Keulung

Verbrennung der Kadaver von Tieren, die wegen Maul- und Klauenseuche gekeult wurden

Keulung heißt in der Veterinärmedizin das systematische Töten von Tieren, um die Ausbreitung von Tierseuchen zu bekämpfen. Hierbei werden bei erhöhter Infektionsgefahr Nutztiere und Wildtiere bestimmter Populationen gekeult, um die Häufigkeit der Übertragung des Krankheitserregers zu verringern.[1]

Das Wort Keulung ist eine Substantivierung zum Verb keulen mit der Bedeutung „mit der Keule niederschlagen“. Als Wort in der Tiermedizin tritt es erst später mit besonderer Begriffsbildung im Sinne von „töten zwecks Eindämmung einer Seuche“ auf.[2] Dagegen wird die Herkunft des entsprechenden englischen Begriffs to cull auf das lateinische Verb colligere ‚aufsammeln‘ zurückgeführt.

Bei einer Keulung wird der komplette Tierbestand entweder einer festgelegten Zone resp. eines bestimmten Hofes (Bestandskeulung) oder eines gewissen Bestandteils eines Hofes (Kohortenkeulung) getötet. Keulungen können nach dem Tiergesundheitsgesetz angeordnet werden. Nach einer Keulung findet eine Tierkörperbeseitigung statt, zum Beispiel durch Verbrennung.

Massenhaftes Keulen von Nutztieren im Zusammenhang mit hochansteckenden Tierseuchen wie BSE, Maul- und Klauenseuche, Schweinepest und Vogelgrippe H5N1 ist das gängige wie effektivste Verfahren, um Tierseuchen einzudämmen. Parallel begleitet wird eine Keulung immer durch Festlegung eines Sperrbezirkes und weitere seuchenprophylaktische Maßnahmen.

Nennenswerte Operationen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2006 wurden auf Rügen Nutzgeflügelbestände gekeult, nachdem das H5N1-Virus bei einigen verendeten Wildvögeln nachgewiesen worden war.[3] In England sorgte 2001/2002 die Tötung von mehr als 6,5 Millionen Nutztieren im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche für Aufsehen.[4]

Im September 2007, nach Ausbruch der Vogelgrippe H5N1, erfolgte auf zwei Entenmasthöfen eines Unternehmens in der Oberpfalz mit der Tötung von 205.000 Enten die bisher größte Keulung in Deutschland.[5]

2009 überrannten 6000 Dromedare mehrfach das Dorf Kaltukatjara (englisch Docker River) im Südwesten des australischen Bundesstaats Northern Territory auf der Suche nach Wasser (siehe auch Kamele in Australien). Es wurde eine Notkeulung von 3604 Tieren angeordnet.[6]

2018 sorgte die Afrikanische Schweinepest für Keulungen von China bis Rumänien.[7][8]

Im November 2020 beschloss die dänische Regierung die schnellstmögliche Keulung aller 17 Millionen Nerze in Dänemark, da etwa 50 % aller humanen COVID-19-Fälle im nördlichen Dänemark mit Nerzfarmen in Verbindung standen und die Nerze infiziert sein konnten. Unter den infizierten Nerzen waren bereits Mutationen des SARS-CoV-2 festgestellt worden.[9][10]

In den Niederlanden erfolgte eine entsprechende landesweite Keulung von Nerzen drei Monate früher.[11]

2021 mussten in Nordrhein-Westfalen wegen der Vogelgrippe H5N8 fast 200.000 Vögel gekeult werden (Stand: 29. März 2021).[12]

Die Keulung von Wildtieren führt nicht immer zu einer Verringerung des Krankheitsrisikos einer Art, sondern kann auch nachteilige Effekte mit sich bringen. So kann die Ausbreitung einer Krankheit durch Keulungen sogar verschlimmert werden. Die negativen Auswirkungen lassen sich aufgrund der komplexen Beziehungen zwischen der Populationsdichte der Krankheitswirte und der Inzidenz nur schwer vorhersagen. Darüber hinaus sind Wildtierpopulationen oft schwer zugänglich, was die genaue epidemiologische Untersuchung der Populationen erschwert.[13]

