Kiki Kogelnik (* 22. Jänner1935 in Graz;[1] † 1. Februar1997 in Wien) war eine österreichische Pop-Art-Künstlerin. Ihr Werk umfasst Malerei, Skulptur, Grafik, Installation (Kunst) und eine Auseinandersetzung mit ungewöhnlichen Materialien, wie gebrauchten Bomben oder Vinyltüchern. Kogelnik wird als österreichische Vertreterin der Pop Art bezeichnet, auch wenn sie sich selbst nicht als Pop-art-Künstlerin betrachtete und als eine der Vorreiterinnen der international ausgerichteten Performancekunst.[2] Sie lebte und arbeitete vorwiegend in New York, aber auch in Wien und Bleiburg.[3]
In der Glanzzeit des ArtClub, den frühen 1950er-Jahren, war Kiki Kogelnik noch nicht in Wien. Kogelnik begann ihre künstlerische Ausbildung 1954 in Wien an der Hochschule für Angewandte Kunst und wechselte im Jahr darauf an die Akademie der bildenden Künste Wiens. Bereits während der Jahre an der Akademie gehörte Kogelnik gemeinsam mit Arnulf Rainer, Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky und Maria Lassnig zum Kreis der jungen Avantgarde um die Galerie St. Stephan (ab 1964 Galerie nächst St. Stephan) unter der Leitung von Msgr. Otto Mauer.[5] Ihren offiziellen künstlerischen Start erlebte sie nach dem vierjährigen Studium an der Akademie. Der erste umfangreiche Abschnitt des Werkes von Kiki Kogelnik umfasst die abstrakten Bilder.[6] Sie nahm an ersten Gruppenausstellungen der Galerie teil und präsentierte abstrakte Werke, die zum Teil von Serge Poliakoff der École de Paris beeinflusst waren.[7] 1958/1959 verbrachte Kogelnik längere Zeit in Paris und befreundete sich mit dem amerikanischen Künstler Sam Francis, der sie 1961 zu ihrer Übersiedlung nach Amerika bewog. Die Phase ihrer abstrakten Bilder ist im Wesentlichen mit der Übersiedlung nach New York 1961 abgeschlossen.[8]
Sechsundzwanzigjährig entschließt sich Kiki Kogelnik zu einem längeren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Sie verbrachte das erste Jahr in Santa Monica, Kalifornien, zog aber 1962 nach New York City.[9] In den New Yorker Ateliers stieß sie überall auf die Werke des abstrakten Expressionismus. Sie trennte sich von ihrer bisherigen Malweise. Die Pop-Art war gerade dabei, sich als Stil zu institutionalisieren, doch bei weitem nicht die beherrschende Auffassung. Dort wurde sie Teil einer eng befreundeten Künstlergruppe, der Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Andy Warhol, Larry Rivers, Tom Wesselmann und andere angehörten. „Pop became a way of life“,[10] und durch ihre extravaganten Outfits und Kopfbedeckungen wurde Kogelnik selbst zum wandelnden Happening.[11] Kogelniks Arbeit in dieser Zeit war stark von den Farben und Materialien der Pop Art beeinflusst, und sie produzierte zahlreiche bunte, euphorische Space-Art-Werke. Im Gegensatz zu den Pop-Art-Künstlern vermied sie die Verherrlichung des Kommerzes und die Darstellung alltäglicher Objekte, obwohl sie bekannterweise Plastik und das Künstliche als Thema bevorzugte. Zusammenfassend kann man sagen, dass sie nicht ganz die bunten, glamourösen Gemälden an der Werbeästhetik der internationalen Entwicklungen der 1960er-Jahre reflektierte.[12]
„Bei der Farbe war mir wichtig, Dissonanzen zu erzeugen, etwas Aggressives, Künstliches“
In den frühen 1960er-Jahren begann Kogelnik lebensechte Schablonen ihrer Künstlerfreunde aus Packpapier auszuschneiden, um sie danach auf die Leinwand ihrer Gemälde zu übertragen.[14] Diese Schablonen wurden in den 1970er-Jahren als die „Hangings“ zu eigenständigen Kunstwerken aus Vinyl, die auf Warenhausständern präsentiert wurden. 1966 heiratete Kogelnik in London den Onkologen George Schwarz. Nach der Geburt ihres Sohnes Mono kehrte sie 1967 nach New York zurück. 1969 konzipierte Kogelnik ein Moonhappening in der Wiener Galerie nächst St. Stephan. Während der Liveübertragung der Mondlandung von Apollo 11 produzierte sie eine Serie von 500 mondthematischen Siebdrucken. Die Pop-Related Paintings haben Kiki Kogelnik ein knappes Jahrzehnt beschäftigt.[15] Mit den „Hangings“ um 1970, ausgeschnittenen menschlichen Figuren, ist diese Periode abgeschlossen.
