Eine Kippfigur oder ein Kippbild ist eine Abbildung, die zu spontanen Gestalt- bzw. Wahrnehmungswechseln führen kann. Eine Erklärung dieses Phänomens findet sich auf der Seite multistabile Wahrnehmung. Synonyme Begriffe sind Inversionsfigur, Reversionsfigur sowie Umschlagfigur. Mit Kippfiguren verwandte Phänomene sind sogenannte Vexierbilder und unmögliche Figuren wie das Penrose-Dreieck.
Die Zeichnung stellt anscheinend das Gittermodell eines Würfels dar. Die beiden großen, sich überschneidenden Quadrate können dabei jeweils sowohl Vorder- als auch Rückseite sein. Somit erkennt man je nach Fokussierung einen links unten beginnenden Würfel, auf den man erstens von rechts oben draufsieht oder zweitens den Würfel von links unten betrachten kann. Der Name geht zurück auf den Schweizer Geologen Louis Albert Necker (1786–1861), der den Effekt der bistabilen Wahrnehmung im Jahr 1832 zuerst an Kristallzeichnungen beschrieb.
Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren Kippfiguren, die auf dem Necker-Würfel beruhten, sehr populär und wurden gerne auch als Scherzpostkarten verbreitet.
Viele Betrachter erkennen im linken Teilbild einen Hügel, rechts einen Krater. Dennoch handelt es sich um dasselbe Bild, einmal um 90° entgegen und einmal um 90° mit dem Uhrzeigersinn gegenüber der Ausgangslage im Originalbild gedreht. Ein heller Rand oben legt eine Anhöhe nahe, ein dunkler Rand unten einen Schatten, hervorgerufen durch einen abfallenden Hügel. Im zweiten Teilbild ist es genau umgekehrt.
Diesen Effekt nutzen grafische Benutzeroberflächen bei der Bildschirmdarstellung von Schaltflächen. Eine helle obere und dunkle untere Begrenzungslinie lässt einen hervorstehenden Knopf vermuten, umgekehrte Helligkeitsverhältnisse einen eingedrückten.
Die 1858 von Heinrich Georg Friedrich Schröder (1810–1885) publizierte Schröder-Treppe zeigt ebenfalls zwei perspektivische Orientierungen. Im linken Teilbild geht das Mädchen die Treppe hinunter, dem Ball hinterher. Der Mann scheint im Raum zu schweben. Eine Drehung des Bilds um 180°, rechtes Teilbild, invertiert die Treppenperspektive und lässt ihn nun die Treppe hinaufsteigen.
In Wittgensteins Sprachphilosophie spielt das Phänomen des Aspektwechsels bei der Betrachtung einer Kippfigur eine zentrale Rolle. In seinen Nachlassschriften zu den Philosophischen Untersuchungen nimmt er häufig als Beispiel zur Veranschaulichung den Hasen-Enten-Kopf, aber auch andere. Seine Überlegungen untersucht die Frage, was „sehen als …“ im Unterschied zum „normalen“ Sehen bedeutet. Seine Untersuchungen gehen so weit, dass er den Begriff auf verschiedenste Bereiche ausdehnt, wie z. B. das „Betrachten“ eines Musikstückes als fröhlich, traurig, hektisch etc.
Robert Gernhardt veröffentlichte 1986 einen Erzählband mit dem Titel Kippfigur, bei der die Umschlag-Illustration eine doppelte Doppeldeutigkeit bietet: Vor dem Hintergrund einer Würfel-Landschaft (= perspektivische Kippfiguren) sitzt eine Figur, die „einen kippt“ (trinkt).
Nach der Analyse durch Shlomith Rimmon können einige Erzählungen von Henry James als literarische Kippfiguren betrachtet werden, da sie verbale und narrative Ambiguität aufweisen.