Kindliche Pietät (chinesisch孝, Pinyinxiào oder 孝順 / 顺, xiàoshùn; Pietät im Sinne von Respekt oder Pflichtgefühl) ist ein Grundbegriff des Konfuzianismus und nimmt einen zentralen Platz in der Ethik des Konfuzius ein.
Ihr wesentlicher Inhalt ist die Liebe der Kinder zu ihren Eltern und darüber hinaus zu ihren Ahnen (Ahnenkult). Aus dieser Verpflichtung gegenüber dem Clan entwickelte sich ein System von Beziehungen, Verhaltensweisen und Ansprüchen.
Konfuzius selbst äußerte sich zu seinem Schüler Zengzi (chinesisch曾子, PinyinZēngzǐ) folgendermaßen, was er im Buch von der kindlichen Pietät (孝經 / 孝经, Xiàojīng) so niederschrieb:
„Kindliche Pietät ist die Grundlage der Tugend und der Ursprung aller geistigen Kultur. Setz dich wieder hin und lass mich zu dir sprechen. Körper, Haar und Haut hast du von den Eltern empfangen, die sollst du nicht zu Schaden kommen lassen; damit fängt die Kindespietät an. Das Rechte tun und auf dem Pfad des Guten wandeln und so einen guten Namen auf die Nachwelt bringen, auf dass die Ahnen geehrt werden das ist die Krönung der Pietät. Sie beginnt damit, dass man seinen Eltern dient, führt zum Dienst beim König und endet mit dem Gewinn eines Charakters … “
„Pietät bedeutet, dass die Kinder für den Unterhalt ihrer Eltern und der Alten in der Familie, deren Arbeitsvermögen beständig abnimmt, sorgen. Sie umfasst wirtschaftliche Unterstützung, alltägliche Versorgung, medizinische Behandlung, Krankenpflege sowie Anwesenheit am Sterbebett. Nach einer überlieferten Ansicht der Chinesen pflegt man die Kinder, um am Lebensabend versorgt zu sein.“[1]
Die Tugend der Kindlichen Pietät gliedert Zhang Wei in zwei Hauptaspekte:
Pietät als Folgsamkeit gegenüber Eltern und Vorgesetzten
Im Großen Chinalexikon wird die Pietät folgendermaßen definiert:
„Nach konfuzianischer Ethik galt die Pietät oder Kindesliebe (xiao) als Kardinaltugend, d. h. Kinder schuldeten den Eltern Gehorsam und den älteren Familienmitgliedern Respekt. So war es selbstverständlich, dass im alten China die Familie nicht nur für ihre jungen, sondern auch für ihre alten Mitglieder sorgte.“[2]
Für christliche Abendländer kann dieses Prinzip mitunter abschreckend wirken. Moderne gesellschaftliche Entwicklungen in Europa und Amerika lockern die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, welche im Gegensatz zur konfuzianischen Kindespietät steht, die übertrieben als bedingungslose Achtung und Unterwerfung interpretiert wird.
Der Schriftsteller Lu Xun (1881–1936) beschreibt in seinem Essay über die Vierundzwanzig illustrierten Beispiele der Kindlichen Pietät (二十四孝圖 / 二十四孝图, Èrshísì Xiàotú) einen finsteren Aspekt. Eines seiner abstrahierten Beispiele berichtet von einem Hunger leidenden Ehepaar, das beschließt, das eigene Kind für die Ernährung der Großmutter zu töten. Dieser Gedanke habe ihn als Kind, wenn seine Eltern wieder einmal über ihre Armut klagten, besonders erschreckt:
„Allein schon der Anblick meiner weißhaarigen Großmutter beunruhigte mich, denn ich hatte das Gefühl, dass einer von uns beiden zuviel war.“
Brunhild Staiger, Stefan Friedrich, Hans-Wilm Schütte (Hg.): Das große Chinalexikon. Geschichte – Geographie – Gesellschaft – Politik Wirtschaft – Bildung – Wissenschaft – Kultur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003.
Wu Jingyu, Tan Choun Wai: 24 Stories of Filial Devotion. Asiapac Books, Singapur 1997, ISBN 981-3068-60-4.