Tierschutzorganisationen wie Pro Wildlife kritisieren Keulung, da die Methode nur eine kurzfristige Lösung für tiefergreifende Probleme sei. Die Keulungen würden nur Symptome behandeln, nicht aber die Ursache beheben. Häufig werden einheimische Wildtiere zur Keulung freigegeben, da ihr Lebensraum durch den Ausbau von Infrastruktur verkleinert wird und die Tiere dann als „überzählig“ deklariert werden. Auch verursache der Mensch selbst durch Massentierhaltung, die Einführung invasiver Arten und Ausrottung von Raubtieren Probleme, die dann zur Keulung von Tieren führe.[14]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Chris Degeling, Zohar Lederman, Melanie Rock: Culling and the Common Good: Re-evaluating Harms and Benefits under the One Health Paradigm. In: Public Health Ethics. Band 9, Nr. 3. Oxford University Press, 2016, ISSN 1754-9973, S. 244–254, doi:10.1093/phe/phw019, PMID 27790290, PMC 5081039 (freier Volltext) – (englisch).
  2. Herkunft von keulen. In: gfds.de. Abgerufen am 14. November 2020.
  3. Vogelgrippe erreicht deutsches Festland. In: handelsblatt.com.19. Februar 2006, abgerufen am 15. Oktober 2020.
  4. Herwig Grimm, Carola Otterstedt: Das Tier an sich: Disziplinenübergreifende Perspektiven für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz. Vandenhoeck & Ruprecht, 2012, ISBN 978-3-525-40447-8, S. 352.
  5. 200'000 Enten werden gekeult. In: NZZ Online. 8. September 2007, abgerufen am 21. Oktober 2020 (Vorschau; Anmeldung erforderlich).
  6. Australian camel cull plan angers animal welfare groups. In: theguardian.com. 26. November 2009, abgerufen am 22. Dezember 2010 (englisch).
  7. Friederike Böge: China tötet vorsorglich 120.000 Schweine. In: faz.net. 19. November 2018, abgerufen am 9. Dezember 2018.
  8. Rumänien: 123'000 Schweine notgeschlachtet. In: schweizerbauer.ch, 30. August 2018, abgerufen am 9. Dezember 2018.
  9. Denmark wants to cull all farmed minks over COVID fears. In: Website von ABC News. 4. November 2020, abgerufen am 4. November 2020 (englisch).
  10. Markus Brauer: Dänemark tötet aus Sorge vor Corona-Virus alle Nerze – Millionen Nerze müssen wegen Corona sterben. In: stuttgarter-zeitung.de. 5. November 2020, abgerufen am 5. November 2020.
  11. Thomas Gutschker: Nerzfarmen in den Niederlanden müssen schließen. In: faz.net. 6. Juli 2020, abgerufen am 23. November 2020.
  12. Geflügelpest: Weiterer Ausbruch im Märkischen Kreis bestätigt / Acht Fälle werden in Nordrhein-Westfalen derzeit bearbeitet – Aufstallungspflichten auf die Bezirke Detmold, Arnsberg und Münster ausgeweitet. In: land.nrw. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 29. März 2021, abgerufen am 12. April 2021.
  13. Eve Miguel, Vladimir Grosbois, Alexandre Caron, Diane Pople, Benjamin Roche, Christl A. Donnelly: A systemic approach to assess the potential and risks of wildlife culling for infectious disease control. In: Communications Biology. Band 3, Nr. 353. Nature Research, 2020, ISSN 2399-3642, doi:10.1038/s42003-020-1032-z (englisch).
  14. Keulung von Wildtieren: Massenhaftes Töten einer Art. In: Pro Wildlife. Abgerufen am 22. Februar 2024 (deutsch).