Kirsten Fehrs (* 12. September 1961 in Wesselburen) ist eine deutsche evangelisch-lutherische Geistliche und seit dem 12. November 2024 Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, das Amt hatte sie zuvor bereits seit dem 20. November 2023 kommissarisch inne.[1][2] Sie ist zudem seit dem 15. November 2011 Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordelbischen Kirche, seit Pfingsten 2012 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Zuvor war sie seit 2006 Pröpstin des Kirchenkreises Alt-Hamburg und Hauptpastorin an der Hauptkirche St. Jacobi.
Kirsten Fehrs studierte von 1981 bis 1987 evangelische Theologie an der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt „Praktische Theologie“. Während des Studiums war sie in verschiedenen Bereichen der Seelsorge ehrenamtlich tätig, und zwar in der Urlauber-, Krankenhaus-und Gefängnisseelsorge.
Ihr Vikariat absolvierte sie in den Jahren 1988 bis 1990 in Waabs im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Im Dezember 1990 wurde sie zur Pastorin der Nordelbischen Kirche ordiniert. In den folgenden Jahren hatte sie die Pfarrstelle der Kirchengemeinde Hohenwestedt inne und war zugleich für die Erwachsenenbildung der Kirchengemeinden der südlichen Region des Kirchenkreises Rendsburg zuständig. 1994 wurde sie auf die Projektpfarrstelle „Offene Bildungsarbeit mit Erwachsenen im Kirchenkreis Rendsburg“ berufen und 1997 zur Leiterin des „Evangelischen Bildungswerkes des Kirchenkreises Rendsburg“ ernannt. Es folgten ein Lehrauftrag an der Universität Zürich („Kirchliche Bildungsarbeit als Lebensbegleitung“) sowie im Jahre 2000 die Berufung in die Projektpfarrstelle der Nordelbischen Kirche für Personal- und Gemeindeentwicklung im Kirchenkreis Rendsburg sowie Organisations- und Personalentwicklung in der Nordelbischen Kirche.
Am 1. September 2006 übernahm Kirsten Fehrs das integrierte Amt[3] der Pröpstin des Kirchenkreises Alt-Hamburg und der Hauptpastorin an der Hauptkirche St. Jacobi von Hauptpastor und Propst Karl-Günther Petters.
Am 17. Juni 2011 wurde sie von der Synode der Nordelbischen Kirche im vierten Wahlgang mit 97 Stimmen der 121 anwesenden Synodalen in der Hamburger Hauptkirche Sankt Michaelis zur Nachfolgerin von Maria Jepsen als Bischöfin des Sprengels Hamburg und Lübeck gewählt.[4] Ihre einzige Gegenkandidatin war die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr.[5]
Bis zu ihrem Amtsantritt am 15. November 2011 wurden die Amtsgeschäfte von Propst Jürgen Bollmann, dem kommissarischen Nachfolger der zurückgetretenen Bischöfin Maria Jepsen, geführt.[6] Der Einführungsgottesdienst wurde am 26. November 2011, dem Vortag des ersten Advents, im Lübecker Dom gefeiert.[7]
Die SPD nominierte sie 2012 zur 15. Bundesversammlung. Seit November 2015 ist Kirsten Fehrs Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. 2021 wurde sie wiedergewählt; der Rat wählte sie zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden.[8] Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus übernahm sie im November 2023 kommissarisch den EKD-Ratsvorsitz.[2] Am 12. November 2024 wählte die Synode der EKD sie regulär zur Ratsvorsitzenden.[9]
Seit 1990 ist Kirsten Fehrs mit dem Pastor Karsten Fehrs verheiratet.[3]
Kirsten Fehrs gehörte zum Beauftragtenrat der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, der im Herbst 2018 eingerichtet worden war, um Maßnahmen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche innerkirchlich und außerkirchlich voranzubringen; von 2018 bis 2020 war Fehrs die erste Sprecherin dieser Gruppe.[10] Seit Sommer 2022 ist Fehrs Mitglied im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD, in dem kirchenpolitische Entscheidungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt von betroffenen Personen und kirchlichen Beauftragten gemeinsam getroffen werden.[11] In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ist sie die Vorsitzende der „Kommission Unterstützungsleistungen“ für von sexualisierter Gewalt oder sexuellen Grenzverletzungen im Bereich der Nordkirche Betroffene.[12]
