auch Carlos Castresana Fernández (Spanien), Francesco Lo Voi (Italien), Robert Petit (Kanada) und Brigitte Raynaud (Frankreich).[7]
Khans neunjährige Amtszeit begann am 16. Juni 2021.[2]
Khan stand unter politischem Druck, weil er über die geplanten Ermittlungsverfahren zu Kriegsverbrechen in Palästina und in Afghanistan und damit verbundene Prozesse gegen Militärs aus Israel oder den USA zu entscheiden hatte.[8] Der US-Präsident Donald Trump hatte Khans Vorgängerin, die Chefanklägerin Bensouda, mit Sanktionen belegt, um die Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen durch die USA in Afghanistan zu verhindern – was ein US-Gericht jedoch untersagte.[8][9]
Im September 2021 nahm er die Ermittlungen zu Verbrechen in Afghanistan wieder auf, beschloss aber, die Vorwürfe gegen die USA dabei auszusparen.[10] Seine Entscheidung, die Akte über US-Kriegsverbrechen zurückzuziehen, begründete Khan mit „begrenzten Ressourcen“ des Gerichts.[11]
Am 17. März 2023 erließ der IStGH auf Betreiben Khans Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Präsidialbeauftragte für Kinderrechte, Marija Lwowa-Belowa. Ihnen wurde die Beteiligung an der Deportation von ukrainischen Kindern nach Russland vorgeworfen.[12] Russland schrieb als Reaktion darauf Khan zur Fahndung aus und ermittelt wegen Verstoßes gegen russische Strafgesetze. Die Ermittler hatten gegen Khan bereits ein Strafverfahren eingeleitet, weil er „wissentlich eine unschuldige Person“ angeklagt und einen „Angriff auf einen Vertreter einer ausländischen Regierung“ vorbereitet habe, um internationale Beziehungen zu erschweren.
Am 24. April 2024 drohten 12 amerikanische republikanische Senatoren Khan und anderen UN-Juristen sowie ihren Familien mit persönlichen Konsequenzen, sollte der IStGH einen internationalen Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu oder andere Mitglieder der israelischen Regierung beantragen, und verwiesen dabei auf den American Service-Members’ Protection Act, der ausdrücklich „alle Mittel“ einschließt.[13][14] Der Brief wurde von Senatsminderheitenführer Mitch McConnell aus Kentucky sowie den Senatoren Tom Cotton aus Arkansas, Marsha Blackburn aus Tennessee, Katie Britt aus Alabama, Ted Budd aus North Carolina, Kevin Cramer aus North Dakota, Ted Cruz aus Texas, Bill Hagerty aus Tennessee, Pete Ricketts aus Nebraska, Marco Rubio und Rick Scott aus Florida und Tim Scott aus South Carolina unterzeichnet. Die Unterzeichner erklärten, sie würden jeden Haftbefehl als „nicht nur eine Bedrohung für Israels Souveränität, sondern auch für die Souveränität der Vereinigten Staaten“ betrachten. Sie drohten: „Nehmt Israel ins Visier, und wir werden euch ins Visier nehmen“, und dass jede weitere Maßnahme „jegliche amerikanische Unterstützung für den IStGH beenden“ und „[Khan] und [seine] Familien aus den Vereinigten Staaten ausschließen“ werde. Der Brief endete mit: „Sie sind gewarnt worden.“[13]
Im Jahr 2024 deckte die britische Zeitung The Guardian in Zusammenarbeit mit den israelischen Zeitschriften +972 und Local Call auf, dass die israelischen Geheimdienste Mossad, Schin Bet und Aman auf Weisung der von Netanjahu geführten israelischen Regierungen über neun Jahre hinweg „dazu eingesetzt wurden, hochrangige Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs zu überwachen, zu hacken, unter Druck zu setzen, zu verleumden und angeblich zu bedrohen, um Ermittlungen des Gerichts zu behindern“. Die israelischen Geheimdienste hatten Telefongespräche und andere Arten der Kommunikation mehrerer IStGH-Beamter gezielt abgefangen, darunter auch die von Khan.[15]
Am 20. Mai 2024 beantragte Khan bei der Vorverfahrenskammer I des Gerichts, auf Anraten eines Expertengremiums, dem unter anderem Theodor Meron und Amal Clooney angehörten, Haftbefehle gegen Netanjahu, Israels Verteidigungsminister Joaw Galant, den Anführer der Hamas im Gazastreifen Yahya Sinwar sowie die Hamas-Funktionäre Mohammed Deif und Ismail Haniyya.[16] Am 21. November 2024 wurde den beantragtem Haftbefehlen gegen Deif, Netanyahu und Galant stattgegeben und diese zugleich öffentlich gemacht, der Erlass von Haftbefehlen gegen Haniyya und Sinwar ist wegen ihres zwischenzeitlichen Todes nicht mehr erfolgt.[17] Am 27. November 2024 beantragte Khan einen Haftbefehl gegen den Machthaber Myanmars, General Min Aung Hlaing. Er wirft ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Rohingya im Jahr 2017.
Anfang November 2024 wurden Ermittlungen des Leitungsgremiums des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Khan bekannt. Ihm wurde sexuelles Fehlverhalten gegenüber einem Mitglied seines Büros vorgeworfen. Khan wies die Vorwürfe zurück und erklärte seine Unterstützung bei der Klärung der Vorwürfe.[18]
Sein Vater Saeed Ahmad Khan war Arzt und stammte aus Britisch-Indien (heute Pakistan), seine Mutter Selma Mubaraka war eine im Vereinigten Königreich geborene Krankenschwester und konvertierte zum Islam. Karim Khans jüngerer Bruder Imran Ahmad Khan ist ehemaliger Politiker der Konservativen Partei. Khan hat noch einen weiteren Bruder und eine Schwester.
Geprägt wurde er vom pakistanischen Politiker und ersten Außenminister seines Landes, Al-Hajj Chaudri Sir Muhammad Zafrullah Khan, dem ehemaligen Präsidenten der UN-Vollversammlung. Er bezeichnete ihn später als seinen wichtigsten Mentor. Khan ist Mitglied der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft.[19]
Im November 2024 kündigte der IStGH externe Ermittlungen im Fall von Vorwürfen gegen Khan an.[20][21]
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Fatou Bom Bensouda | Chefankläger beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag 16. Juni 2021 bis 15. Juni 2030 | – |
Personendaten | |
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NAME | Khan, Karim Ahmad |
ALTERNATIVNAMEN | Khan, Karim |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Anwalt |
GEBURTSDATUM | 30. März 1970 |
GEBURTSORT | Edinburgh, Schottland |