Die um 1970 zuerst aufgetretenen „Hangings“ stellen den Abschluss von Kikis Periode der Pop-Related Works dar. Anderseits markieren sie auch das Ende der Euphorie: der Glaube an eine ausschließlich durch den Forscherdrang und Pioniergeist legitimierte Weltraumfahrt war durch das Aufdecken der handfesten militärischen Interessen an ihr erschüttert.[16] Die Herstellungstechnik der „Hangings“ geht auf die Kultivierung eines Arbeitsschrittes bei der Vorbereitung der Gemälde zurück. Die lebensgroßen menschlichen Figuren entsprachen den Schablonen, die sie zur Übertragung der Gestalt in die Bildfläche angefertigt hatte. Anstelle des Packpapiers waren die nun aus dicker, bunter Vinylfolie. Kurz nach den dreidimensionalen Prototypen, 1971, kam es zur Rückübersetzung der „Hangings“ in das Medium Malerei, ohne dass die ikonografische Disposition dadurch verändert wurde.[17]
Kiki Kogelnik bediente sich der Bildersprache der Gebrauchsgrafik und auch die Kostümierung ihrer Aktionsträger wirkte, als wäre sie alten Modejournalen entnommen. Ihre Körperhaltungen basierten auf gezielter Selbstinszenierung, auf der Wiederholung anerkannter Gesten, die, erst von Stars geprägt und dann von anonymen Mannequins verbreitet, in das allgemeine Gestenvokabular übergingen. Ihre Womenwerke befassten sich mit der Kritik der Rolle der Frau in der Werbung.[18] Wie im Text von der Kunsthalle Krems berichtet wurde: “Auf die erste Welle des Feminismus antwortet Kogelnik in den 1970er-Jahren mit Frauenbildern, in denen sie weibliche Klischees auf ironische Weise demontiert und sexuelle Attribute und Schönheitsideale der Medienwelt paraphrasiert.” Feministische Themen mit Ironie, Humor und cooler Pop-Ästhetik anzugehen, war einzigartig in Kogelniks Arbeit zu dieser Zeit. 1974 begann sie gelegentlich mit Keramik zu arbeiten und benutzte die plastische Form als Erweiterung der Bildfläche.1978 produzierte sie den 16-mm-SW-Kurzfilm CBGB mit dem Schriftsteller und Punkmusiker Jim Carroll in einer Rolle.
„Kiki Kogelniks Kunst lässt sich nicht in ein malerisches Œuvre abgrenzen. Zwischen Malerei und dreidimensionalen Objekten, Skulpturen, Bildern, Keramiken sind fließende Übergänge sichtbar und deuten auf ihre eigene Raum-Bildsprache.“
In den 1980er-Jahren fingen zerstückelte menschliche Körper, Alltagsgegenstände und Zeichen an, Kogelniks Bilder zu füllen. Im Werkzyklus „Expansions“ benutzte sie keramische Elemente, die zusammen mit der Leinwand als Gesamtwerke gezeigt wurden. In späteren Werken wurde der menschliche Körper immer mehr fragmentiert und manipuliert, bis in den 1990er-Jahren ein Großteil der Arbeiten sehr abstrahierte Gesichter zeigte. In dieser Zeit produzierte Kogelnik auch eine Serie von Glasskulpturen, Zeichnungen und Grafiken, in denen sie Kommerz und dekorative Themen im Bereich der Kunst kommentieren wollte, eine Gratwanderung zwischen Kunst und Kitschkleinzeitung.[19] Ab 1987 lebte Kogelnik auch in Bleiburg, wo sie im Geburtshaus ihrer Mutter ein Atelier einrichtete.[20]
Kiki Kogelnik starb am 1. Februar 1997 in Wien an den Folgen eines Krebsleidens und wurde im Familiengrab in Bleiburg beigesetzt.[21] Die österreichische Galerie Belvedere zeigte 1998 eine umfassende Retrospektive. Nach dem Tod der Künstlerin wurde die „Kiki Kogelnik Foundation“, eine amerikanische Privatstiftung, mit Sitz in Wien und New York gegründet. Die Foundation bewahrt und archiviert den künstlerischen Nachlass von Kiki Kogelnik und unterstützt Ausstellungs- und Forschungsaktivitäten.