Der im Rahmen des Ahrensburger Missbrauchsskandals von sexualisierter Gewalt durch Geistliche betroffene Anselm Kohn wirft Kirsten Fehrs vor, er sei in seiner Eigenschaft als Opfer zunächst angehört worden; sobald er mit seiner Kritik wegen mangelhafter Aufarbeitung und Wiedergutmachung an die Presse ging, sei er von Bischöfin Fehrs und anderen Kirchenleitenden „fallen gelassen worden“.[13] Das Auseinandersetzungsverfahren Kohns sei ins Stocken gekommen und ihm sei das Gespräch verweigert worden, sobald er seine „freie Meinung geäußert“ habe.[13]
Die Traumaexpertin Ursula Enders, die im Schlussbericht der Nordkirche zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen[14] u. a. den Missbrauchsfall in einer evangelischen Kita aufgearbeitet hatte, bekundet, dass sie bei der Aufarbeitung zunächst „viel Offenheit erlebt“ habe, mit Bischöfin Kirsten Fehrs hingegen „das Verhältnis gekippt“ sei.[13] Enders dazu wörtlich: „Hatte sie [Kirsten Fehrs] zunächst gehofft, dass wir einen Bericht schreiben, der quasi der Kirche bescheinigt, dass sie traumatisiert worden sei und Opfer der Intrigen der Täter vor Ort, so entwickelte sich in unserer Untersuchung die Einschätzung, dass hier vor allen Dingen ein institutionelles Versagen vorlag, und zwar hinsichtlich der Strukturen, die Missbrauch begünstigt hatten, aber auch in der Aufarbeitung. Der Kirche war vor allen Dingen daran gelegen, den eigenen Ruf zu retten.“[13] Den Angaben von Enders zufolge sollte „die Öffentlichkeit eingelullt werden“.[13] Bischöfin Kirsten Fehrs sei zwar versöhnlich auf die Betroffenen zugegangen, habe aber „eine sehr sanfte Art, Menschen zu umgarnen. Und in dem Moment, wo sie Stellung beziehen und auch mal öffentlich Kritik an der Kirche üben, lässt sie [Kirsten Fehrs] sie fallen wie eine heiße Kartoffel“, so das Mitglied des derzeit ruhenden EKD-Betroffenenbeirats Detlev Zander.[13]
Im Rahmen der Synode der EKD 2021 lobte Zander Kirsten Fehrs aber ausdrücklich als diejenige, die das Thema überhaupt seit Jahren vorangebracht habe.[15] Kirsten Fehrs äußerte sich zu der von Enders und anderen Personen vorgetragenen Kritik in einem Interview mit der Zeit u. a. so: „Ich sehe die Schuld der Institution. Und ich habe darin Verantwortung übernommen. Dabei eventuell auch Fehler gemacht zu haben, kann ich besser ertragen, als wenn ich nichts getan hätte. […] Aber der Vorwurf, ich hätte Betroffene nicht ernst genommen, geht mir schon nahe. Das ist einfach nicht wahr.“[16]
Öffentliche Kritik an der neuen Musterordnung der EKD für Verfahren zur Anerkennung erlittenen Unrechts,[17] die das Vorgehen der EKD an die Vorgaben der katholischen Kirche angleichen soll (z. B. Entschädigungszahlungen in Höhe von EUR 5.000 bis maximal EUR 50.000; vgl. § 5 Abs. 2 Musterordnung) und daher der gleichen Kritik wie diese ausgesetzt ist (Festlegung zu geringer, „lächerlich niedriger“[18] Entschädigungssummen mit dem Ziel der Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit von Gliedkirchen/Bistümern, mangelnde Transparenz,[19] mangelnde Beteiligung von Betroffenen,[19] zu lange Wartezeiten, die zur Retraumatisierung von Opfern führen können[19]), ist seitens der die Musterordnung in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD mitverantwortenden Bischöfin Fehrs bislang nicht bekannt.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Karl-Günther Petters | Hauptpastorin an St. Jacobi 2006–2011 | Astrid Kleist |
Maria Jepsen | Bischöfin des Sprengels Hamburg-Lübeck der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche seit 2011 |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Fehrs, Kirsten |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Geistliche, Hamburger Hauptpastorin |
GEBURTSDATUM | 12. September 1961 |
GEBURTSORT | Wesselburen |