Kieselsteinsuppe

Kieselsteinsuppe ist eine Fabel über einen schlauen Gast, der seinen geizigen Gastgeber überlistet, dessen Nahrungsmittel mit ihm zu teilen.[1] Die Erzählung ist in verschiedenen Varianten vor allem in Europa und Nordamerika verbreitet. Unter Schwänke und andere humoristische Erzählungen, Untergliederung Schwänke über Männer, unter der Nummer 1548 im Aarne-Thompson-Uther-Index.[2]

Der Schwank taucht erstmals im 14. Jahrhundert in den Novellen des Giovanni Sercambi auf. Seine schriftliche Tradierung kann über spanische Varianten des späten 17. Jahrhunderts, das britische Chapbook The Sack-Full of News (1673) und Johann Peter Hebels Der schlaue Pilgrim (1808) bis zu William Butler Yeats Einakter The Pot of Broth (1904) weiterverfolgt werden. Im 19. und 20. Jahrhundert ist er in verschiedenartig akzentuierten Varianten in Europa und Nordamerika verbreitet, teilweise mit sozialkritischem Ansatz. Allen Varianten sind der Geiz und die Dummheit des Gastgebers sowie die Schlauheit des Gastes gemeinsam, und obwohl er ein Betrüger ist, erhält er die Sympathie der Leser.[3]

Ein Reisender (mal ist es ein Soldat, Mönch, Handwerker auf Wanderschaft oder Hausierer) bittet um Nachtquartier.[4] Er wird darauf hingewiesen, dass es kaum Essen gibt. Nachdem er im Haus ist, bietet er an zu zeigen, wie er aus einem mitgebrachten Kessel mit einem Stein (einem Nagel oder seiner Axt) eine Suppe kochen kann. Er kocht einen Stein in Wasser und bringt die Zuschauer dazu, nach und nach verschiedene Zutaten herauszugeben, die er zum Kochen braucht: Schmalz, Suppengrün, Speck, Mehl usw. Nach jeder Probe läuft ein Kind los und kommt mit der Zutat.[5] Als sie miteinander die Suppe aufgegessen haben, behauptet er so satt zu sein, dass er den Stein nicht mehr essen könne, den er ihr aber bereitwillig verkauft.[6]

In Almeirim (Portugal) ist eine Gemüsesuppe mit Wurst unter dem Namen sopa de pedra (Steinsuppe) bekannt.[7]

Version für Gruppen mit tatsächlicher Zubereitung

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Mit der „Tübinger Steinsuppe“ setzten Marktleute, Ehrenamtliche und die Kirche am Markt ein Zeichen für Gemeinschaft und das Teilen. Aus gespendetem Gemüse entstand eine bunte Suppenaktion, die auf dem Tübinger Marktplatz viele Besucher begeisterte.[8] Von Jugendgruppen wird oft eine Zeitreise in die schlechte Versorgung der Nachkriegszeit unternommen.[9] In einem übergroßen, unbeheizten Topf wird unter Rühren symbolisch gekocht und um Spenden gebeten. Die vorab gekochte Suppe wird sofort als Vorspeise, beispielsweise zu selbst belegter Pizza serviert.[10]

Einzelnachweise

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  1. Steven Pinker: Das unbeschriebene Blatt: Die moderne Leugnung der menschlichen Natur. FISCHER E-Books, 2017, ISBN 978-3-10-490390-3.
  2. Kurt Ranke, Hermann Bausinger, Rolf Wilhelm Brednich, Ines Köhler, Heidrun Alzheimer-Haller, Doris Boden, Akademie der Wissenschaften in Göttingen: Enzyklopädie des Märchens: Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. de Gruyter, Berlin 1977, ISBN 3-11-006781-1, S. 1218 ff.
  3. Kurt Ranke, Hermann Bausinger, Rolf Wilhelm Brednich, Ines Köhler, Heidrun Alzheimer-Haller, Doris Boden, Akademie der Wissenschaften in Göttingen: Enzyklopädie des Märchens: Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. de Gruyter, Berlin 1977, ISBN 3-11-006781-1, S. 1218 ff.
  4. Suppenfest Rixdorf
  5. Uni Bremen
  6. Rolf Wilhelm Brednich, Heidrun Alzheimer, Hermann Bausinger, Wolfgang Brückner, Daniel Drascek, Helge Gerndt, Ines Köhler-Zülch, Klaus Roth, Hans-Jörg Uther, Doris Boden, Susanne Friede, Ulrich Marzolph, Christine Shojaei Kawan: Enzyklopädie des Märchens. Band 7. Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-086053-5, S. 1218 ff.
  7. Rick Steves: Rick Steves Portuguese Phrase Book and Dictionary. Avalon Publishing, 2019, ISBN 978-1-64171-198-2 (E-Book).
  8. Steinsuppe
  9. Hungerkrise
  10. Kids Treff: Amtsblatt der Stadt Meßstetten 64. Jahrgang/Nr. 4. Evangelische Kirchengemeinde Meßstetten. Hrsg.: Stadt Meßstetten. Meßstetten 24. Januar 2025, S. 25.