2014: No Coca-Cola, Johann König, Berlin, Deutschland; Cuts, Fissures and Identity: Works from the 1960s and 1970s, Simone Subal Gallery, New York, USA
2015: Fly Me to the Moon, Modern Art Oxford, Oxford, Vereinigtes Königreich
2016: Kiki Kogelnik, König Galerie, Berlin, Deutschland
1958: Galerie nächst St. Stephan, Wien, Österreich
1960: Galerie Blauer Apfel, Oslo, Norwegen
1964: PVI Gallery, New York, USA
1965: Van Bovenkamp Gallery, New York, USA
1965: Pop Op Art – Abstract Expressionism, Gertrude Kastle Gallery, Detroit, USA
1965: 29th Biennial of Contemporary American Painting, Corcoran Gallery, Washington D.C., USA
1966: Austrian Artists in the United States, Austrian Institute, New York, USA
1967: Accrochage, Galerie nächst St. Stephan, Wien, Österreich
1968: Contemporary Austrian Art, Zagreb, Kroatien
1970: Progressive Kunst in Österreich 1970, Galerie Kaiser, Wien, Österreich
1972: GEDOK American Women Artists Show, Kunsthaus Hamburg, Hamburg, Deutschland
1974: Hommage à Msgr. Otto Mauer, Galerie Ulysses, Wien, Österreich
1976: Bicentennial Banners, Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington D.C., USA; National Singapore Museum, Republik Singapur
1977: Spacescapes, Sid Deutsch Gallery, New York, USA
1978: Museum of Drawers, Kunsthaus Zürich, Zürich, Schweiz; Los Angeles Institute of Contemporary Art, USA
1981: Changes: Art in America 1881–1981, Marquette University Wisconsin, USA
1986: Zeichen und Gesten – Informelle Tendenzen in Österreich, Secession, Wien, Österreich
1989: Land in Sicht: Österreichische Kunst im 20. Jahrhundert, Mücsarnok Kunsthalle, Budapest, Ungarn
1995: Zwei Jahrzehnte Kunst in der BAWAG, BAWAG Foundation, Wien, Österreich
1996: Kunst aus Österreich 1896–1996, Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn, Deutschland
1997: The Secret of Murano, Museum Het Palais, Den Haag, Niederlande
1999: I Love Pop, Chiostro del Bramante, Rome, Italien
2001: Reflexionen – Österreichische Avantgarde nach 1945, Museum Moderner Kunst, Stiftung Wörlen, Passau, Deutschland
2002: Artists in Glass, National Crafts Gallery, Dublin, Republik Irland
2006: PunkEcho – Widerhall von Überall, BrotfabrikGalerie, Berlin, Deutschland
2010: Long Time No See, Brno House of Art, Brünn, Tschechien
2010: POWER UP – Female Pop Art, Kunsthalle Wien, Vienna, AT; Städtische Galerie, Bietigheim-Bissingen, Deutschland
2010: Seductive Subversion: Woman Pop Artists 1958–1968, Brooklyn Art Museum, New York, USA
Kiki Kogelnik, Das malerische und plastische Werk, von Gabriela Fritz, Hermagoras 2001, ISBN 3-85013-739-2 (enthält Interviews, Werkverzeichnis, Literaturverzeichnis, Biographie)
2012: Hajo Schiff, WG aus fernen Pop-Zeiten, TAZ, 2. November 2012.[26]
2012: Anne Doran, Kiki Kogelnik, Art in America, 12, Dezember 2012.[27]
2013: Anne Katrin Fessler, Punk-Kosmonautin küsst den Knochenmann, der Standard, 15. Juli 2013.[28]
2014: Alicia Reuter, Space is the Place, Sleek, Summer 2014, pp. 228.
2014: Eva Scharrer, Körper als Figur, Spike, no 41, pp. 194–195.
2015: Alex Kitnick, Kiki Kogelnik, Artforum, 01/2015, pp. 213–214.
2015: Tim Adams, Josh Kline: Freedom; Kiki Kogelnik. Fly Me to the Moon review – an unnerving fantasy world and off-the-peg identities, The Guardian, 23. August 2015.[29]
2015: Laura Castellis, Review of Kiki Kogelnik: Fly Me to the Moon at Modern Art Oxford, Aesthetica Magazine, 27. Oktober 2015.[30]
2016: Elsa R. Linn, Critic´s Guide: Berlin, Frieze, 29. Februar 2016.[31]
2016: Mariuccia Casadio, K.K.´S POP, Vogue Italia, Mai 2016, n. 789, pp. 178.
↑Burkhart Schmidt: Kiki Kogelnik Retrospektive 1935-1997. Maskerade: Zwischen Pop Art und wesentlicher Oberfläche. Boehlau, Wien 1998, ISBN 3-205-98886-8, S.18–22.